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Norwegen: 1300 Jahre alte Skier, fast wie neu

Archäologen haben einen sehr gut erhaltenen Holzski samt Bindung aus dem schmelzenden Eis Norwegens geklaubt. Das Artefakt passt nahezu perfekt zu einem Fund von vor sieben Jahren.
Der Ski von Digervarden bei der Auffindung im September 2021. Zu sehen ist die Unterseite.

In der norwegischen Gebirgsregion Reinheimen haben Gletscherarchäologen einen 1300 Jahre alten Ski samt Bindung aus Leder- und Birkenrindenriemen gefunden. Die Forschergruppe um Espen Finstad von der Bezirksbehörde Innlandet hat das Stück im September 2021 aus einem schmelzenden Eisfeld namens Digervarden geborgen. Der Fund ist nicht nur ausgezeichnet erhalten, sondern bildet mit einem weiteren, ähnlichen Ski ein vollständiges Paar. Jener war bereits im Jahr 2014 an derselben Fundstelle entdeckt worden. Eine Radiokarbondatierung ergab damals ein Alter von ungefähr 1300 Jahren. Fundort und ähnliches Aussehen lassen die Archäologen annehmen, dass beide Stücke gleich alt sind.

Nach der Entdeckung des ersten Skis hofften die Archäologen, auch sein Pendant zu finden. Allerdings war der Eisfleck seither nicht weiter abgeschmolzen. Als Satellitenbilder aus dem Jahr 2021 nahelegten, dass sich das Eisfeld zurückgezogen hat, prüften die Forscherinnen und Forscher die einstige Fundstelle – und entdeckten das Gegenstück.

Eine Skibindung aus dem 8. Jahrhundert

Beide Skier sind ähnlich aufgebaut: Sie sind vergleichsweise breit, und in die Spitze wurde ein Loch geschnitzt. Der Neufund misst 187 Zentimeter in der Länge und 17 Zentimeter in der Breite, der andere Ski ist etwas kürzer und schmaler. Wie die Forscher vermuten, ragte jener Ski schon früher aus dem Eis und war damit der Witterung länger ausgesetzt als der Fund von 2021.

Weil die beiden Stücke exzellent erhalten sind, können die Archäologen gut rekonstruieren, wie die Skier einst an die Füße geschnallt wurden: An der Skibindung wurde das Holz höher belassen und durchbohrt. Durch die Öffnung wurde ein längerer Riemen aus Birkenrinde und einer aus Leder geführt. »Erhalten sind drei Birkenbindungen, die vermutlich ein und dasselbe in sich verdrehte Birkenrindenseil bildeten. Sie dienten als Bindung für die Zehen«, erklärt Archäologe Lars Holger Pilø, der zusammen mit Finstad das Forschungsprojekt »Secrets of the Ice« in Norwegen leitet. »Der Lederriemen war für die Ferse. Und mit einem Holzstöpsel wurden die Riemen in der Öffnung fixiert.«

Die Skibindung | Auf einem erhöhten Stück befindet sich die Bindung aus einem Lederriemen und Seilstücken.

Auf Grund der Form der Skier gehen Pilø und seine Kollegen davon aus, dass es sich um eine Art Tourenski gehandelt hatte, mit dem man auf dem Schnee wandern und herabgleiten konnte. Der neue Fund liefert der Forschergruppe auch eine Antwort auf die Frage, ob die Lauffläche einst mit Fell beklebt war, um auf dem Schnee überhaupt bergauf gehen zu können. Dies dürfte wohl nicht der Fall gewesen sein, da sich über die Unterseite eine lange Furche zieht. »Sie half, den Ski zu steuern. In der Furche konnte sich eine Art Lufttasche unter dem Ski bilden – dadurch konnte der Ski besser gleiten«, erklärt Pilø. »Und wenn es nass war, half die Furche, Wasser unter dem Ski zu beseitigen.«

Aus ihren bisherigen Forschungen wissen die Archäologen um Finstad und Pilø, dass die Menschen vor Hunderten und Tausenden von Jahren aus drei Gründen in die eisigen Bergregionen Norwegens aufgestiegen sind: für die Jagd, den Viehtrieb oder den Handel. Weshalb nun der einstige Besitzer der Skier von Digervarden sein Fahrgerät auf dem Eisfleck zurückließ, darüber können die Forscher nur spekulieren. Womöglich wurde er von einer Lawine überrascht oder verunglückte tödlich. Menschliche Überreste fand die Forschergruppe aber noch nicht.

Die Gletscherarchäologen von »Secrets of the Ice« haben bisher mehr als 3000 Objekte dokumentiert, die aus Eisflecken in der Provinz Innlandet freigeschmolzen oder gespült worden waren. C-14-Datierungen ergaben, dass die ältesten Funde aus der frühen Jungsteinzeit Skandinaviens stammen, zwischen 4000 bis 3700 v. Chr., während die jüngsten Objekte bis in die Gegenwart reichen.

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