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Nudging: Wie Kinder seltener spicken

Grundschüler neigen offenbar weniger zum Abschauen, wenn man ihnen Grenzen setzt. Allem Anschein nach reichen dafür sogar schon imaginäre Grenzen.
Zwei Schülerinnen, eine versucht zu schummeln

Für Schüler ist es ein Ausweg, rasch Wissenslücken zu füllen, für Lehrer ist es vermutlich eine leidige Angelegenheit: das Spicken bei Klausuren. Wie man zumindest junge Schüler vom Schummeln abhalten kann, haben nun chinesische Psychologen herausgefunden. Schoben die Forscher eine vermeintliche oder sogar nur eine imaginäre Barriere vor die Kinder, wagten es weniger von ihnen zu spicken, wie die Wissenschaftler im Fachblatt »PNAS« berichten.

Für ihre Studie führten Li Zhao von der Hangzhou Normal University und ihr Team Versuche mit 350 fünf- bis sechsjährigen Kindern durch. Zum Anlass nahmen sie die allgemeine Einschätzung, dass »der Glaube kleiner Kinder an imaginäre Wesen ihr moralisches Verhalten beeinflussen kann«, heißt es in der Studie. Die Forscher setzten die Schüler einer Prüfungssituation aus: Die Kinder sollten einen Test schreiben, der allerdings unmöglich in der gegebenen Zeit zu lösen war. Neben den Tisch der Prüflinge platzierten die Forscher in Sichtweite auch einen Bogen mit den Lösungen, wiesen die Kinder jedoch an, nicht zu spicken. Anschließend blieben die Schüler für sich, ihr Verhalten wurde per Videokamera aufgezeichnet.

Per Zauberstab vom Spicken abgehalten

Die Psychologen nutzten verschiedene Versuchsaufbauten. Je nach Durchlauf stellten sie zwischen Kind und Lösungsblatt verschiedene symbolische Barrieren auf: zunächst eine an einem Rahmen aufgehängte, durchsichtige Plastikfolie, anschließend nur den Rahmen. In einem Versuchssetting zückte eine Mitarbeiterin vor dem Test einen Spielzeugzauberstab und deutete lediglich in der Luft einen imaginären Rahmen an. Sie wies die Kinder zudem darauf hin, dass sich hier eine unsichtbare Barriere befände. Zur Kontrolle führte die Forschergruppe einen Durchlauf ohne jegliche Intervention durch.

Die Psychologen um Li stellten fest: Die Prüflinge spickten signifikant weniger, wenn ein Rahmen – mit und ohne Folie – zwischen ihnen und dem Lösungsbogen stand. Und sogar der nur angedeutete Sichtschutz wirkte. Ohne Intervention spickte ungefähr die Hälfte der Kinder; war eine Plastikfolie aufgehängt, linsten bloß wenige auf die Lösungen: Die Schummelrate lag bei zirka 15 Prozent. Beim Rahmen allein waren es immerhin nur fast 30 Prozent und bei der imaginären Barriere 25 Prozent. Die Wissenschaftler nehmen an, dass entweder die Grenzziehung die Kinder zu diesem Verhalten triggerte oder weil sie damit explizit aufgefordert wurden, nicht zu schummeln.

Derartige Interventionen bezeichnen Fachleute als Nudging. Der Begriff leitet sich vom englischen Verb »to nudge« ab, was so viel bedeutet wie jemanden sanft anstupsen. Dahinter steckt die Idee, Menschen nicht mit Verboten zu bestimmten Verhaltens- und Handlungsweisen zu bewegen, sondern durch Veränderungen in ihrer Umwelt. So sollen sich bessere Alternativen bieten, für die man sich freiwillig entscheidet. Bekanntes Beispiel sind die aufgedruckten Fliegen in den Urinalen des Amsterdamer Flughafens Schiphol. Die Treffsicherheit der Toilettengänger soll sich dadurch immens erhöht haben, und die Sauberkeit auch.

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