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News: Ob links oder rechts - Hauptsache, fremd

Pflanzen schützen sich auf viele Weisen vor Inzucht. Ins Repertoire gehören auch gekrümmte Griffel.
Selbstbefruchtung kann für manche Pflanzen ihre Vorteile haben, alleiniger geschlechtlicher Fortpflanzungsweg ist sie aber nur selten. Bei vielen Familien der Samenpflanzen (Angiospermae) greifen die Pflanzen sogar zu ganz unterschiedlichen Tricks, um eine Selbstbefruchtung zu verhindern. Der am weitesten gehende Schritt ist, dass es männliche und weibliche Individuen gibt: Die Pflanzen sind zweihäusig. Etwas weniger radikal ist die Variante, die verschiedenen Fortpflanzungsorgane eines Gewächses räumlich zu trennen. Sitzen sie aber allesamt in einer Blüte, bleibt nur, die Blütenorgane zu unterschiedlichen Zeiten reifen zu lassen oder so anzuordnen, dass der Pollen die eigene Narbe gar nicht erreichen kann.

Diese Aufgabe haben sich offenbar auch Pflanzen vorgenommen, die eine so genannte Enantiostylie zeigen: Ihre Griffel in den Blüten weisen nicht einfach nur nach oben, sondern krümmen sich entweder nach rechts oder links. Zu den Anhängern gehört auch der Stachel-Nachtschatten (Solanum rostratum), der innerhalb einer Pflanze sowohl links- als auch rechtsgekrümmte Griffel aufweist und von Hummeln bestäubt wird.

Krabbelt nun eine Hummel in eine solche Blüte, wird sie offenbar nur an einer Seite mit Pollen eingepudert. Fliegt sie nun die nächste Blüte an und "betritt" auf gleiche Weise – also nicht etwa von oben – und dreht sich auch nicht um, überträgt sie ihre gelbe Last nur dann auf die Narbe, wenn der Griffel sich entgegen gesetzt zu seinem Vorgänger krümmt. Denn dann streift die Hummel ihre mit Pollen beladene Seite ab. Hat der Griffel hingegen die gleiche Orientierung, bleibt die Narbe unberührt, und die Hummel bekommt noch eine weitere Portion Pollen aufgeladen.

Haben sich einzelne Pflanzen also auf "linke" oder "rechte" Griffel festgelegt, erreichen sie so den gewünschten Schutz vor Selbstbestäubung. Der Stachel-Nachtschatten jedoch hat an ein und derselben Pflanze beide Varianten – was bringt ihm das?

Linley Jesson und Spencer Barrett von der University of Toronto bepflanzten ihre Versuchsfelder mit dem Nachtschattengewächs und manipulierten die Pflanzen so, dass entweder eine der Varianten, beide oder einfach nur gestreckte Griffel auftraten, aus denen sich die gekrümmten Formen wahrscheinlich einmal entwickelt haben. Mittels genetischer Marker verfolgten die Forscher dann den Fortpflanzungserfolg.

Wie erwartet, lag der Anteil fremdbefruchteter Blüten am höchsten, wenn nur links- oder rechtsgerichtete Griffel in den Blüten einer Pflanze vorkamen. Hier funktionierte außerdem der Austauch am besten zwischen Pflanzen mit entgegengesetzter Orientierung der Griffel. Doch die Variante mit beiden gekrümmten Formen innerhalb einer Pflanze verhinderte immer noch deutlich erfolgreicher als die ursprünglichen geraden Griffel, dass eigener Pollen die Narben erreichte.

Verantwortlich für die Ausrichtung des Griffels ist offenbar ein einziges Gen, das in zwei Varianten vorliegt – für links und rechts. In Züchtungsversuchen mit Heteranthera multiflora, einer Wasserpflanze aus der Familie der Pontederiaceae, konnten die Forscher nachweisen, dass die Anlage für die Krümmungsrichtung den Mendel'schen Gesetzen für einen dominant-rezessiven Erbgang folgt: Kreuzten sie Pflanzen miteinander, die jeweils beide Kopien für links oder rechts besaßen, krümmten sich die Griffel der ersten Tochtergeneration alle nach rechts, das sich damit als dominant erweist. In der zweiten Folgegeneration traten dann erwartungsgemäß in einem von vier Fällen wieder Griffel mit Linksdrall auf.

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