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Ökologie: Tiefseewurm erzeugt giftiges Farbpigment der alten Meister

Tief im Meer lebt ein wirbelloses Tier, das einen giftigen gelben Farbstoff herstellt. Er hilft ihm beim Überleben.
Makroaufnahme eines gelben Tiefseewurms vor schwarzem Hintergrund: Links ist der geriffelte Wurmkörper, in dessen Mitte noppenartige Punkte verlaufen. Am rechten Ende des Wurms ragen drei federartige Strukturen senkrecht nach oben, nach rechts sind ebenfalls noch faserartige Schüre zu sehen, die verquirlt wirken.
Paralvinella hessleri lebt im Okinawa-Graben im Pazifik an heißen Quellen.

Die Heimat des Vielborsters Paralvinella hessleri gehört zu den extremsten Lebensräumen der Erde: Der Wurm ist das einzige Tier, das die heißesten Bereiche von hydrothermalen Quellen im westlichen Pazifik besiedelt und dort gedeiht – obwohl das austretende Wasser sehr stark mit Sulfiden und Arsen angereichert ist, die für andere Lebewesen tödlich wären. Doch Paralvinella hessleri kann so viel Arsen in seinem Körper einlagern, dass es bis zu ein Prozent seines gesamten Körpergewichts ausmacht, berichtet eine Arbeitsgruppe um Hao Wang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Quingdao: Das Tier wandelt die toxische Substanz in den gelben Farbstoff Auripigment um.

Dank verschiedener chemischer Analysen und fortschrittlicher Mikroskopiertechniken analysierte das Team, wie der biochemische Prozess im Körper des Vielborsters abläuft. Das aufgenommene Arsen sammelt sich demnach in Hautzellen und an den inneren Organen an, wo es dann mit den Sulfiden aus dem Hydrothermalwasser reagiert. Dabei entstehen kleine Klumpen aus Auripigment – Arsentrisulfid –, einem ebenfalls giftigen, aber strahlend goldgelben Farbstoff, der im Mittelalter und während der Renaissance unter Malern sehr begehrt und teuer war. Unter anderem Rembrandt, Tizian oder der französische Meister Paul Cézanne setzten die auch als Rauschgelb bezeichnete Farbe ein, bis sie vom ebenfalls giftigen Chromgelb abgelöst wurde. Der Farbstoff der Künstler stammte allerdings aus dem Bergbau, nicht aus der Tiefsee.

Wahrscheinlich dient der eingelagerte Farbstoff als zusätzlicher, mikroskopisch kleiner Panzer, der den Wurm nach außen hin auch vor den giftigen Hydrothermalwassern schützt. Die leuchtend gelbe Färbung von Paralvinella hessleri hatte die Wissenschaftler ursprünglich überrascht, da viele Tiere in der Tiefsee entweder relativ farblos und gräulich weiß oder in dunklen Rot- und Orangetönen auftauchen, die sie in den lichtlosen Bereichen der Ozeane zusätzlich tarnen. Energie in helle Gelbtöne zu stecken, macht daher auf den ersten Blick wenig Sinn. Es lässt sich mit dieser Arbeit jedoch als Beiprodukt der Entgiftung erklären. Der Wurm bekämpft also Gift mit Gift.

Womöglich setzen verwandte Wurmarten, die an anderen heißen Quellen in der Tiefsee außerhalb des Okinawa-Grabens leben, ebenfalls auf diesen biochemischen Prozess, um mit hohen Arsenkonzentrationen in ihrer Umwelt zurechtzukommen. Die Schuppenfußschnecke (Chrysomallon squamiferum) wiederum beherbergt Bakterien, die Sulfid durch die extrazelluläre Biomineralisierung von Eisensulfiden in ihren Schuppen entgiften. Die Schnecke baut diese Minerale dann als zusätzlichen Schutz in ihr Gehäuse ein.

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  • Quellen
Wang, H. et al., PLOS Biology 10.1371/journal.pbio.3003291, 2025

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