Direkt zum Inhalt

News: Ökologischer Bankrott

Wie viele Planeten brauchen wir? Mehr als uns mit dem einen Planeten namens Erde zur Verfügung stehen - und das schon seit über 20 Jahren.
"Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht." Diesen göttlichen Auftrag versucht der Mensch geflissentlich nachzukommen. Mit Erfolg: Seit unsere Ahnen vor vielleicht 100 000 Jahren den afrikanischen Kontinent verließen, stößt die Art Homo sapiens bis in den letzten Winkel dieses Planeten vor und richtet sich häuslich ein. Doch spätestens als Dennis Meadows 1972 auf "Die Grenzen des Wachstums" hinwies, wurde deutlich, dass die natürlichen Ressourcen der Erde irgendwann erschöpft sind. Doch wann?

Eine Antwort hierauf ist schwierig, muss sie doch berücksichtigen, wie viel an natürlichen Ressourcen durch menschliche Aktivitäten insgesamt verbraucht werden. Hierbei darf nicht nur der unmittelbare Flächen- und Rohstoffbedarf einfließen, sondern auch die mittelbaren Folgen. Denn jedes Produkt benötigt für seine Herstellung nicht nur Rohstoffe und Energie, es verursacht beispielsweise auch Transportkosten und belastet damit wiederum die Umwelt und das Klima. Jedes menschliche Produkt und jede menschliche Aktivität hinterlässt damit "ökologische Fußstapfen" beziehungsweise wird – wie es der ehemalige Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Ernst Ulrich von Weizsäcker, bezeichnet hat – mit einem "ökologischen Rucksack" belastet.

Doch welche Auswirkungen hat die Summe aller "ökologischen Fußstapfen" der Menschheit auf die Erde? Diese Berechnung wagte jetzt eine internationale Wissenschaftlergruppe unter der Leitung von Mathis Wackernagel von der in Kalifornien ansässigen Organisation Redefining Progress. Die Forscher versuchten hierbei sechs Faktoren menschlicher Aktivitäten seit 1961 zusammenzufassen: Getreideanbau, Viehzucht, Holzverbrauch, Fischerei, industrielle Infrastruktur sowie die Kohlendioxidproduktion durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Jede dieser Aktivitäten gewichteten sie mit einem Umrechnungsfaktor, mit dem sie den jährlichen Flächenbedarf berechnen konnten. Die Summe hieraus ergab schließlich einen globalen Flächenbedarf, dem sodann die zur Verfügung stehenden Flächen gegenüber gestellt wurden.

Die Ergebnisse sind wenig beruhigend: Jeder Erdbewohner benötigte demnach 1999 im Schnitt 2,3 Hektar. Der Bedarf war regional äußerst unterschiedlich: So brauchte ein Deutscher etwa 4,7 Hektar, ein Amerikaner gar 9,7 Hektar. Insgesamt stehen jedem Menschen jedoch nur 1,9 Hektar zur Verfügung. Der Bedarf ist damit um 20 Prozent überschritten. Mit anderen Worten: Wir bräuchten 1,2 Erden, um uns zu ernähren. Oder: Die Erde benötigt 1,2 Jahre, um sich von den menschlichen Aktivitäten eines Jahres wieder zu erholen.

Den "ökologischen Durchbruch" erreichte der kontinuierlich wachsende Flächenbedarf bereits 1980; seit dieser Zeit leben wir über unsere Verhältnisse. Nur der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien könnte nach Ansicht der Wissenschaftler eine Trendwende einleiten. "Wie jeder verantwortungsbewusste Geschäftsmann, der seine Einnahmen und Ausgaben überwacht, brauchen wir eine ökologische Kontoführung, um unser natürliches Guthaben zu schützen", betont Wackernagel. "Wenn wir das nicht tun, landen wir in einem ökologischen Bankrott."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.