Direkt zum Inhalt

Neuroendokrinologie: Östrogen macht Mäusehirne männlich

Erhalten weibliche Mäusebabys künstlich das weibliche Sexualhormon Östrogen, entwickelt sich ihr Hirn ähnlich wie das ihrer männlichen Artgenossen. Das entdeckten jetzt Wissenschaftler um Nirao Shah von der University of California in San Francisco. Die von ihnen "vermännlichten" Mäuse markierten ihr Revier mit Urin und trugen Kämpfe mit Artgenossen aus. Den Forscher zufolge lässt dies auf eine entscheidende Rolle des Enzyms Aromatase bei der geschlechtsspezifischen Ausdifferenzierung des Gehirns schließen.

In ihrem Experiment manipulierten die Forscher den Hormonspiegel ihrer weiblichen Versuchstiere in einem Alter, in dem sie selbst noch keine Geschlechtshormone produzieren. Lediglich bei Männchen wird schon kurz nach der Geburt Testosteron ausgeschüttet.

Im Allgemeinen gilt Testosteron als typisch männliches Geschlechtshormon und Östrogen als weibliches. Verschiedene Studien haben jedoch bereits gezeigt, dass im Gehirn beide Hormone männliche Verhaltensweisen hervorrufen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Enzym Aromatase Testosteron in Östrogen umwandelt. Es ist bei männlichen Tieren in anderen Hirnregionen und in größerer Menge nachweisbar als bei weiblichen. Die Existenz dieser Aromatase-Nervenzellen sorge so für eine charakteristische maskuline Verdrahtung im Hirn, so die Forscher.

Spritzten Shah und Kollegen nun ihren weiblichen Versuchstieren Östrogen, fanden sie auch bei ihnen Aromatase-bildende Zellen, und zwar an denselben Stellen und in derselben Menge wie bei Männchen. Das Östrogen, das ihre Eierstöcke später im Erwachsenenalter ausschütten, schaltet schließlich diese Hirnbahnen an und verursacht dadurch das typisch maskuline Verhalten.

Weitere Versuche gaben einen Hinweis darauf, warum das verabreichte Östrogen zu mehr Aromatase-Zellen führte: Anscheinend werden Tiere beiderlei Geschlechts mit einem männlichen Gehirn geboren, was Zahl und Verknüpfung der Aromatase-Zellen angeht. Bei Weibchen sterben diese Zellen jedoch relativ bald nach der Geburt ab. Östrogen – sei es nun künstlich zugegeben oder per Enzym produziert – übernehme eine Schutzfunktion und verhindere diesen Zelltod. Der Östrogenmangel der weiblichen Neugeborenen sorge also dafür, dass sich unter Normalbedingungen die maskuline Verschaltung nicht halten kann. (jd)

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.