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News: Ohne Ansehen der Masse

Normalerweise hängt die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen von der Masse der beteiligten Atome oder Moleküle ab. Daher unterscheiden sich die Umsatzraten ansonsten identischer Substanzen leicht, wenn sie verschiedene Isotope des gleichen Elements beinhalten. Doch einige Vorgänge wie zum Beispiel die Bildung von Ozon halten sich nicht an die Regel. Zu ihnen zählt nach neuesten Erkenntnissen auch die Reaktion von Kohlenmonoxid mit dem Hydroxylradikal - ein wichtiger Prozeß der Atmosphärenchemie.
Der Isotopeneffekt ist zum Beispiel dafür verantwortlich, daß von den drei stabilen Isotopen des Sauerstoffs 16O, 17O und 18O die Reaktionsraten von Abläufen mit 18O doppelt so stark von der normalen Geschwindigkeit abweichen wie Reaktionen mit 17O. Die Bildung von Ozon (O3) verläuft jedoch nicht nach dieser Regel: 17O und 18O verhalten sich dabei annähernd gleich. Thomas Röckmann und seine Kollegen aus der Abteilung Atmosphärenchemie des Max-Planck-Instituts für Chemie haben nun festgestellt, daß auch die Reaktion von Kohlenmonoxid mit dem Hydroxylradikal unabhängig von der Isotopenmasse stattfindet (Science vom 24. Juli 1998).

Eigentlich wollten die Wissenschaftler nur untersuchen, wieso im atmosphärischen Kohlenmonoxid häufiger 17O vorkommt, als nach der Theorie zu erwarten wäre. Diese Beobachtung wurde zumindest von mehreren Meßstationen gemeldet, unter ihnen die Stützpunkte in Spitzbergen und auf den Kanarischen Inseln. Da der 17O-Überschuß mit den Jahreszeiten schwankte, nahmen die Forscher an, daß nicht die verschiedenen CO-Quellen den Effekt verursachen, sondern eher ein Zusammenhang mit jenem Mechanismus besteht, durch den Kohlenmonoxid abgebaut wird, also der Reaktion mit dem Hydroxylradikal OH. Die entgegengesetzten Verläufe der CO-Konzentration in der Atmosphäre und dem 17O-Überschuß im Jahreslauf ließen sich dann erklären, wenn die Reaktion

CO + OH --> CO2 + H

unabhängig von der Masse ist. Darum studierten die Chemiker des Max-Planck-Instituts die dominierende Abbaureaktion für Kohlenmonoxid im Labor und stellten zweifelsfrei fest, daß sie tatsächlich massenunabhängig verläuft. Während der Oxidation von CO mit OH unter verschiedenen Bedingungen stieg der Anteil der 17O-Isotope allmählich an – genau so, wie es nötig ist, um die Beobachtungen in der echten Atmosphäre erklären zu können.

Die neue Entdeckung bringt sowohl praktische Anwendungen als auch grundlegende Fragen mit sich. Der Selbstreinigungseffekt der Atmosphäre beruht im wesentlichen auf die Verfügbarkeit von Hydroxylradikalen. Die entfernen unter anderem Kohlenmonoxid und das Treibhausgas Methan. Doch OH gehört zu den seltensten Molekülen in der Atmosphäre, seine mittlere Lebensdauer beträgt nur Sekunden. Dennoch liefert die Reaktion von CO und OH ein eindeutiges Isotopensignal, wieviel Kohlenmonoxid auf Hydroxyl gestoßen ist. Daraus ließen sich Einblicke in den CO-Haushalt der Atmosphäre und die Verteilung von OH gewinnen.

Momentan sind die Wissenschaftler nicht in der Lage, zu erklären, warum die Reaktion von OH und CO massenunabhängig ist. Dabei handelt es sich um eine der am besten untersuchten Reaktionen von Gasen, die in der Atmosphäre sowie bei Verbrennungsprozessen eine wichtige Rolle spielt.

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