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News: Ohne ein Haar zu krümmen

Die Haare von Patientinnen mit Brustkrebs unterscheiden sich vom Haar gesunder Frauen. Zu diesem Ergebnis gelangten australische Wissenschaftler bei einer Studie, die Präventivuntersuchungen ohne aufwendige operative Eingriffe ermöglichen könnte. Allerdings benötigt die verwendete Röntgenstrukturanalyse einzelner Haare riesige Versuchsanlagen. Die existieren zwar glücklicherweise schon, werden aber hauptsächlich von Physikern und Materialwissenschaftlern gebraucht.
Brustkrebs trifft etwa zehn bis fünfzehn Prozent aller Frauen während ihres Lebens – in Abhängigkeit von ihrer geographischen, sozialen und ethnischen Herkunft. Wird er früh genug diagnostiziert, also solange er noch auf die Brust begrenzt ist, so besteht eine Heilungschance von 98 Prozent. Deswegen würde eine zuverlässige und kostengünstige Diagnosemethode in diesem Bereich einen wichtigen Durchbruch in der Medizin bedeuten.

Veronica James von der University of New South Wales in Sydney und ihre Kollegen gaben nun in Nature vom 4. März 1999 bekannt, wie mit Röntgenbeugungsuntersuchungen aufschlußreiche strukturelle Unterschiede zwischen Haaren gesunder und an Brustkrebs erkrankter Patientinnen nachgewiesen werden konnten.

James Gruppe entdeckte, daß das Muster der Röntgenstreuung bei Patienten mit einer "Neigung zur Malignität" einen oder mehrere Intensitätsringe mehr aufwies als das gesunder Patienten. Dabei schienen diese Ringe mit einem Abschnitt des Musters in Verbindung zu stehen, der durch einen Teil der Zellmembran des Haares verursacht wird. Das Team ging deshalb von einer Änderung in der Zellmembranstruktur aus, die sich ausprägt, wenn das Haar im sogenannten Follikel gebildet wird.

Anlaß für die Untersuchungen war der Hinweis auf strukturelle Abweichungen im Haar von Diabetikern und in der Haut von Krebspatienten. Zusätzlich stützten sich die Forscher auf Berichte weiblicher Krebspatienten über Veränderungen ihrer Haare. Die Forscher unternahmen daraufhin zwei Doppelblindstudien an Haaren gesunder Personen, von Patienten mit Brustkarzinomen, die einer Chemotherapie unterzogen worden waren, und von Personen, die das BRCA1-Gen trugen. Dieses Gen wird mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht. Nach einigen Schwierigkeiten mit dauergewellten Haaren verwendeten die Forscher schließlich Schamhaare, da bei diesen eine chemische Behandlung mit weit geringerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.

Für die Strukturuntersuchungen setzten die Wissenschaftler Röntgenstrahlung zweier Synchronotronanlagen in Japan und Australien ein. Dabei handelt es sich um riesige Teilchenbeschleuniger, von denen nur eine Handvoll auf der Welt existiert. Demzufolge ist Strahlzeit ebenso rar wie hart umkämpft. Die dort erzeugte intensive Strahlung ermöglicht es jedoch, wesentlich klarere und detailliertere Streuungsbilder herzustellen als mit gewöhnlichen Laboranlagen. Zusätzlich beträgt der zeitliche Aufwand nur Sekunden statt Wochen.

Bei den vorgenommenen Experimenten ergab sich, daß 86 Prozent der Haare normale Streuungsbilder lieferten, während alle Proben von Brustkrebspatientinnen ungewöhnliche Muster zeigten. Von den BRCA1-Proben wiesen sechzig Prozent eine deutliche Abweichung vom Normalfall auf, wobei die restlichen immer noch eine Teiländerung zeigten.

Selbst wenn weitere Untersuchungen notwendig sind, um falsche "positive" Befunde nach Möglichkeit auszuschließen, und obwohl Synchronotronstrahlung als Forschungswerkzeug schwer zugänglich ist, sind die Wissenschaftler von der Konsistenz ihrer Resultate überzeugt und voller Hoffnung, einmal "mit Hilfe eines einzigen per Post versandten Schamhaares eine einfache, zuverlässige und nichtinvasive Untersuchungsmethode für Brustkrebs verwirklichen zu können". Allerdings ist immer noch nicht geklärt, ob sich nicht auch andere Typen von Krebs oder Krankheiten mit dieser Methode nachweisen lassen.

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