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Ernährung: Ohne Fett kein Fett weg

Fett ist des Teufels, Proteine sind aus getöteten Mast-Tieren, und Zucker ist sowieso schlecht, nicht nur für die Zähne - schwer zu sagen, was wir eigentlich noch essen sollen. Wahrscheinlich von allem ein wenig, alles andere könnte schaden.
Leber und Fettzellen
Die guten alten Zeiten waren ersteres wohl nur selten. Besonders die uralten nicht: Unsere prähistorische Sippschaft fristete ihr vergleichsweise kurzes Dasein wahrscheinlich hauptsächlich mit Nahrungsbeschaffung, Nahrungsaufnahme und dem Versuch, nicht als Nahrung von Säbelzahntigern und Co zu enden. Das Berufsbild "Diätberater" dürfte jedenfalls kaum in Mode gewesen sein.

Wie die Zeiten sich doch ändern. Heute haben Ernährungsratgeber viel zu tun: Zumindest in industrialisierten Breiten mangelt es keineswegs an ungesunden Nahrungsangeboten (für uns Menschen), vielmehr schon an Bewegung (weil die zu hektischer Aktivität hoch motivierenden Raubtiere ausgestorben oder weggesperrt sind). Das alles beschert Medizinern Sorgen: Übergewicht infolge fehlender energiezehrender Muskelarbeit bei gleichzeitig hohem Nährstoffinput, gemixt mit zunehmend verbreiteten Stoffwechselstörungen – fertig ist ein Gemisch, das zur gesundheitspolitischen Herausforderung der kommenden Jahrzehnte werden wird.

Dabei wäre es so einfach: Mehr Bewegung, kein Fett in der Nahrung, fertig ist der althergebracht gesunde Lebensentwurf. Wobei allerdings letzteres auch nicht ganz richtig sein dürfte, meinen Manu Chankravarthy und seine Kollegen von der Washington-Universität. Gar kein Fett in der Nahrung, so die Forscher, bringt sicher mehr Schaden als Nutzen.

Zumindest bei den völlig fettfrei großgezogenen Labormäusen der Wissenschaftler. Ihrem gentechnisch gebastelten "Faskol"-Mausmodell fehlt in den Leberzellen der Enzymkomplex der Fettsäure-Synthase – einer in mehreren Arbeitsschichten produzierenden Zellfabrik zur Herstellung von Fettsäuren aus Zuckerbausteinen. Diese Nachschublieferung ist in Körperzellen immer dann notwendig, wenn die lebenswichtigen Fettsäuren – Bausteine aller Membranen und Grundgerüst vieler wichtiger Moleküle – auszugehen drohen. Fällt die Fettsäure-Synthase nicht nur in der Leber aus – wie bei den Faskol-Nagern – sondern überall, so stirbt ein betroffener Organismus, bevor er geboren werden kann.

Ihre zur Fettsäureproduktion unfähigen Mäuse fütterten Chankravarthy und Kollegen nun zudem mit völlig fettfreier Kost – was die Tiere nun eigentlich ziemlich schlank halten sollte. Aber Überraschung: Während eine Kontrollgruppe, die mit vielseitig gemischter Nahrung ernährt wurde, unauffällig blieb, entwickelten die völlig fettsäurefreien Nager Fettablagerungen in der Leber sowie weitere Stoffwechselstörungen.

Dieses "recht paradoxe" Ergebnis, so Studienleiter Clay Semenkovich, ist die Folge massiver Regulationsprobleme im wichtigsten Stoffwechselorgan, enthüllten weitere Untersuchungen. Ohne Fettsäuren – egal ob selbst hergestellten oder mit der Nahrung aufgenommenen – sank die mittlere Aktivität entscheidender stoffwechselsteuernder Gene dramatisch ab, Zucker-, Fettsäure- und Cholesterinbausteine wurden nicht länger selbstreguliert produziert.

Als funktionslos gewordenen Verursacher der Malaise entlarvten die Wissenschaftler das Steuergen PPARa – es erteilt im Normalfall Befehle an eine Reihe untergeordneter Stoffwechselschalter und wird selbst durch Fettsäuren aktiviert. Diese Befehlsmoleküle fehlten den mangelernährten Faskol-Mäusen aber gänzlich in der Leber. Interessant dabei auch, dass Fettsäuren, die in anderen Organen produziert oder aus Speicherfetten freigesetzt und in die Leber transportiert werden, den wählerischen Anforderungen des Systems nicht zu genügen scheinen.

Nur Nahrungs- oder lokal produzierte Fettsäuren sind demnach regulatorisch wirksam – und damit sind manche dieser Moleküle gleicher als gleich. Auch altes Speicherfett kann offenbar nur dann zum Abbrennen freigegeben werden, wenn neues Fett einen regulatorischen Impuls dazu liefern kann. Ein weiterer Hinweis für das, was verantwortungsbewusste Ernährungsberater schon immer propagieren: weniger kann nur so lange mehr sein, bis zu viel weniger einem zu viel wird.

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