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Anthropologie: Ohne Kondom zur Monogamie: Warum leben wir in Paaren?

Warum leben wir eigentlich eher als Paar zusammen und nicht in einem Netz von Beziehungen? Für unsere Vorfahren war das wohl schlicht gesünder.
Familie in prähistorischer Zeit

In den meisten kleinen Kulturen leben Männer mit mehreren Frauen zusammen. Doch global gesehen ist Polygamie eher selten, in den großen Gesellschaften haben wir die Monogamie zur Norm erhoben. Aber warum eigentlich?

Weil Tripper, Syphilis und Co sonst unsere großen Gesellschaften um ihren Kindersegen bringen. Das ist, kurz gesagt, die Essenz einer Studie, die Chris Bauch und Richard McElreath nun in "Nature Communications" vorstellen. Am Computer haben sie simuliert, wie sich Geschlechtskrankheiten ausbreiten. Damit wollen sie einen neuen Erklärungsansatz dafür liefern, warum sich Monogamie bei unseren Vorfahren durchsetzen konnte.

Sie fanden heraus: Wenn Menschen in Kleingruppen von wenigen dutzend Individuen zusammenleben, verschwinden spontan auftretende Geschlechtskrankheiten früher oder später wieder aus der Gemeinschaft –, selbst wenn die Menschen polygam leben. Ab einer Gruppengröße von 300 Menschen werden Geschlechtskrankheiten jedoch zum Dauerproblem, das heißt es hat immer ein gewisser Anteil der Gruppe eine Krankheit.

Im Normalfall wäre es evolutionär günstiger, wenn ein Mann mit mehreren Frauen zusammenlebt. Doch durch Krankheiten wie Tripper oder Chlamydiose können die Eileiter verkleben, so dass Frauen unfruchtbar werden. Die Syphilis zerstört im späten Stadium das Zentralnervensystem und kann dadurch tödlich enden. Lebt ein Mann nun monogam und setzt dies auch noch bei anderen Gruppenmitgliedern durch, können sich diese Krankheiten nicht mehr so stark verbreiten.

Bisher glaubten Anthropologinnen und Anthropologen, dass es besonders für Frauen vorteilhafter sei, monogam zu leben, weil der Mann sie somit bei der Kinderaufzucht besser unterstützen könne. Oder dass Männer untereinander im Wettbewerb stünden und darum ihre Partnerin gegen Nebenbuhler abschirmten.

Normen aufzwingen kostet

Bei letzterer Strategie bezahlt die Gruppe allerdings mit einer geringeren Geburtenrate, besonders wenn die Männer ihre eigene Vorgehensweise ihren Geschlechtsgenossen aufzwingen (die Forschung spricht von "costly punishment"). Deshalb war für Anthropologinnen und Anthropologen der evolutionäre Nutzen der Monogamie eher unklar, und man vermutete bereits, dass sexuell übertragbare Krankheiten eine Rolle dabei spielen könnten.

Über die Geschlechtskrankheiten aus prähistorischer Zeit ist allerdings so gut wie nichts bekannt, weshalb sich Bauch und McElreath auf Simulationen verlegten. Sie kombinierten aktuelle Daten zur Verbreitung von Geschlechtskrankheiten mit Erkenntnissen über die Sozialstrukturen von Jägern und Sammlern beziehungsweise sesshaften Menschen. In ihrem vereinfachten Modell gibt es Polygynisten, also Männer mit mehreren Frauen, Monogamisten und solche Monogamisten, die keine Polygynisten dulden. Frauen suchen sich nur einen einzigen Partner aus, vorzugsweise einen mit einer hohen Lebensdauer seiner Kinder.

Mit diesen Voraussetzungen starteten die Forscher nun ihre Computersimulation. Bei jedem Rechenschritt (ein Monat) finden sich Menschen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu Paaren zusammen, bekommen ein Kind oder sterben. Alle 70 Jahre tritt eine neue Geschlechtskrankheit auf, die sich dann per Sex auf andere Menschen überträgt und mitunter zu Unfruchtbarkeit oder Tod führt.

Ihr Ergebnis passt ganz gut zu der Erkenntnis der Anthropologie, dass unter kleinen Jäger-Sammler-Gruppen Polygynie häufiger ist als bei großen, sesshaften Viehzüchter- und Ackerbaukulturen. Die Daten basieren auf der Beobachtung und qualitativen Beschreibung von etwa 200 großen und kleinen Kulturen auf der ganzen Welt, die im so genannten Standard Cross-cultural Sample zusammengefasst sind. Die Angaben in diesem Atlas geben auch Hinweise darauf, wie Menschen in prähistorischer Zeit zusammengelebt haben dürften.

In Zukunft wollen die beiden Wissenschaftler ihr Modell stärker differenzieren, zum Beispiel, um herauszufinden, welchen Einfluss religiöse Vorschriften oder verschiedene Partnerwahlstrategien von Frauen haben. Die Ergebnisse der Studie führen außerdem zu einer interessanten Frage: Wenn Sesshaftigkeit mit mehr Monogamie einhergeht, werden wir Kinder der Globalisierung dann wieder mehr als eine Beziehung gleichzeitig haben – einen Freund in jedem Hafen?

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