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Oldowan-Kultur: Machten uns weite Wege für Werkzeuge zu Menschen?

Vor 2,6 Millionen Jahren – 600 000 Jahre früher als bisher angenommen – liefen Menschenvorfahren weite Wege für das beste Werkzeugmaterial. Eine wichtige Etappe in der Menschwerdung.
Eine Sammlung von 18 Steingeräten, die auf einem schwarzen Hintergrund angeordnet sind. Die Proben variieren in Form, Größe und Farbe, von rötlichen bis zu erdigen Tönen. Einige Steine zeigen glatte Oberflächen, während andere rau und unregelmäßig sind. In der unteren rechten Ecke befindet sich eine Maßstabsleiste von 2 cm.
Die 2,6 Millionen Jahre alten Steingeräte stammen aus Kenia. Sie könnten auf einen bedeutenden Wandel in der Evolution des Menschen hinweisen.

Vor ungefähr 3,3 Millionen Jahren hatten Vormenschen begonnen, Steine als Werkzeuge zu verwenden. Das Material dafür kam aus der allernächsten Umgebung; ein Verhalten, das Affen heute noch pflegen. Die Vorfahren des Menschen änderten dann diese Vorgehensweise: Sie legten weitere Wege zurück, um besser geeignetes Gestein für ihre Geräte aufzusammeln, es in ihre Reviere zu schleppen und von den Steinknollen Werkzeuge abzuschlagen. Dachte man bislang, dass dieser Wandel vor zirka zwei Millionen Jahren vor sich ging, so hat nun ein Forscherteam um Emma Finestone vom Cleveland Museum of Natural History und Richard Potts vom National Museum of Natural History in Washington D.C. festgestellt: Die Suche nach besserem Werkzeug begann bereits 600 000 Jahre früher.

Das ergab der Fund von 2,6 Millionen Jahre alten Steingeräten nebst Knochen geschlachteter Flusspferde aus Nyayanga am Victoriasee in Kenia. Das Steinmaterial, das die Fachleute der frühesten Phase der Oldowan-Kultur zuordnen, stammte aus ungefähr 13 Kilometer entfernten Quellen. Was banal klingt, stellt eine bedeutende Etappe der Menschwerdung dar. Das Verhalten liefert erstmals Hinweise auf planerisches Denken und die Fähigkeit, die umgebende Landschaft als Karte im Kopf (kognitive Karte) abzubilden, schreiben die Forscherinnen und Forscher in »Science Advances«.

Oft gehe es in der Forschung um die Geräteformen selbst, erklärt Richard Potts in einer Pressemitteilung, »aber die wirkliche Innovation des Oldowan« – das vor 2,6 Millionen Jahren einsetzte – »dürfte der Transport von Rohstoffen von einem Ort zum anderen gewesen sein«. Das in Nyayanga freigelegte Werkzeugset umfasst 401 Artefakte. Wie geochemische Analysen ergaben, stammt das meiste davon aus einer Region 13 Kilometer östlich von Nyayanga. Auf natürlichem Weg, etwa als Schwemmmaterial in Flüssen, können die Steinknollen aufgrund der geologischen Gegebenheiten nicht nach Nyayanga gelangt sein. Das Gestein in Nyayanga wiederum hat keine guten Eigenschaften, es ist nicht hart genug, um scharfe Abschläge zu produzieren, und gibt auch keine robusten Hammersteine her.

Welche Menschenform die Geräte herstellte und damit Pflanzen, Fleisch oder Holz bearbeitete, ist nicht sicher. Zum Beginn des Oldowan existierten bereits die frühesten Vertreter der Gattung Homo, ferner Vormenschen der Gattung Australopithecus und der Gattung Paranthropus, einer Seitenlinie auf dem Weg zu Homo. In Nyayanga selbst kamen fossile Zähne von Paranthropus zum Vorschein. Sollten diese tatsächlich die Macher der Werkzeuge gewesen sein, dann wären das Heranbringen von gutem Ausgangsmaterial und die damit einhergehenden kognitiven Eigenschaften kein alleiniges Merkmal unserer Gattung Homo. Diese Frage müssen nun weitere Forschungen klären.

  • Quellen
Finestone, E.M. et al., Science Advances 10.1126/sciadv.adu583, 2025

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