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Optik: Glasfaser mit Strohhalmstruktur könnte das Internet beschleunigen

Eine neu entwickelte Glasfaser ermöglicht es, mehr Daten und diese auch noch schneller und weiter zu versenden. Es wäre die erste große Innovation der Fasern seit Jahrzehnten.
Nahaufnahme eines Netzwerk-Switches mit mehreren eingesteckten Ethernet-Kabeln. Die grünen LED-Anzeigen über den Anschlüssen leuchten, was auf aktive Verbindungen hinweist. Die Anschlüsse sind nummeriert, und die Kabel sind in verschiedenen Farben gehalten. Das Bild vermittelt den Eindruck von Datenverarbeitung und Netzwerktechnologie.
Glasfaserkabel machen die moderne Dateninfrastruktur überhaupt erst möglich. Durch hohle Fasern mit komplexem Aufbau könnte es künftig noch schneller zugehen im Internet.

Ein neuer Typ von Glasfaser verspricht die Datenmenge, die durch jede einzelne Faser geschickt werden kann, deutlich zu steigern. Auch sollen die Daten über größere Distanzen gesendet werde können als bei herkömmlichen Fasern. Das könnte Telekommunikationsnetze schneller und effizienter machen.

Welches Design das möglich macht, führt ein Wissenschaftlerteam in der aktuellen Ausgabe von »Nature Photonics« aus. Der darin beschriebene Aufbau der Glasfaser ersetzt den Vollglaskern herkömmlicher Fasern durch ein System aus gläsernen »Strohhalmen«: Fünf kleine Zylinder, jeweils mit zwei ineinander verschachtelten Röhren, sitzen an der Innenwand eines größeren, hohlen Hauptzylinders. Die Durchmesser der Röhren sind exakt so gewählt, dass der Hohlraum nur Licht bestimmter Wellenlängen weiterleitet. Wird ein Lichtpuls der passenden Wellenlänge in die Glasfaser geschickt, bleibt er im zentralen Hohlkanal gefangen und entweicht nicht.

Man sei vom transformativen Potenzial der neuen Technik überzeugt, erklärt Francesco Poletti von der University of Southampton, einer der Koautoren der Studie. Er arbeitet nach eigenen Angaben seit mehr als zehn Jahren an dem nun vorgestellten Aufbau. Vom neuen Modell glaubt er erstmals, dass es herkömmliche Fasern in der Breite ablösen könnte.

Ineinander verschachtelte Röhren | Die Glasfasern, die das Team um Poletti 2020 entwickelte, sind nicht einfach nur hohl, sondern haben einen speziellen Aufbau aus fünf kleineren Röhren, die ihrerseits wiederum hohle Fasern enthalten.

»Wenn sich die neue Faser leicht herstellen und installieren lässt und sich als langlebig erweist, könnte das Ergebnis ein schnelleres und besseres klassisches Internet sein«, sagt Rod Van Meter von der Keio-Universität in Tokio, der an der Studie nicht beteiligt war.

Hohlform wird langgezogen 

Produziert werden sollen die Fasern künftig von der Firma Lumenisity aus Southampton, einem Spin-off der Universität, das 2022 von Microsoft übernommen wurde.

Das Licht bewegt sich in den hohlen Fasern um 45 Prozent schneller

Herkömmliche Glasfasern entstehen, wenn ein Glasstab geschmolzen und zu einem Faden der gewünschten Dicke gezogen wird. Im Fall des neuen Modells beginnt der Prozess mit einer großformatigen Vorform der späteren Hohlfaser. Sie misst rund 20 Zentimeter im Durchmesser und wird dann ebenfalls in die Länge gezogen, wobei die Hohlräume mit Druck stabilisiert werden, sodass die Struktur erhalten bleibt. Dabei wird die Faser auf etwa 100 Mikrometer Durchmesser ausgedünnt.

Hohle Glasfasern in unterschiedlichen Ausführungen gibt es bereits seit Längerem; sie haben Nischenanwendungen, wo es auf Geschwindigkeit ankommt – etwa um die Einheiten in Rechenzentren untereinander zu verbinden. Licht bewegt sich in luftgefüllten Hohlkanälen um 45 Prozent schneller als in massivem Glas. Van Meter nennt diesen Geschwindigkeitsgewinn »eine dramatische Veränderung, für die die Leute viel Geld ausgeben werden«.

Die Glasfasern, über die der Großteil des weltweiten Internetverkehrs läuft, haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten nur wenig verändert: Bei ihnen halbiert sich etwa alle 15 Kilometer – bei den modernsten Varianten nach rund 20 Kilometern – die optische Leistung, vor allem durch Absorption im Glas. Beim neuen Design halbiert sich die Stärke des Signals dagegen erst nach rund 33 Kilometern. Das bedeutet: Stationen zum Verstärken und Neuaufschalten des Signals könnten weiter auseinanderstehen als heute. »Wenn eine neue Technologie ermöglicht, dass Sie jedes zweite oder dritte Gebäude überspringen können, ist das eine sehr erhebliche Kostenersparnis«, sagt Poletti.

Breites Spektrum an Wellenlängen

Hinzu kommt, dass die Hohlfasern der Studie zufolge mehr als das 1000-Fache an Leistung übertragen können – und das über ein breites Spektrum an Wellenlängen. Auch das Versenden einzelner Photonenpulse im sichtbaren Bereich ist möglich. So etwas wird typischerweise in Quantennetzen genutzt. Konventionelle Fasern sind dagegen vor allem bei den infraroten »Telekom-Wellenlängen« um etwa 1,5 Mikrometer effizient.

»Dieses Ergebnis ist für die Gemeinschaft der Quantenkommunikation sehr interessant«, sagt Tracy Northup, die als Experimentalphysikerin an der Universität Innsbruck forscht. Bisher seien Hohlfasern selbst für kleine Laboraufbauten unerschwinglich gewesen. »In der Forschungscommunity hoffen wir, dass eine Produktion im größeren Maßstab die Preise in Zukunft deutlich senkt.«

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  • Quellen
Petrovich, M. et al., Nature Photonics 10.1038/s41566–025–01747–5, 2025

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