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News: Optimal geschnürt

Kreuzend oder im Zickzack, so halten in aller Regel die Senkel den Schuh zusammen. Offensichtlich erfüllen diese beiden Schnürungen ihren Zweck, aber gibt es vielleicht noch bessere Möglichkeiten, einen Schuh zu binden?
Schuhschnürung
Ein Schuh muss sitzen. Und damit er sich in optimaler Weise an den Fuß anpasst, muss auch die Schnürung stimmen. Denn so manche drückende Stelle lässt sich durch die Art und Weise beseitigen, wie die Senkel durch die Löcher gezogen werden. Aber mal von diesen orthopädischen und eventuell ästhetischen Gesichtspunkten abgesehen, gibt es einen optimalen Weg, Schuhe zu schnüren? Eine typische Aufgabe für einen Mathematiker also, und so setzte sich Burkhard Polster von der Monash University im australischen Victoria daran, das Problem zu lösen.

Fragt sich zunächst einmal, was im Zusammenhang mit Schuhriemen eigentlich optimal bedeutet. Da gibt es verschiedene Definitionen: Am nahe liegendsten ist vermutlich, die Schnürung optimal zu nennen, die den besten Halt verspricht, also die beiden Lederlappen fest zusammenhält. Falls man auf Haltungsnoten nicht so viel Wert legt, könnte eine optimale Schnürung auch bedeuten, mit möglichst wenig Senkel einen Schuh zu binden – etwas für Geizhälse vielleicht, welche die günstigeren 5-Loch-Senkel bei 6-Loch-Schuhen verwenden möchten.

Aber welche Schnürungen gibt es eigentlich? Im Wesentlichen werden die meisten wohl zwei klassische Methoden kennen:
  • die Zickzack-Schnürung, bei welcher der Senkel zunächst waagerecht die Seite wechselt, durchs Loch führt und sich dann schräg nach oben zurück auf die ursprüngliche Seite spannt. Diese Schnürung sieht so aus wie ganz viele übereinander gestapelte "Z". Ein langes Stück Schuhriemen zieht sich außerdem von einem Loch der untersten Reihe zum gegenüberliegenden Loch der obersten Reihe.
  • die Kreuz-Schnürung, bei welcher der Senkel bei jedem Seitenwechsel durch das Loch der darüber liegenden Reihe geführt wird. Die Riemen kreuzen sich also jeweils genau zwischen zwei Reihen.
Gibt es noch mehr Möglichkeiten?

Um die Frage zu klären, zwängte Polster das Schnürwerk in ein mathematisches Korsett: Demnach befinden sich die Löcher oder Ösen eines idealen Schuhs an den Kreuzungspunkten zweier vertikaler Linien und n horizontaler Linien, macht Summa summarum also 2·n Löcher. So besteht eine vernünftige Schnürung, die alle Löcher nutzt, entsprechend aus 2·n Segmenten. Und um überhaupt von Schnürung reden zu können, muss zumindest eines der beiden Senkel-Segmente eines Lochs auf die andere Seite des Schuhs führen, also tatsächlich zur Bindung beitragen. Eine Schnürung, bei der jedes Segment zwischen den Seiten hin und her wechselt, nennt Polster dicht. Bei den beiden klassischen Beispielen handelt es sich also um dichte Schnürungen.

Mit Mitteln der Kombinatorik konnte Polster schnell berechnen, wie viele Schnürungsmöglichkeiten es mit n Lochpaaren gibt. Und das sind ganz schön viele. Betrachtet man allein die dichten Schnürungen, so ergeben sich bei sechs Lochreihen mehr als 40 000 Möglichkeiten. Die klassischen Varianten liefern dabei tatsächlich auch die stärksten Schnürungen, wobei es ein wenig von dem Abstand der Reihen abhängt, mit welcher der beiden Möglichkeiten sich der Schuh am festesten schnüren lässt.

So gibt es ein bestimmtes Verhältnis aus Reihenabstand und Lücke zwischen den Löchern, bei der beide Schnürungen gleich gut abschneiden. Ist der Abstand der Reihen etwas größer gewählt, dann ist die Zickzack-Variante besser, und ist der Reihenabstand eher gering, so ist die Kreuz-Methode im Vorteil. Die gute Nachricht: Bei den meisten Schuhen ist der Abstand der Lochreihen gerade so gewählt, dass beide beliebten Bindungsarten gleichwertig sind. Sie brauchen sich also bezüglich des Halts keine großen Sorgen zu machen und können rein nach persönlicher Vorliebe entscheiden.

Anders sieht es jedoch aus, wenn man die Senkellänge betrachtet. Hier sollte ein knauseriger Zeitgenosse in Zukunft lieber zur Kreuz-Schnürung greifen, denn die kommt mit dem kürzesten Senkel aller dichten Schnürungen aus. Doch was ist, wenn man auch Lücken in der Schnürung erlaubt, der Riemen also von einem Loch direkt zu dem darüber liegenden führt und erst danach die Seite wechselt?

Wie Polster herausfand, lässt sich damit noch mal ein ganzes Stück Riemen einsparen. Bei einer geraden Lochreihenzahl kommt der Mathematiker auf genau eine Längen-optimierte Lösung, bei einer ungeraden Zahl von Lochpaaren ergeben sich genau (n + 1)/2 gleichwertige Lösungen.

Aber was hilft die beste Schnürung, wenn der Knoten nicht hält. Hier setzen offenbar die meisten Menschen zwei so genannte Überhandknoten übereinander – wobei in diesem Zusammenhang auch eine Schleife einem Knoten entspricht. Je nachdem, wie die beiden Überhandknoten platziert werden, ergibt sich entweder ein Kreuz- beziehungsweise Reffknoten oder ein Altweiber- beziehungsweise Hausfrauenknoten.

Letzterer hält schlechter als der Reffknoten, denn er rutscht bei Belastung, zieht sich aber meist dennoch derart zu, dass er kaum mehr zu lösen ist. Polster meint: "Hunderte Jahre des Ausprobierens haben letztlich zur stärksten Schuhschnürung geführt, bedauerlicherweise lässt sich das jedoch nicht über die Art und Weise sagen, wie die meisten von uns ihre Schnürsenkel binden – mit einem Altweiberknoten."

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