Direkt zum Inhalt

News: Organisches Comeback

Nachdem sich vor gut einem Jahr abzeichnete, dass vermeintlich wegweisende Arbeiten der Molekularelektronik auf gefälschten Daten fußten, wurde es ein wenig still um dieses Forschungsgebiet. Doch mittlerweile präsentieren Wissenschaftler wieder Erfolge.
Feldeffekt-Transistor
Rückblick: Im Herbst 2001 veröffentlichte eine Gruppe von Physikern der Bell Labs kurz hintereinander zwei Aufsehen erregende Arbeiten auf dem Gebiet der molekularen Elektronik. Zunächst stellten Jan-Hendrik Schön und seine Kollegen in Nature einen Transistor auf Basis einer einzelnen organischen Moleküllage vor, knapp drei Wochen später folgte der Ein-Molekül-Transistor in Science.

Nur ein Jahr später stand fest, dass nicht nur die Messdaten zu diesen beiden Arbeiten, sondern auch zu einer ganzen Reihe weiterer Veröffentlichungen allein der Fantasie des Erstautors entsprungen waren. Der Skandal war da, der Ruf eines renommierten Labors geschädigt, und die wissenschaftlichen Erkenntnisse eines ganzen Forschungsfeldes erschienen in anderem Licht.

Wäre Schön ein Sportler und kein Physiker, so würde er mittlerweile vielleicht wieder erfolgreich in die Pedalen treten oder über Hürden springen und könnte mit tatsächlichen Leistungen die alte Schmach vergessen machen. Doch die Wissenschaftsgemeinde verzeiht nicht. So sind es heute andere Gesichter, die versuchen, den Ruf der Physik zu retten und insbesondere der molekularen Elektronik wieder ein paar Erfolge zu spendieren – die Schritte dabei wohl bedacht und kleiner gewählt.

Einen Erfolg konnten nun Ruth de Boer und Kollegen von der Delft University of Technology vermelden. Den Forschern gelang es, einen organischen, einkristallinen Feldeffekt-Transistor herzustellen, der mit viel versprechenden Eigenschaften aufwarten kann. Ein Feldeffekttransistor, kurz FET, ist ein Bauelement zur Verstärkung und Steuerung von Signalen. Im Gegensatz zu anderen Transistoren trägt allein eine Ladungsträgerart den Stromtransport, Physiker sprechen deshalb von unipolaren Transistoren. Die Steuerung des Stroms, der zwischen einer Source- und einer Drain-Elektrode fließt, erfolgt über die Spannung, die über einem dritten Anschluss anliegt, dem Gate. Hiermit lässt sich ein schmaler leitender Kanal wie ein wasserführender Schlauch zudrücken und somit der Strom regulieren.

Das Team um de Boer verwendete die organische Verbindung Tetracen, ein Molekül, das aus vier aneinander geketteten Benzolringen besteht. Soweit noch nicht sonderlich spektakulär, denn einige Gruppen – unter anderem auch Schön und seine Kollegen – experimentierten bereits mit diesem Molekül. Doch bislang schieden Forscher stets dünne polykristalline Filme des Stoffes ab. Doch die zahllosen strukturellen Fehler, die ein solches polykristallines Material besitzt, verhindern einen effizienten Stromtransport. Besser sind Einkristalle, bei denen nicht irgendwelche Baufehler die Elektronen stören.

Anstelle nun einen möglichst perfekten Kristall wachsen zu lassen und darauf mit vergleichsweise rabiaten Methoden all die Anschlüsse für den Transistor aufzubringen, gingen die Physiker um de Boer behutsamer vor. Sie setzten den Einkristall einfach auf die fertigen Goldkontaktstrukturen eines Transistors und verließen sich ganz auf die Adhäsionskräfte, die den Kristall an Ort und Stelle halten sollten. Der Plan ging auf, und der mikrometerdicke Kristall klebte förmlich auf der Unterlang fest. Doch funktionierte der Transistor auch?

Wie sich zeigte, war der Stromfluss zwischen Source und Drain tatsächlich von der Gate-Spannung abhängig – zwar nur schwach, aber immerhin. Dafür war die Beweglichkeit der Elektronen im Ladungskanal äußerst erfreulich. Einen Wert von 0,4 Quadratzentimetern pro Volt und Sekunde maßen die Forscher. Das ist zwar deutlich geringerer, als das, was bei herkömmlichen Halbleiter-Feldeffekt-Transistoren zu messen ist, aber um Klassen besser als bei Dünnfilm-Tetracen-Transistoren. Als Maß für die Geschwindigkeit, mit der Ladungstransport im Halbleiter stattfindet, bestimmt die Beweglichkeit letztlich auch die Schaltzeiten der Elektronik und ist damit eine für Transistoren wichtige Größe.

Die Physiker hoffen nun, ihren Transistor weiter optimieren zu können, indem sie die Qualität der elektrischen Kontakte verbessern und dem Einkristall noch verbleibende Störstellen austreiben. Teun Klapwijk, dessen Arbeitsgruppe die neuen Ergebnisse lieferte, meint: "Es war sehr bedauerlich, dass der Fortschritt in diesem Forschungsfeld so schnell möglich schien, nur aufgrund des Wirbels, den die Ergebnisse von Schön und seinen Mitarbeitern verursachten. Und dann auf einmal ging alles in normalem Tempo weiter. Wie auch immer, jetzt sind wir wieder auf dem richtigen Wege. Wir lernen Schritt für Schritt, wie die inneren Werte dieser bereits genutzten, doch wenig verstandenen Materialien festzulegen sind."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.