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Interstellarer Besucher: 'Oumuamua war mit Wasserstoffantrieb unterwegs

Das interstellare Objekt 'Oumuamua hat bei seinem kurzen Flug durchs Sonnensystem im Jahr 2017 viele Rätsel aufgegeben. Nun können Forschende seine mysteriöse Beschleunigung und seine Herkunft erklären.
Das interstellare Objekt 'Oumuamua
Bis heute ist nicht geklärt, ob der interstellare Besucher 'Oumuamua wie eine Zigarre aussieht oder doch die Form eines Pfannkuchens hat. Doch egal wie er geformt ist: Sein mysteriöser Zusatzantrieb ist wohl auf verdampfenden Wasserstoff zurückzuführen.

Im Jahr 2017 durchquerte ein rätselhaftes Objekt unser Sonnensystem. In der Nähe der Sonne schien es plötzlich stärker zu beschleunigen, als die Wirkung der Gravitationskräfte hätte vermuten lassen. Seine ungewöhnliche Bahn sowie seine Geschwindigkeit machten schnell klar, dass das Objekt nicht aus unserem Sonnensystem stammen konnte. Nun haben zwei Forschende ein Modell entwickelt, mit dem sie das Verhalten sowie die wahrscheinliche Herkunft des ersten als interstellar klassifizierten Objekts namens 'Oumuamua erklären können. Demnach ist auf Grund der Nähe der wärmenden Sonne Wasserstoff ausgetreten und hat für eine Art Rückstoß gesorgt. Die Studie ist im Fachmagazin »Nature« erschienen.

'Oumuamua war im Oktober 2017 vom Pan-STARRS-Teleskop auf Hawaii erspäht und in den folgenden vier Monaten von zahlreichen weiteren Teleskopen beobachtet worden. Allerdings gab das Objekt von Anfang an Rätsel auf: Ist es ein Komet? Dafür fehlten jedoch der charakteristische Schweif sowie die diffuse Hülle, die den Kern eines Kometen normalerweise umgibt, die so genannte Koma. War 'Oumuamua einst Teil eines größeren Asteroiden in einem fremden Sonnensystem, brach von ihm ab und wurde hinaus ins All geschleudert? Manche Spekulationen gingen gar so weit, in 'Oumuamua ein Stück außerirdischen Weltraumschrotts zu sehen, eine Art Sonde mit Sonnensegel.

Jennifer Bergner von der University of California in Berkeley und Darryl Seligman von der Cornell University wollen nun eine bessere Erklärung gefunden haben: Demnach sei der einige hundert Meter messende Brocken als ganz normales, wasserreiches Planetesimal in einem fremden Sternensystem entstanden – ähnlich wie Kometen in unserem Sonnensystem. Solche Planetesimale werden gerne mal von ihren jungen, sich noch entwickelnden Planetensystemen rauskatapultiert.

Nachdem dies wohl auch 'Oumuamua widerfahren war, wurde das Objekt während seiner mehrere Millionen Jahre dauernden Reise durch das All fortwährend von kosmischer Strahlung getroffen. Die energiereichen Teilchen können tief in das Material eindringen und dort Wassermoleküle von ihrem Sauerstoffatom trennen. Der molekulare Wasserstoff ist dann in einem Gemisch aus Wasser und Eis gefangen.

Als sich nun 'Oumuamua unserer Sonne näherte, änderte sich die Struktur des Eises. Der Wasserstoff verdampfte hinaus ins All und sorgte so für einen Rückstoßeffekt, der sich als zusätzliche Beschleunigung bemerkbar machte. Zwar hatten irdische Astronomen keinen Wasserstoff im Umfeld von 'Oumuamua beobachtet. Allerdings braucht das Modell von Bergner und Seligman nur geringe Mengen, um die Beschleunigung zu erklären – so gering, dass sie mit irdischen Teleskopen nicht sichtbar sind.

Es bleibt die Frage, warum ein derartiges Verhalten nicht schon bei anderen Kometen beobachtet werden konnte. Auch dafür haben die beiden Forschenden eine Erklärung: 'Oumuamua ist ein recht kleines Objekt im Vergleich zu den bekannten Kometen aus dem Sonnensystem, die normalerweise einige Kilometer groß sind. Da es sich bei dem beschriebenen »Wasserstoffantrieb« um einen Oberflächeneffekt handle, würde dieser umso geringer ausfallen, je größer das Objekt ist.

Das neue Modell präsentiert 'Oumuamua als ein wasserreiches Planetesimal, das von seinem ursprünglichen System hinaus ins Weltall auf eine interstellare Reise befördert wurde, wobei das enthaltene Wasser teilweise in Wasserstoff umgewandelt wurde. Es klingt nach einer eleganten Lösung, die keine exotischen Mechanismen oder gar Alien-Antriebe braucht, um die Herkunft zu erklären. Was aber fehlt, ist eine größere Stichprobe, um das Modell zu überprüfen: entweder von weiteren interstellaren Besuchern oder aber von ähnlich kleinen Kometen aus unserem eigenen Sonnensystem. Das James Webb Space Telescope und insbesondere die große Himmelsdurchmusterung des künftigen Vera C. Rubin Observatory, die im Jahr 2024 beginnen soll, werden voraussichtlich weitere derartige Objekte entdecken und genauer untersuchen können.

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