Ozeane: Versauerung erreicht tiefere Wasserschichten
Noch gehören die Ozeane zu den größten Puffern des Klimawandels: Sie nehmen riesige Mengen an Kohlendioxid auf und mindern dadurch die Treibhauswirkung. Doch dieser Speicher hat seinen Preis, denn dadurch versauern die Meere, die durchschnittlichen pH-Werte sinken. Und das wiederum bedroht viele Tiere wie Korallen oder Muscheln, die Kalk in ihre Skelette oder Schalen einlagern. Diese zunehmende Versauerung erreicht inzwischen immer größere Tiefen, wie eine Arbeit von Jens Daniel Müller an der ETH Zürich und seinem Team andeutet: Sie entdeckten in vielen Ozeanen deutliche Versauerungssignale bis hinab in 1000 Meter Tiefe, im Nordatlantik sogar bis in 1500 Meter Tiefe.
Für ihre Studie entwickelte die Arbeitsgruppe eine dreidimensionale Rekonstruktion der Kohlendioxidbewegungen im Meer, die auf globalen Messungen von Meeresströmungen und anderen Zirkulationsmustern sowie der zunehmenden Kohlendioxidanreicherung im Wasser beruht. Anhand dieses Modells konnten sie abschätzen, wie sich der Säure- sowie der Aragonitgehalt der Ozeane verändert hat: Aragonit ist ein Kalziumkarbonat und wird beispielsweise von Korallen genutzt, um ihr Kalkskelett aufzubauen. Aragonit ist in kohlendioxidgesättigtem Wasser jedoch leichter löslich als Kalzit, was zu einer Untersättigung an Aragonit in den Ozeanen führen kann. Der Zeitraum, den Müller und Co betrachteten, reichte von 1800 bis 2014 und setzt also noch vor der großflächigen Industrialisierung ein.
Etwa die Hälfte der Versauerung fand allerdings erst nach 1994 statt, was den starken Anstieg der Kohlendioxidemissionen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt, die sich verzögert, aber mit Wucht in den Meeren wiederfindet. Das bedroht wiederum Tiefseeriffe oder Flügelschnecken (Thecosomata), die in tieferen Wasserschichten liegen und bislang als weniger bedroht galten als beispielsweise Flachwasserkorallen, die von Versauerung schon stark betroffen sind.
In den letzten Jahrzehnten sank der durchschnittliche pH-Wert der Meere weltweit um 0,1 Einheiten verglichen mit der Zeit vor der Industrialisierung – genug, um das chemische Gleichgewicht der Ozeane zu verschieben und die Biomineralisation von Organismen mit Kalkalgen, Mollusken oder Korallen zu erschweren oder zu stören. Zumindest einzelne Arten können das kompensieren, indem sie Hydrogenkarbonationen in ihr Kalkgerüst einbauen. Ob das dauerhaft ausreicht, ist allerdings ungewiss: Selbst wenn die Menschheit ab sofort kein zusätzliches Kohlendioxid mehr erzeugt, werden die Ozeane das noch über Jahrzehnte aufnehmen und versauern.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.