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UN-Ozeankonferenz: Ringen um den Schutz der Meere

Der größte Teil unserer Erde ist von Ozeanen bedeckt. Doch wir müllen sie zu, beuten sie aus und unterschätzen ihren Wert. Wie kann die Tiefsee besser geschützt werden?
Eine Meeresschildkröte schwimmt durch ein lebendiges Korallenriff, umgeben von bunten Fischen und Korallen in Pink, Rot und Orange. Im Hintergrund sind zahlreiche kleine Fische zu sehen, die im blauen Wasser schwimmen. Die Szene vermittelt die Vielfalt und Schönheit des Meereslebens.
Damit auch künftige Generationen noch die Schönheit einer solchen Unterwasserwelt bewundern können, muss der Meeresschutz dringend Fahrt aufnehmen.

An leidenschaftlichen Appellen und dramatischen Warnungen mangelt es nicht: »Dieser Kampf ist überlebenswichtig«, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron zum Auftakt der dritten Ozeankonferenz der Vereinten Nationen in Nizza am 9. Juni 2025. Die Weltmeere stünden »im Zentrum aller Bemühungen um Biodiversität, Klima und menschliche Gesundheit«. Und Bundesumweltminister Carsten Schneider sagte bei seinem Auftritt in Nizza: »Klimakrise, Verschmutzung und Übernutzung haben verheerende Folgen für die Vielfalt des Lebens im Meer.« Neben Macron und Schneider brachten rund 60 weitere Staats- und Regierungschefs oder deren Vertreterinnen und Vertreter ihren jeweiligen Blick auf den Zustand der Meere ein.

Der UN-Ozeangipfel soll in einer Zeit, in der es an Land unzählige Konflikte und Spannungen zwischen Staaten gibt, die Aufmerksamkeit auf die gemeinsam genutzten Meere lenken. Sie machen den größten Teil der Biosphäre der Erde aus – und vom Geschehen dort hängt ab, wie dramatisch der Klimawandel ausfällt. Ob Menschen in Zukunft noch an Küsten leben und ob sie auf Nahrungsressourcen aus dem Meer zurückgreifen können. Ob die Tiere und Pflanzen darin überleben oder im wärmer werdenden, übersäuerten Wasser zu Grunde gehen. Am 13. Juni, dem letzten Tag der Konferenz, soll schließlich der »Nizza Ocean Action Plan« verabschiedet werden, ein eindringlicher Aufruf, beim Meeresschutz den Turbo einzulegen.

Macron, der auch die Präsidentschaft der laufenden Konferenz innehat, und viele andere Politikerinnen und Politiker wissen: Weder die leidenschaftlichen Appelle noch die dramatischen Warnungen können überdecken, dass die Staatengemeinschaft quälend lange braucht, um sich auf Ziele zu einigen und einen gemeinsamen Kurs zu verfolgen. UN-Generalsekretär António Guterres prangerte dies bei seiner Rede an: »Multilateralismus funktioniert – aber nur, wenn den Worten auch Taten folgen.«

»Wir können es uns nicht leisten, uns rückwärtszubewegen«Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich

Derzeit sieht es dahingehend düster aus: Wichtige Akteure planen, das Ruder wieder herumzureißen und in Richtung unkontrollierter Ausbeutung der Meeresumwelt segeln, statt sie zu schützen. Den Anwesenden im Konferenzsaal war bewusst, wer gemeint war, als Macron sagte: »Wir können es uns nicht leisten, uns rückwärtszubewegen.« Der Adressat zwar zweifellos US-Präsident Donald Trump. Der setzt nun nämlich auch beim Tiefseebergbau auf »America First« und stellt Profite über alles. So erlaubte er zuletzt etwa in US-Meeresschutzgebieten des Pacific Remote Islands Marine National Monument im Pazifik die Fischerei wieder, nachdem sein republikanischer Vorgänger George W. Bush diese 2009 verboten hatte.

Meeresdiplomatie befindet sich an einem kritischen Punkt

Zudem stellte Trump zuletzt auch andere Meeresschutzgebiete in Frage und verfügte dramatische finanzielle Kürzungen in der Ozeanforschung. Bei der Ozeankonferenz geht deshalb die Angst um, dass dieser neue nationale Egoismus Schule macht. »Die internationale Meeresdiplomatie befindet sich an einem kritischen Punkt«, sagte etwa die österreichische Politikwissenschaftlerin Alice Vadrot von der Universität Wien gegenüber dem Science Media Center.

Trump nutzt beim Tiefseebergbau aus, dass die Staatengemeinschaft schon seit 2014 vergeblich versucht, als Teil des »Mining Code« praktische Regeln für einen Abbau von Mineralen auf dem Meeresboden aufzustellen – und damit das Vorurteil zu bestätigen scheint, dass internationale Zusammenarbeit nur Zeit kostet. Alle Fäden für dieses Regelwerk laufen bei der 1994 gegründeten Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) mit Sitz in Jamaika zusammen, die ein direktes Ergebnis des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1973 ist. Erst im März 2025 scheiterte ein weiterer Anlauf für das Zustandekommen des Regelwerks.

Kurz danach unterzeichnete der Präsident ein Dekret, dem zufolge die USA den Tiefseebergbau allein vorantreiben sollen. Angestrebt werde eine »amerikanische Dominanz«, um mineralische Rohstoffe aus dem Meer für Militär, Infrastruktur und Energiegewinnung zu nutzen. Von Unterstützern wie der Heritage Foundation lässt er sich dafür feiern, dass er sich mit seinem Schachzug »China, die Vereinten Nationen, die EU und Greenpeace zum Feind gemacht« habe. Angefeuert wird Trump auch von der kanadischen Firma The Metals Company: »Nach ständigen Verzögerungen auf internationaler Ebene haben die Vereinigten Staaten nun die Gelegenheit, ihre Führungsrolle in der Tiefsee zurückzuerobern und den globalen Standard für die verantwortungsvolle, wissenschaftlich fundierte Erschließung von Tiefseeressourcen zu setzen«, erklärte der CEO der Firma, Gerard Barron.

»Es gibt ein internationales Übereinkommen, die Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit zu verwalten und erst mit einem Abbau von Rohstoffen zu beginnen, wenn das Seerechtsabkommen steht«Andrea Koschinsky, Professorin für Geowissenschaften

Die USA haben das Seerechtsabkommen nie unterzeichnet und sehen sich ohnehin im Recht, dass sie die Hohe See außerhalb nationaler Meeresgebiete frei von internationalen Vorgaben ausbeuten können. Doch Andrea Koschinsky, Professorin für Geowissenschaften am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen, versteht Trumps Vorgehen als einen Bruch mit internationalen Regeln. Es gebe ein »internationales Übereinkommen, die Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit zu verwalten und erst mit einem möglichen Abbau zu beginnen«, wenn das Regelwerk der ISA stehe.

Am Boden vieler Meeresgebiete lagern riesige Mengen metallischer Rohstoffe, die für die Hightech-Wirtschaft von heute von großer Bedeutung sind, vor allem in Form so genannter Manganknollen, die verschiedenste Metalle enthalten. Von besonderem Interesse ist ein ausgedehntes Gebiet, das sich im Pazifik zwischen den Hawaii-Inseln und Mexiko erstreckt, die Clarion-Clipperton-Zone. Dort hat sich auch Deutschland ein Explorationsgebiet gesichert, sich aber bisher auf Umweltverträglichkeitsprüfungen fokussiert.

The Metals Company nutzte Ende April 2025 die Gunst der Stunde und reichte bei der US-Ozeanbehörde NOAA einen Antrag zum Abbau »polymetallischer Nodule« ein, also Manganknollen, sowie zwei Anträge zur Exploration. Insgesamt erstrecken sich die geplanten Projekte über 225 000 Quadratkilometer in der Clarion-Clipperton-Zone, was fast zwei Dritteln der Fläche Deutschlands entspricht. In den Explorationsgebieten »TMC USA-A« und »TMC USA-B« vermutet das Unternehmen 1,6 Milliarden Tonnen mineralische Knollen, die 15,5 Millionen Tonnen Nickel, 13 Millionen Tonnen Kupfer, zwei Millionen Tonnen Kobalt und 345 Millionen Tonnen Mangan enthalten sollen. Ende Mai teilte das Unternehmen der Börsenaufsicht mit, die NOAA habe bereits bestätigt, dass die Anträge den US-Vorgaben für Tiefseebergbau entsprächen.

Umweltschützer warnen vor irreversiblen ökologischen Schäden

Eine tragende Rolle spielt The Metals Company auch deswegen, weil die Firma eine Partnerschaft mit dem Pazifikstaat Nauru eingegangen ist und mit dessen Hilfe Zeitdruck erzeugt. Nur weil Nauru im Jahr 2021 einen Antrag auf eine Abbaulizenz ankündigte, setzte eine zweijährige Frist dafür ein, internationale Regeln zu schaffen. Seit diese Frist 2023 ablief, haben Antragsteller gewissermaßen freie Hand. The Metals Company reagierte mit der Ankündigung, am 27. Juni 2025 bei der UN-Seebodenbehörde einen Abbauantrag für Meeresgebiete bei Nauru zu stellen.

Umweltschützer und auch viele Wissenschaftler warnen vor irreversiblen ökologischen Schäden durch den Tiefseebergbau für ein breites, aber noch weitgehend unbekanntes Spektrum von Arten. Beim Ozeangipfel in Nizza zitierte Emmanuel Macron Forschungsergebnisse, denen zufolge durch das Aufwirbeln des Meeresbodens große Mengen Kohlenstoff frei würden und die Klimakrise verschärfen könnten. Es sei »verrückt, mit einer räuberischen Ausbeutung beginnen zu wollen«, bevor man den Lebensraum Tiefsee eingehend untersucht habe, sagte der französische Präsident. Ein möglicher Abbau von Mineralen solle erst beginnen, wenn gravierende Schäden für die Umwelt ausgeschlossen seien.

In Nizza fordern daher 37 der 195 UN-Mitgliedsländer ein Moratorium für den Tiefseebergbau. Eine »vorsorgliche Pause« sei notwendig, »da das vorhandene Wissen über die Tiefsee nicht ausreicht, um Umweltschäden durch eine kommerzielle Ausbeutung auszuschließen«, erklärte etwa der deutsche Bundesumweltminister. UN-Generalsekretär Guterres sagte in einer ebenfalls kaum verhohlenen Anspielung auf die USA: »Die Tiefsee darf nicht zum Wilden Westen werden.«

Im Juli sollen die Verhandlungen über den Mining Code bei der Seebodenbehörde weitergehen. Dann wird sich zeigen, ob und wie sehr Trumps nationaler Egoismus auch andere Staaten ansteckt. Norwegen und Papua-Neuguinea haben Tiefseebergbau bereits in ihren nationalen Gewässern grundsätzlich erlaubt, das rohstoffhungrige China möchte sich alle Optionen offenhalten. Bisher pochen aber auch diese Länder auf ein abgestimmtes Vorgehen der Völkergemeinschaft. Es wird spannend sein, zu sehen, ob The Metals Company noch vor den Verhandlungen vorprescht und wie angekündigt am 27. Juni seinen Abbauantrag für Nauru einreicht – oder doch noch Respekt für die UN-Prozesse zeigt.

Deutlich weiter sind die Verhandlungen bereits bei einer anderen schon lange klaffenden Lücke im internationalen Meeresschutz gekommen. Für den Schutz der Natur in der Hohen See, also in den riesigen, rund 60 Prozent des Ozeans umfassenden Gebieten außerhalb der Küstenmeere und Ausschließlichen Wirtschaftszonen, gibt es seit 2023 erstmals ein internationales Abkommen. Zuvor war »Das Gebiet«, wie die Hohe See im Völkerrecht lapidar genannt wird, in Sachen Naturschutz ein weitgehend gesetzesfreier Raum. Der Vertrag zur »biodiversity beyond national jurisdiction« (BBNJ) sieht vor, dass künftig von den Vereinten Nationen verwaltete Schutzgebiete entstehen können. Dabei kann zum Beispiel geregelt werden, dass Fischerei oder der Abbau von Rohstoffen verboten sind.

Ebenfalls in den kommenden Wochen entscheidet sich das Schicksal eines Vertrags, der der Vermüllung der Meere einen Riegel vorschieben soll

Auf 54 Seiten beschreibt dieses Hochseeabkommen, wie die genetische Vielfalt im Meer erforscht und genutzt werden kann und was mit Einnahmen aus deren Verwertung geschieht, wer über Eingriffe in die Meeresumwelt entscheidet und wie reichere Länder marine Technologien mit ärmeren Ländern teilen. 160 Staaten haben das Abkommen 2023 zwar beschlossen, doch bis zum Beginn der Konferenz in Nizza hatten nur 30 es auch ratifiziert, also durch ihre Parlamente oder Regierungen formal abgesegnet. Durch den Druck, bei der Konferenz Zusagen zu machen, ist diese Zahl nun auf rund 50 gewachsen. Es ist damit in greifbare Nähe gerückt, dass 60 Staaten das Abkommen ratifizieren und es dadurch 2026 in Kraft tritt. An eine ähnliche Schwelle könnte bald das von der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelte Fischereiabkommen kommen, das Subventionen für umweltschädliche und illegale Fischerei unterbinden soll.

Ebenfalls in den kommenden Wochen entscheidet sich das Schicksal eines Vertrags, der der Vermüllung der Meere einen Riegel vorschieben soll. Seit 2022 verhandeln Mitgliedsstaaten der UN Environment Assembly über ein solches Abkommen, um die Kunststoffflut einzudämmen. Mögliche Ansätze bestehen zum Beispiel darin, Plastik durch biologisch abbaubare Stoffe und Einweg- durch Mehrwegprodukte zu ersetzen sowie das Recycling weltweit auszubauen. Selbst in der EU werden bisher von rund 16 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr lediglich knapp sieben Millionen wiederverwertet. Doch noch ist das UN-Plastikabkommen nicht unter Dach und Fach, auch hier ziehen sich die Verhandlungen in die Länge.

Erst rund 8 von 30 Prozent geschafft

Auf der räumlich betrachtet größten Baustelle des Meeresschutzes, der Ausweisung von ausreichend Schutzgebieten, stehen keine neuen Verhandlungen an – sondern vielmehr tagtägliche Herausforderungen. Beim Welt-Naturschutzgipfel Ende 2022 in Montreal haben sich die Staaten auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen das so genannte 30x30-Ziel gesetzt. Es steht dafür, bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts 30 Prozent des Ozeans als Schutzgebiete auszuweisen. Eine Sicherheit können reine Flächenziele zwar nach Einschätzung von Experten nicht geben, viel entscheidender sind das Management und die Überwachung der zu schützenden Areale. Ein Schutzgebiet als solches zu deklarieren, schafft aber zumindest die Voraussetzung dafür.

Bis zum Beginn der Ozeankonferenz waren erst rund 8 der 30 Prozent geschafft. Es fehlen also noch 22 Prozent der Meeresfläche. Für die verbleibenden fünf Jahre bedeutet dies, dass pro Tag ein Schutzgebiet mit einer Ausdehnung von 209 mal 209 Kilometern geschaffen werden müsste. Macron setzte ein starkes Signal damit, dass in dem von Frankreich verwalteten Überseeterritorium Französisch-Polynesien gut 4,5 Millionen Quadratkilometer zu Schutzgebieten umgewandelt werden sollen, davon 900 000 Quadratkilometer – eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Deutschland – mit strengen Auflagen. Bis zum Ende des Gipfels sollen durch weitere solche Zusagen zwölf Prozent Schutzanteil geschafft sein, gab Macron als Ziel aus.

Am Freitag endet die UN-Ozeankonferenz. Wie viel Schwung der dann wohl beschlossene »Nizza Ocean Action Plan« in den Meeresschutz bringt, wird sich unmittelbar danach zeigen, wenn in rascher Abfolge wegweisende Verhandlungen über den Tiefseebergbau und den Plastikvertrag anstehen, das Hochseeabkommen Parlamenten wie dem deutschen Bundestag zur Ratifikation vorliegt und Regierungen über neue Meeresschutzgebiete entscheiden.

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