Paläontologie: Wenn der Kaiman den Terrorvogel beißt

Die Fossilienlagerstätte La Venta in Kolumbien offenbart ein reichhaltiges Tierleben aus dem Miozän vor 15 Millionen Jahren. Darunter finden sich auch die Überreste gigantischer Terrorvögel und veritabler Krokodile, die offensichtlich Jagd auf die gefiederten Beutegreifer machten, wenn sich diese dem Ufer näherten. Das deuten markante Bissspuren auf dem Knochen eines Terrorvogels an, den eine Arbeitsgruppe um Andrés Link von der Universität der Anden in Carrera untersuchte. In dem Bein verblieben vier Abdrücke, die exakt zum Gebiss einer damals lebenden Kaimanart namens Purussaurus neivensis passen würden.
Der Fund begeisterte die Wissenschaftler gleich doppelt: Zum einen handelte es sich um den ersten Nachweis eines Terrorvogels in La Venta seit Grabungsbeginn vor mehr als 100 Jahren. Zum anderen findet man selten derartige Spuren, die Rückschlüsse auf Nahrungsketten zulassen. Die Überreste des lebend wahrscheinlich bis zu drei Meter hohen Terrorvogels waren kurz nach der Jahrtausendwende gefunden, allerdings erst 2023 als solche bestimmt worden. Schon bei dieser Untersuchung hatte sich angedeutet, dass ein Krokodil hier zugebissen haben könnte. Die nachfolgende 3-D-Analyse von Link und Co hat dies erhärtet.
Die Bissspuren wiesen keine Anzeichen für Heilung auf: Der Terrorvogel starb also durch die Attacke oder war bereits tot, als das Krokodil zuschnappte. Die Wissenschaftler können nicht ausschließen, dass der Kaiman sich opportunistisch an einem Kadaver bediente. Andererseits erscheint es ihnen auch sehr plausibel, dass das Landraubtier das Gewässer ansteuerte, um dort selbst zu jagen oder zu trinken, bevor es dem lauernden Reptil zum Opfer fiel. Heutige Krokodilartige nähern sich oft trinkenden Tieren verborgen im Wasser und schnappen dann schlagartig zu.
Während des Miozäns existierte eine große Vielfalt an Krokodilartigen in Südamerika. Dazu gehörte auch Purussaurus brasiliensis, der sein Ökosystem im Westen des Amazonasbeckens dominierte. Das busgroße Krokodil brachte es beim Zubeißen auf einen Druck, der einer Kraft von 11,5 Tonnen pro Zahn entsprach - mehr als T. rex, der Weiße Hai oder wir Menschen aufweisen. Mit der Auffaltung der Anden vor zehn Millionen Jahren verschwand allerdings sein Lebensraum und in der Folge auch viele dieser Krokodilarten.
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