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Indonesische Waldbrände: Palmöl ins Feuer

Im Schatten der Amazonasbrände blieb die Brandsaison in Indonesien hier zu Lande fast unbemerkt. Dabei ist das Zündeln der Plantagenbesitzer ein Desaster für Mensch und Natur.
Feuerwehrleute bekämpfen einen Waldbrand in Banyuasin, Süd-Sumatra

Herrlich. Der Himmel über Kuala Lumpur ist wieder blau. Die gläsernen Hochhausfassaden der malaysischen Hauptstadt glitzern im Sonnenschein. Einmal am Tag geht für vielleicht eine Stunde ein schwerer Regenguss nieder. Der Monsun ist da.

Noch Anfang Oktober waren Kuala Lumpur und Malaysia eingenebelt von grau-gelblichem, verbrannt riechenden Smog. Gesichtsmasken in Klinikgrün galten als das gängige Modeaccessoire zum Schutz vor Ruß, Feinstaub und dem lungengängigen PM2.5 – besonders kleinen und dafür umso bedenklicheren Partikeln. Der Schadstoffgehalt der Luft erreichte Rekordwerte, Schulen wurden geschlossen, Krankenhäuser mussten einen Ansturm von Patienten mit Atemwegserkrankungen verkraften, und am Flughafen von Penang war die Sicht zeitweise so mies, dass Flüge abgesagt wurden.

Ursache der Katastrophe waren die Waldbrände auf Sumatra und in Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos. Der Haze genannte Smog reichte bis zum Süden von Thailand und dem philippinischen Cebu. Während Singapur und Kuala Lumpur jetzt wieder durchatmen können, brennen weiter östlich noch Feuer. Hier warten die Anwohner auf den klärenden Regen. »Der Monsun zieht von West nach Ost«, erklärt Michael Brady vom Center for International Forestry Research (CIFOR) im indonesischen Bogor.

Die trockene Jahreszeit, die in Malaysia und Indonesien ungefähr von Mai bis Oktober dauert, bietet seit 60 Jahren in erschreckender Regelmäßigkeit die perfekte Gelegenheit für Palmölfirmen, Plantagenbesitzer und Bauern, Wälder für die Schaffung neuer Anbauflächen abzufackeln. Malaysia ist nach Indonesien der zweitgrößte Palmölproduzent der Welt, und viele der großen malaysischen Palmölfirmen sind in Indonesien aktiv. Die Folge: Ein Großteil der bis zu 130 Millionen Jahre alten Wälder auf der Insel Borneo, die sich Indonesien, Brunei und Malaysia teilen, mussten in den letzten 30 Jahren Platz machen für Plantagen, zuvörderst eben für Ölpalmen, aber auch für Akazien für die Papierindustrie.

Verbrannte Erde | Die Aufnahme aus Kalimantan zeigt das Ergebnis von Brandrodung. Mitte September 2019 zählten Experten 14 000 Brände mit Hilfe von Satellitenaufnahmen.

Herry Purnomo ist ebenfalls Wissenschaftler am CIFOR und befasst sich seit 20 Jahren mit dem alljährlichen Feuerlegen. »Die Brände werden hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht«, sagt Purnomo. Er habe in seinen Studien drei Kategorien von Brandstiftern identifiziert: Landwirte und Subsistenzbauern, lokale Eliten und Unternehmen. »Nach unseren Berechnungen kostet Landrodung ohne Feuer rund 300 US-Dollar pro Hektar, während die Brandrodung für 20 Dollar pro Hektar zu haben ist.« Wobei die Palmölmultis und die lokalen Eliten meist nicht selbst als Feuerteufel agieren, sondern durch ein Netzwerk kleiner Bauern, die auf die großen Unternehmen als Abnehmer ihrer Produkte angewiesen sind, zündeln lassen.

Ein enormer Kohlendioxidausstoß

Aber nicht nur Wälder gehen in Flammen auf, sondern auch für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegte Torfmoore. Verschärfend kommen immer wieder Wetterlagen hinzu, die die Brandgefahr weiter erhöhen. Beim letzten Mega-Haze 2015 war es ein El Niño, der für extreme Trockenheit sorgte. Nach Angaben von CIFOR verbrannten 2,6 Millionen Hektar Wald und ehemalige Torfmoore. 1,2 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente wurden freigesetzt. Den Schaden für Indonesiens Wirtschaft bezifferte die Weltbank auf 16,1 Milliarden US-Dollar. »In diesem Jahr ist es der Indischer-Ozean-Dipol, der die Trockenzeit noch trockener macht«, erläutert Michael Allen, Teamchef der Forschungsabteilung für Wertschöpfungsketten, Finanzen und Investition des CIFOR. Der Dipol beschreibt eine Anomalie der Meerestemperaturen im Indischen Ozean, bei der sich von Jahr zu Jahr warme Phasen mit kühleren abwechseln. Ist das Oberflächenwasser besonders kühl, wie 2019, sorgt dies für geringere Niederschlagsmengen. Dadurch wächst die Feuergefahr.

Über 360 Megatonnen CO2: Die Waldbrände 2019 emittierten so viel wie Frankreich in einem Jahr

Noch ist es zu früh für eine Bilanz der Haze-Saison 2019, aber die ersten Werte sind erschreckend. Das NASA Earth Observatory hatte Mitte September auf Sumatra und in Kalimantan mehr als 14 000 Feuerhotspots ausgemacht. Laut Daten des Copernicus Atmosphere Monitoring Service, einer Einrichtung der europäischen Weltraumagentur ESA, betrug die bis Mitte September freigesetzte Menge an Treibhausgasen 360 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – so viel wie für Frankreich im gesamten Jahr 2016. Und zu dem Zeitpunkt war die Feuersaison noch nicht einmal beendet.

Robert Field vom NASA Goddard Institute for Space Studies hat auch in diesem Jahr wieder den Verlauf der Feuersaison in Indonesien verfolgt. »Es erinnert an 2015, obwohl die Rauchentwicklung einige Wochen später im Jahr einsetzte, weil es Mitte August regnete«, sagte Field der Singapurer Zeitung »Today«. Field erforscht, wie sich diverse Wetterbedingungen auf die Brandwahrscheinlichkeit auswirken. Dabei greift er ebenso auf Satellitendaten zurück, die Brandherde aus dem Erdorbit zählen. Was solche Systeme aber nicht erkennen können, sind die Brände im Untergrund der Torfmoore.

Brennende Torfmoore sind besonders klimaschädlich

Indonesiens Wälder und Torfmoore sind nach den Urwäldern im Amazonasgebiet und im Kongo der drittgrößte CO2-Speicher der Welt. Jene kohlenstoffreichen Sümpfe sind leicht entflammbar, wenn sie für die Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen entwässert wurden. Moorbrände, die etwa die Hälfte der aktuellen Feuerhotspots ausmachen, können monatelang schwelen, sind kaum zu löschen und produzieren durch ihre feuchte Substanz im Vergleich zu Waldbränden deutlich mehr Rauch.

»Haze« in Pekanbaru in der indonesischen Provinz Riau | Die Waldbrände auf Sumatra führen regelmäßig zu dichtem gesundheitsschädlichen Dunst, so wie hier Mitte September 2019, zum Höhepunkt der Brandsaison.

Der über Jahrtausende entstandene, in dichten Torfschichten gebundene Kohlenstoff wird durch die Brände in Form von Kohlendioxid freigesetzt und befeuert so den globalen Klimawandel. Das erklärt, so die CIFOR-Experten, warum Brände im äquatorialen Asien acht Prozent der globalen Kohlenstoffemissionen und 23 Prozent der Methanemissionen verursachen, obwohl sie nur 0,6 Prozent der weltweit verbrannten Fläche ausmachen.

Der indonesische Staat tut seit geraumer Zeit einiges zum Schutz der Wälder. Das Moratorium gegen die Entwässerung der Torfmoore, das Abholzungsmoratorium, der zeitlich befristete Stopp der Vergabe neuer Konzessionen für Ölpalmenplantagen zeigt Wirkung. Die Abholzung von Urwäldern für Ölpalmenplantagen auf Borneo ist seit ihrem Höhepunkt 2012 stetig zurückgegangen.

Erfolg und Korruption beim Waldschutz

Dass Indonesien den Waldschutz vorantreibt, bleibt nicht unbemerkt. Beispielsweise hat die norwegische Regierung ob der guten Nachricht jetzt erklärt, einen ersten Teilbetrag der vor zehn Jahren mit Indonesien vertraglich vereinbarten eine Milliarde US-Dollar zum Erhalt der Wälder auszuzahlen.

Andererseits ist der Erfolg aber bescheiden, gilt doch das Forstministerium als eine der korruptesten Behörden Indonesiens. »Die Durchsetzung von Gesetzen ist ebenso schwach ausgeprägt wie die Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention von Feuer oder die Feuerbekämpfung«, weiß Forstwirtschaftsexperte Brady.

Wie stark die Entwaldung auf Borneo mit der Entwicklung industrieller Palmöl- und Papierplantagen verquickt ist, zeigt eindrücklich der überarbeitete Borneo-Atlas, der Satellitendaten aus den letzten 18 Jahren mit Informationen zum Landbesitz kombiniert. Der Anbau der Rohstoffpflanzen treibt nicht nur die Waldbrände an, sondern auch die gesamte Wirtschaft der Region.

Denn Palmöl steckt von Pizza über Schokoriegel bis zu Kosmetika in so ziemlich allem, was wir heute konsumieren. Zudem spielt der Rohstoff eine wichtige Rolle als vermeintlich CO2-neutraler Treibstoff. Indonesien und Malaysia laufen Sturm gegen den Beschluss der EU, bis 2030 die Verwendung von Palmöl für Biokraftstoffe zu beenden. Malaysias Landwirtschaftsministerin Teresa Kok wirft der EU einen »Handelskrieg« vor. Kalyana Sundram, CEO des Malaysian Palm Oil Council, vergleicht in einem Meinungsstück für »Free Malaysia Today« die EU mit dem Ku-Klux-Klan (KKK). »Genau wie es der KKK getan hat, wird die öffentliche Meinung in Europa zu Palmöl stark orchestriert, um einen Zustand der Angst zu erzeugen – Angst vor einer unbekannten, sogar unsichtbaren Ware, die in einer unbekannten Ecke der Welt hergestellt wird, die viele noch nie betreten haben.«

Eine Zukunft ohne Brandrodung? | Protestierende auf der Fridays-for-Future-Demonstration am 21. September 2019 in Kuala Lumpur.

Geht Palmöl auch nachhaltig?

In Malaysia und Indonesien erfreut sich die Palmölbranche nicht nur der Unterstützung der Politik, sondern erhält auch Schützenhilfe aus der Wissenschaft. Es gibt zahlreiche Studien einheimischer Wissenschaftler, die der Palmölbranche einen Persilschein ausstellen. Manche mögen aus Patriotismus handeln, manche für 30 Silberlinge. Wieder andere bemühen sich redlich, zusammen mit Politik, Unternehmen und NGOs Modelle einer nachhaltigen Palmölproduktion zu entwickeln.

»Palmöl und Nachhaltigkeit können miteinander versöhnt werden«, davon ist Herry Purnomo überzeugt. Dem Experten für Forstwirtschaft und Forstpolitik schwebt statt eines Verbots eine Art positive Diskriminierung nach dem Modell der EU-Holzhandelsverordnung vor, die die Einfuhr von Hölzern aus illegaler Regenwaldrodung unter Strafe stellt. Das wäre ein Anreiz für die Firmen zur Investition in nachhaltige Produktionsformen, und für die Konsumenten entstünde eine größere Transparenz, so Purnomo.

Dass die indonesische Regierung das Ausmaß der Waldbrände offenbar immer noch unterschätzt, zeigt eine kleine, für Präsident Joko Widodo ziemlich peinliche Geschichte. Statt die mannigfaltigen Probleme der versinkenden Hauptstadt Jakarta zu lösen, verkündete Widodo am 26. August 2019 den Bau einer neuen Hauptstadt. Die soll in den Distrikten North Penajam Pasar und Kutai Kartanegara im Osten von Kalimantan aus dem Boden gestampft werden, teilte der Fan von Megainfrastrukturprojekten mit. Als einen Grund für die Standortwahl gab Widodo die äußerst geringe Gefahr von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben, Tsunamis, Erdrutschen und Waldbränden in der Region an. Wenige Tage später brannten Wälder auch in diesen Distrikten lichterloh.

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