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Paranthropus boisei: Der Vormensch mit dem Powergrip

In Kenia wurde jetzt erstmals überhaupt eine Hand von Paranthropus entdeckt. Was sie Experten über den anderthalb Millionen Jahre alten Vormenschen verrät.
Ein fossiler Schädel eines frühen menschlichen Vorfahren, der in einem dunklen Hintergrund präsentiert wird. Der Schädel zeigt deutliche Abnutzungs- und Bruchstellen, die die Struktur und Form der Knochen hervorheben. Die Augenhöhlen und der Kieferbereich sind gut sichtbar, was auf die anatomischen Merkmale dieser Spezies hinweist.
Ein Paranthropus-Schädel aus der Olduvai-Schlucht in Tansania. Bislang hatten Skelettteile des übrigen Körpers, die sich eindeutig der Art zuweisen ließen, gefehlt. Alles, was man über die Lebensweise dieses Vormenschen wusste, war anhand seines Schädels erschlossen worden.

Vor rund 1,5 Millionen Jahren lebte neben den eher schmächtigen Australopithecinen und den ersten Angehörigen der Menschengattung Homo ein weiterer Vertreter der Hominiden im Osten Afrikas: Paranthropus boisei. Wie er aussah und lebte, haben Fachleute bisher allein an seinem Schädel dingfest gemacht, denn andere Skelettteile hatte man entweder nicht gefunden oder sie ließen sich nicht eindeutig dieser Art zuordnen.

Nun jedoch hat ein Forscherteam erstmals Handknochen gefunden, die – weil sie im Verbund mit Schädelteilen von Paranthropus auftauchten – zweifelsfrei von Paranthropus stammen. Über diese Entdeckung berichtet die Gruppe um Carrie Mongle von der Stony Brook University im Fachmagazin »Nature«. Die Skelettteile kamen in Kenia unweit des Turkanasees zum Vorschein.

Die Knöchelchen lassen vermuten, dass P. boisei über beträchtliche Fingerkraft verfügte. Das lässt sich etwa an der Form der Knochen und den Ansatzstellen der Muskeln ablesen. Verglichen mit anderen Händen im Tierreich findet sich die größte Ähnlichkeit bei heutigen Gorillas. Allerdings sind die Hände von P. boisei weniger stark gebogen als die der Menschenaffen, er scheint demnach weniger Zeit in Bäumen verbracht zu haben als heutige Gorillas. Die gerade Form der Finger und die höhere Beweglichkeit von Daumen und kleinem Finger entsprechen dagegen eher typisch menschlichen Merkmalen, urteilen Tracy Kivell vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Samar Syeda vom American Museum of National History in New York in einem begleitenden Kommentar in »Nature«.

Beim Handlesen | Erstautorin Carrie Mongle (links) und ihre Kollegin Meave Leakey betrachten die neu gefundenen Handknöchelchen im Turkana Basin Institut im kenianischen Ileret.

Insgesamt scheint die Hand von Paranthropus so vor allem zum kräftigen Zupacken ausgelegt gewesen zu sein. Seinen »Powergrip« brauchte er – wie auch die Gorillas – vermutlich, um harte und zähe Pflanzennahrung ab- und aufzureißen. Dass P. boisei sich überwiegend von harter Kost ernährte, hatten seine kräftigen Kiefer und starken Kaumuskeln ohnehin bereits nahegelegt.

Von der Suche nach Handfossilien hatten sich Experten auch neue Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage erhofft, ob P. boisei bereits Werkzeuge benutzte und wenn ja, in welchem Ausmaß. Die neu entdeckten Fingerknöchelchen lassen vermuten, dass die Hand dieses Vormenschen zumindest nicht auf Werkzeuggebrauch und präzise Manipulation optimiert war. Wohl aber könnte er mit seinen Händen einen kräftigen »Hammergriff« ausgeführt haben, wie er für das Hantieren mit einfachen Steinwerkzeugen oder Stöcken womöglich ausreichend ist.

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  • Quellen
Kivell, T., Syeda, S., Nature 10.1038/d41586–025–03129-x, 2025
Mongle, C. et al., Nature 10.1038/s41586–025–09594–8, 2025

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