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Parkettierungen: Warum Mathematiker ein Hut-Fest für eine Fliese feiern

Was ist so besonders an Parkettierungen, dass sie so viele Wissenschaftler begeistern? Hier geht es nicht mehr um normale Kacheln fürs Badezimmer. Der neueste Schrei sind hutförmige Exemplare, die sich lückenlos zusammenfügen und nur nichtperiodische Muster erzeugen.
Verschiedene Personen, die Kacheln zu einem großen Muster zusammensetzen.
Mathematikerinnen und Mathematiker aus aller Welt haben ein Fest für die hutförmige Kachel veranstaltet.

Wer den Mathematik-Campus der University of Oxford betritt, fühlt sich wie auf einer Spielwiese für Nerds und Geeks. Über einen großen Hof, der mit den berühmten Penrose-Fliesen gepflastert ist, gelangt man in das »Andrew-Wiles-Gebäude«, benannt nach dem Mathematiker, der 1995 Fermats Großen Satz bewiesen hat. Zwei Treppen führen direkt ins Untergeschoss, wo das Pi-Café die Besucherinnen und Besucher mit kleinen Köstlichkeiten versorgt. Auf diesem ungewöhnlichen Campus fand im Juli 2023 etwas statt, das sogar noch eine Spur extravaganter ist: das »Hatfest«, zu Deutsch »Hut-Fest«.

»Das ist keine gewöhnliche Mathematik-Konferenz«, sagt Dirk Frettlöh, Professor an der Universität Bielefeld und Teilnehmer der wunderlichen Party. Und tatsächlich: Statt Luftballons hängen Kunstwerke mit geometrischen Mustern an den Wänden. Auf Tischen liegen seltsam geformte Puzzle-Stücke und Figuren statt Luftschlangen und Konfetti.

Das Objekt, dem das Fest gewidmet ist, sieht aus wie ein Hut – zumindest haben die vier Entdecker ihn in dem besonderen 13-Eck gesehen. Viele der Besucherinnen und Besucher sind dafür extra aus den USA, Skandinavien oder Deutschland angereist. Und einige nehmen das Motto sehr ernst: Man sieht Personen, die sich einen Filzhut aus dem 13-Eck gebastelt, eine hutförmige Tasche genäht oder ein Kleid mit Hut-Kacheln bedruckt haben. Etwa 300 Menschen sind aus verschiedensten Teilen der Welt zusammengekommen und feiern den Hut. Aber warum bloß?

Es wäre schließlich vermessen zu sagen, die Hut-Kachel würde das Fach revolutionieren. Doch die Entdeckung ist greifbar, lässt sich anfassen und hat interessante Verbindungen zu verschiedenen mathematischen Bereichen. Die Hut-Kachel ist ein »Einstein« (die Bezeichnung leitet sich von »ein Stein« ab und hat nichts mit dem Physiker zu tun). Das heißt, sie ist eine einzelne Fliese, welche die Ebene lückenlos bedecken kann und dabei ausschließlich nichtperiodische Muster erzeugt. Dass eine solche Kachel überhaupt existiert, war bis zu ihrem Fund unklar.

Rund 60 Jahre lang jagten zahlreiche Personen einem Einstein nach, sind aber stets gescheitert. Dem Ziel am nächsten kam der spätere Physik-Nobelpreisträger Sir Roger Penrose, der sich das Hut-Fest trotz seines Alters von 91 Jahren nicht entgehen ließ. Er hatte in den 1970er Jahren zwei Steine vorgestellt, die eine Ebene lückenlos und zwangsweise nichtperiodisch pflastern – jene Steine, die den Boden vor dem Andrew-Wiles-Gebäude der University of Oxford schmücken. »Ich habe die Hoffnung auf einen Einstein nie aufgegeben«, sagte Penrose auf dem Hatfest.

Penrose-Parkettierung | Die Penrose-Parkettierung besteht aus nur zwei unterschiedlichen Kacheln, die ausschließlich nichtperiodische Muster erzeugen.

Und dann, etwa 50 Jahre später, fand schließlich der pensionierte Druckanlagentechniker David Smith die Hut-Kachel. Mit seinen langen Haaren, dem Bandana um die Stirn und seinen Netzhandschuhen wirkt Smith wie ein Rockstar – und wurde auf dem Hatfest auch als solcher gefeiert. Immer wieder erntete er als Entdecker mehrerer Einsteine tosenden Applaus (neben dem »Hut« hat er innerhalb weniger Monate noch eine »Schildkröte« sowie die »Gespenst«-Kachel gefunden).

Auf dem Gebiet der Kachelungen ist es nicht unüblich, dass Laien auf spannende Ergebnisse stoßen. So haben die beiden Amateur-Mathematikerinnen Joan M. Taylor und Marjorie Rice ebenso wie Robert Ammann in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bedeutende Beiträge geleistet. »Es hätte mich überrascht, wenn ein Mathematiker einen Einstein gefunden hätte«, kommentierte die emeritierte Geometerin Marjorie Senechal vom Smith College in Massachusetts auf dem Hatfest. »Man muss bereit sein, wild herumzuprobieren und zu spielen.« So war Smith auf den Hut gestoßen: Er hat zunächst an einem Computerprogramm verschiedene Kachelformen untersucht und die vielversprechendsten Kandidaten dann aus Papier zurechtgeschnitten und auf dem Boden ausgelegt. Um zu beweisen, dass es sich tatsächlich um einen Einstein handelt, wandte er sich jedoch an Fachleute: Der Informatiker Craig Kaplan führte zusammen mit dem Softwareentwickler Joseph Myers und dem Mathematiker Chaim Goodman-Strauss den mathematischen Beweis.

Dass die geometrischen Formen und erstaunlichen Mosaik-Werke Künstlerinnen und Künstler in ihren Bann ziehen, ist verständlich. Aus mathematischer Sicht wirken sie aber eher wie eine Spielerei: bunte Kacheln, die man auf gut Glück zusammensteckt und dabei ebene Muster erzeugt. Aber tatsächlich hängen mehrere – und teilweise abstrakte – mathematische Gebiete mit geometrischen Kachelungen zusammen. Das spiegelte sich auch auf dem Hatfest wider. Dort trafen Fachleute mit verschiedensten Hintergründen aufeinander. Das fiel vor allem anhand der Fragen auf, die sich während der Vorträge ergaben. Unter scheinbar harmlosen Begriffen wie »Kachelung« oder »nichtperiodisch« verstanden die Experten und Expertinnen teilweise unterschiedliche Dinge. Und wie man feststellen konnte, steckt in den flachen Mosaiken mehr mathematische Tiefe, als man vielleicht erwarten würde.

Zwischen Ordnung und Unordnung

»Wir feiern die Aperiodizität des Huts, obwohl wir sonst immer nach Symmetrie streben«, hörte ich einen Teilnehmer des Hatfests sagen. Damit stechen Parkettierungen in der Mathematik heraus: Am spannendsten erscheinen jene Formen, die überhaupt keine periodische Anordnung zulassen. Solche Fliesen heißen »aperiodisch«. Egal, wie man sie zusammensteckt, das Ergebnis ist immer unregelmäßig.

L-förmige Kachel | Die obige Parkettierung ist nichtperiodisch. Allerdings lässt die L-förmige Kachel auch periodische Muster zu, wie unten gezeigt.

Dass aperiodische Kacheln überhaupt existieren, wurde erst in den 1960er Jahren klar. »Diese Parkettierungen sind besonders spannend, weil sie trotzdem geordnet wirken«, sagt der Doktorand Daniel Roca González vom Karlsruher Institut für Technologie. Das lässt sich daran erkennen, dass man innerhalb eines solchen Musters immer wieder Ausschnitte findet, die gleich aussehen. Doch sie wiederholen sich nicht in einem regelmäßigen Abstand.

Einstein-Kachel | Dieses 13-Eck kann die Ebene lückenlos überdecken – und zwar so, dass dabei niemals ein periodisches Muster entsteht.

Etwas formaler lässt sich diese spannende Mischung aus Unordnung und Ordnung zeigen, wenn man einen Ring auf ein aperiodisches Parkett legt und die darin befindlichen Kacheln zählt. Dann verschiebt man den Kreis und zählt wieder. Damit hat man eine Art Maß für die Unordnung einer Kachelung gefunden. Je nachdem, wie stark die Anzahl der eingeschlossenen Fliesen variiert, hat man ein geordnetes oder ein ungeordnetes Muster. Periodische Kachelungen sind – wenig erstaunlich – Paradebeispiele für Ordnung. Aperiodische Fliesen erzeugen aber Muster, die sich an der Schwelle zwischen Ordnung und Unordnung befinden. Und das verleiht ihnen viele interessante Eigenschaften.

Anfangs hielt man aperiodische Kacheln für mathematische Kuriositäten, ohne Zusammenhang mit unserer physischen Welt. »Sie entfalten ihre ganzen Eigenschaften bloß in der Unendlichkeit«, sagte Kaplan auf dem Hatfest. »Für Anwendungen in unserer endlichen Welt genügen daher nichtperiodische Muster, die sich recht einfach erzeugen lassen.« Zum Beispiel kann man eine Ebene mit Quadraten gleicher Größe bedecken und die einzelnen Reihen mit unterschiedlichen Abständen gegeneinander verschieben.

Nichtperiodisches Muster | Indem man Spalten aus Quadraten einfach nur gegeneinander verschiebt, erzeugt man ein nichtperiodisches Muster.

Obwohl Kaplan mit seiner Einschätzung in den meisten Fällen durchaus Recht hat, gibt es auch Situationen, in denen aperiodische Kacheln doch eine Rolle spielen. Ein Beispiel dafür ist eine seltsame Entdeckung, die der Physiker Daniel Shechtman 1982 machte: Als er eine schnell abgekühlte Aluminium-Mangan-Legierung mit Röntgenstrahlen untersuchte, zeigte sich ein Beugungsmuster, das eigentlich nicht existieren durfte. Eine Erklärung für den seltsamen Fund bietet die Mathematik der Kachelungen.

Exotische Kachelungen in der Natur: Quasikristalle

In kristallinen Festkörpern sind die Atome in einem periodischen Gitter angeordnet. Bescheint man einen Kristall mit Röntgenstrahlen, werden diese an dem Gitter gebeugt. Das heißt, sie interferieren miteinander und verstärken sich an manchen Stellen und schwächen sich an anderen ab, wie Wasserwellen. Dadurch entsteht ein Beugungsmuster, das Aufschluss über die Anordnung der Atome des Festkörpers gibt. Unter anderem können Fachleute daraus ablesen, ob das Kristallgitter symmetrisch unter bestimmten Drehwinkeln ist. Bestrahlt man hingegen eine Flüssigkeit oder ein anderes Material, in dem die Atome nichtperiodisch angeordnet sind, erhält man bloß ein verwaschenes Signal ohne erkennbare Struktur.

Beugungsmuster eines Quasikristalls | Das Beugungsmuster eines Zn-Mg-Ho-Quasikristalls enthält Symmetrien, die keine periodische Anordnung der Atome zulassen.

Das Punktmuster, auf das der spätere Chemie-Nobelpreisträger Shechtman blickte, besaß eine Symmetrie, die mit keinem dreidimensionalen Gitter vereinbar war. Sprich: Es gibt keine periodische dreidimensionale Anordnung, die diese Symmetrie erfüllt. Das heißt, die Atome des untersuchten Festkörper können keine sich wiederholenden Muster bilden. Damit hatte der Physiker erstmals einen Quasikristall identifiziert.

Solche Strukturen sind das dreidimensionale Analogon einer aperiodischen Kachelung. Das ist, als würde man einen Raum mit Klötzen einer bestimmten Form füllen – und zwar so, dass das entstehende Muster niemals regelmäßig erneut auftritt. In diesem Bild befinden sich die Atome eines Quasikristalls an den Ecken der Klötze. Und das erklärt, warum die Aperiodizität auch in unserer endlichen Welt eine Rolle spielt. »Ein Quasikristall besteht zwar nur aus endlich vielen Teilchen«, erklärte Penrose auf dem Hatfest, »allerdings aus so unvorstellbar vielen, dass die nichtlokalen Eigenschaften aperiodischer Muster zum Tragen kommen.« Da sich die Quasikristalle ebenso wie Kachelungen an der Schwelle zwischen Ordnung und Unordnung befinden, erscheint das Beugungsmuster durch die Röntgenstrahlen trotzdem punktförmig – und kann Symmetrien aufweisen, die in gewöhnlichen Kristallen nicht vorkommen.

Aperiodische Muster können aus periodischen Gittern entstehen

Erstaunlicherweise hängen gewisse aperiodische Kachelungen trotzdem eng mit periodischen Strukturen zusammen. Um das zu verstehen, hilft es, sich zunächst eine eindimensionale aperiodische Abfolge vorzustellen. Man baut dazu ein Muster aus einem langen blauen Stock (b) und einem kurzen roten (r) nach folgender Regel auf: Lege zuerst einen roten Stock und ersetze dann jedes r durch b und jedes b durch br. Durch diese Ersetzungen baut sich Schritt für Schritt eine Buchstabenfolge auf, die nichtperiodisch ist: r, b, br, brb, brbbr, brbbrbrb, brbbrbrbbrbbr und so weiter. Die hintereinander aufgereihten Stöcke ergeben am Ende eine unendlich lange Gerade. Wie sich herausstellt, kann man dieses nichtperiodische Muster, das sich aus den verschiedenen Längen der Stöcke ergibt, durch ein zweidimensionales periodisches Gitter erzeugen.

Dazu braucht man bloß ein denkbar einfaches Gitter: eines, in dem die Punkte an den Ecken von Quadraten angeordnet sind. Nun bedeckt man einen Teil des Gitters mit einem dicken Streifen, den man unter einem irrationalen Winkel ausrichtet. In die Mitte des Streifens zeichnet man eine Gerade. Wenn man nun alle Punkte innerhalb des Streifens auf dem kürzesten Weg mit der Geraden verbindet, erscheint auf der Geraden ein aperiodisches Muster. Hat man den Winkel und die Breite des Streifens passend gewählt, entspricht das Muster dem oben beschriebenen, das durch die zwei Stöcke entsteht.

Cut and project | Einige aperiodische Muster lassen sich aus der Projektion periodischer Strukturen in höheren Dimensionen gewinnen.

Diese »Cut-and-project«-Methode (deutsch: ausschneiden und projizieren) funktioniert nicht nur für eindimensionale Fälle, sondern auch auf der Ebene. Man kann auf diese Weise also ebenfalls zweidimensionale aperiodische Kachelungen mit höherdimensionalen periodischen Gittern verbinden. So haben die Mathematiker Lorenzo Sadun, Franz Gähler und Michael Baake sowie unabhängig von ihnen Joshua Socolar die zur Hut-Kachel gehörende übergeordnete periodische Struktur berechnet. Socolar fand ein sechsdimensionales Analogon zum quadratischen Gitter, das unter passender Projektion das Hut-Muster ergibt. Sadun, Gähler und Baake haben sogar ein vierdimensionales periodisches Gitter identifiziert, dem die Hut-Pflasterung entspringt.

Der Zusammenhang mit hochdimensionalen Gittern ist äußerst nützlich. Denn sie offenbaren eine verborgene geometrische Struktur, die für die Ableitung vieler Eigenschaften der Kacheln nützlich ist. Manchmal ist es tatsächlich einfacher, mit diesen periodischen Strukturen zu arbeiten, auch wenn sich die Gebilde in so hohen Dimensionen unserer Vorstellungskraft entziehen. Sie ermöglichen es Fachleuten, Werkzeuge aus der Algebra und der Analysis zu verwenden, um Kachelungen zu untersuchen. Das verdeutlicht den Bezug des geometrischen Bereichs zu anderen Fachgebieten.

Beugungsmuster des Huts | Um das Beugungsmuster eines hypothetischen zweidimensionalen Hut-Quasikristalls zu berechnen, hat der Mathematiker Joshua Socolar angenommen, an allen Ecken des Huts befänden sich Atome gleicher Masse. Die roten Linien markieren die Symmetrieachsen.

Möchte man zum Beispiel ein Beugungsmuster berechnen, das ein hypothetischer zweidimensionaler Hut-Quasikristall erzeugen würde, muss man teilweise schwere Geschütze auffahren. Das zeigte unter anderem der Vortrag von Sadun auf dem Hatfest, in dem er seine mit Gähler und Baake verfasste Arbeit vorstellte. »Ich weiß, jeder hat Angst davor, aber ich spreche jetzt über Kohomologien. Ich hoffe, niemand verlässt jetzt den Raum«, sagte der Mathematiker lachend. Kaum hatte er den Satz beendet, stürmten tatsächlich einige Personen aus dem Saal. Wie sich später herausstellte, lag das aber nicht an seinem Vortrag, sondern an den Bahnstreiks, die den öffentlichen Verkehr in England zu diesem Zeitpunkt lahmlegten und viele Teilnehmer zwangen, ihre Pläne kurzfristig zu ändern.

Welche Fragen lassen sich überhaupt beantworten?

Der vielleicht größte Reiz an Parkettierungen ist die Verbindung zur Logik. Denn wie sich bereits in den 1960er Jahren herausstellte, wird man manche Fragen über Pflasterungen niemals beantworten können. Diese fallen nämlich in den düsteren Bereich der Mathematik, der »unentscheidbar« ist. Wie der Logiker Kurt Gödel in den 1930er Jahren bewies, gibt es Aussagen, die sich innerhalb der Mathematik weder widerlegen noch beweisen lassen.

Robert Berger fand 1966 heraus, dass es Kachelsätze gibt, von denen man nie herausfinden wird, ob sie eine Ebene pflastern können oder nicht. Das heißt, man wird in der Lage sein, immer größere Flächen mit den Kacheln zu bedecken, aber es könnte sein, dass nach Ablegen der tausendsten, millionsten oder abermilliardsten Fliese Schluss ist: Man hat eine Lücke vor sich, in die keine der verfügbaren Fliesen mehr passt.

Solche Sackgassen sind bei aperiodischen Fliesen nicht selten. Man landet dort sehr schnell, wie auch die Teilnehmer des Hatfests feststellten, als sie versuchten, das größte Hut-Muster der Welt zu erzeugen. Das heißt jedoch nicht, dass der Hut die Ebene nicht bedeckt, sondern dass man bei der Anordnung der Kacheln an irgendeiner Stelle einen falschen Weg eingeschlagen hat. Es gibt nämlich etliche Möglichkeiten, die Fliesen zusammenzustecken – und nicht jede führt zu einem Erfolg. Daher ist es schwer, durch reines Herumspielen zu beurteilen, ob ein Satz von Kacheln eine Ebene bedecken kann oder nicht. Und wie Berger gezeigt hat, sind wegen der Unentscheidbarkeit sogar mit ausgefeilten mathematischen Methoden die Möglichkeiten beschränkt.

Sackgasse | Wenn man Kacheln zu nichtperiodischen Mustern zusammenlegt, kann man schnell in eine Sackgasse geraten, wie hier gezeigt. Links ist eine Lücke entstanden, in die keine Hut-Kachel mehr hineinpasst.

Mathematikerinnen und Mathematiker möchten herausfinden, ob sich Bergers Ergebnis auf einzelne Kacheln übertragen lässt. Sprich: Kann man für einzelne Fliesen stets entscheiden, ob sie eine Ebene pflastern können oder nicht? Das ist noch nicht geklärt – bisher konnte man für einzelne Kacheln glücklicherweise immer ein Ergebnis erzielen, wie bei der Hut-Kachel. Doch das kann sich ändern. »Ich würde nicht dagegen wetten, dass auch das ein unentscheidbares Problem ist«, sagt Chaim Goodman-Strauss, der an der Entdeckung der Hut-Kachel beteiligt war.

Das wirft weitere spannende Fragen auf, wenn man sich einzelne Kacheln ansieht. Zum Beispiel: Falls eine Fliese die Ebene nicht pflastern kann, was ist dann die größtmögliche kreisförmige Anordnung, die man mit ihr erzeugen kann? Vereinfacht ausgedrückt: Wie nah kann man einer vollständigen Bedeckung kommen, bevor man letztlich scheitert? Das als Heesch-Problem bezeichnete Rätsel zählt dafür die Schichten, die eine Fliese maximal umgeben können. Die größte Heesch-Zahl, die bisher bekannt ist, ist sechs. Sollte sich herausstellen, dass sich auch für einzelne Kacheln nicht immer vorhersagen lässt, ob sie eine Ebene bedecken, dann kann die Heesch-Zahl beliebig groß werden. Schließlich folgt aus der Unentscheidbarkeit, dass es einzelne Fliesen gibt, die man unendlich lange aneinanderlegen kann, ohne jemals zu wissen, ob man nicht doch irgendwann in einer Sackgasse landet.

Das Gebiet der Kachelungen steckt noch voller offener Fragen. Diese sind so vielfältig, dass man sich den Parketten mit verschiedensten fachlichen Hintergründen nähern kann. Ein Physiker würde zum Beispiel gerne herausfinden, wie Quasikristalle zu Stande kommen. Diese hängen unter anderem mit einer der wichtigsten Fragen der Kristallografie zusammen: Nehmen Teilchen, die miteinander wechselwirken, im energetisch günstigsten Zustand stets eine periodische Anordnung an? Oder könnten sie sich auch zu aperiodischen Mustern zusammenfügen? Geometer könnten hingegen größeren Heesch-Zahlen nachjagen oder Kachelungen in hohen Dimensionen untersuchen. Und Logiker könnten versuchen herauszufinden, welche Kachel-Fragen sich überhaupt beantworten lassen. Parkettierungen bergen also interessante Probleme für allerlei Fachleute – kein Wunder, dass das Hatfest so gut besucht war.

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