»Ich bin anderen weit überlegen«, »ich verdiene es, besonders behandelt zu werden«. Davon sind Narzissten überzeugt. Und sie möchten stetig bewundert werden. Macht sie das bindungsunfähig? Psychologen um Megan Willis von der Australian Catholic University haben dazu über 30 Studien mit insgesamt mehr als 10 000 Teilnehmern ausgewertet – und sind zu einer verblüffenden Antwort gekommen.

Hohe Werte in der Persönlichkeitseigenschaft hingen insgesamt mit einem unsicheren Bindungsstil im Erwachsenenalter zusammen. Doch die Art des Narzissmus macht einen Unterschied. Mithilfe statistischer Verfahren ging das Forscherteam dem Zusammenhang genauer auf den Grund. Nur einer von zwei Subtypen – der vulnerable Narzissmus – stand mit unsicherer Bindung in Verbindung. Der sogenannte grandiose Narzissmus hingegen nicht.

Versteckter Narzissmus

Menschen mit einem hohen Maß an grandiosem Narzissmus neigen dazu, extrovertiert, aggressiv und dominant zu sein. Vulnerable Narzissten sind dagegen nicht so leicht als solche zu erkennen. Sie halten sich ebenfalls insgeheim für großartig und suchen nach Bewunderung, sind aber gleichzeitig introvertiert, unsicher, haben einen schwankenden Selbstwert und reagieren sehr sensibel auf Kritik.

Der Bindungstheorie zufolge prägen frühere Erfahrungen, wie Menschen über sich und andere denken und wie sie sich in Beziehungen verhalten und diese erleben. Bindungsstile entwickeln sich zwar oft früh im Leben, sie sind aber veränderbar. 

Eine unsichere Bindung in der Kindheit könnte also die Entwicklung des vulnerablen Narzissmus begünstigen. Der grandiose Narzissmus wird stattdessen anderen Studien zufolge eher durch übertriebenes Lob in der Kindheit gefördert – und durch Bezugspersonen, die ein Gefühl der Überlegenheit vermitteln. Bindungsorientierte Therapien könnten daher vor allem Betroffenen vom vulnerablen Subtyp helfen.