Partnerschaft: Wenig Sex und doch zufrieden – geht das?

Glückliche Paare haben in der Regel häufiger Sex als unglückliche – das zeigt sich in wissenschaftlichen Studien immer wieder. Doch blicken die Forschenden hier meist auf Unterschiede im Durchschnitt. Ob man auch ohne viel Sex miteinander glücklich sein kann, prüfte nun ein internationales Forschungsteam um Matthew Johnson von der University of Alberta (Kanada). Es kam zu dem Ergebnis: Sexuell inaktive und dabei zufriedene Paare gibt es zwar – allerdings äußerst selten.
In ihrer Analyse zogen die Forschenden Daten von rund 2100 heterosexuellen Paaren heran, die in den Jahren 2010 und 2011 am deutschen Beziehungs- und Familienpanel Pairfam teilgenommen hatten, darunter größtenteils junge Erwachsene im Alter von 20 bis 39 Jahren. Zum Anlass für seine Studie hatte das Team einen im »New York Times Magazine« erschienenen Artikel genommen, der anhand der Erfahrungen von mehr als 30 interviewten Paaren in Frage stellte, ob regelmäßiger Sex wohl zu einer glücklichen Ehe dazugehört. Auf der Suche nach so genannten »happy sexless couples« gruppierten die Wissenschaftler nun die deutschen Paare anhand ihrer Sexhäufigkeit und Beziehungszufriedenheit, wie sie in der Fachzeitschrift »Journal of Family Psychology« berichten.
Dabei zeigte sich: Eine deutliche Mehrheit der Paare, etwa 86 Prozent, war gleichzeitig zufrieden und hatte häufig Sex – im Durchschnitt einmal pro Woche. Bei knapp vier Prozent der Paare war es umgekehrt, sie hatten also seltener Sex – durchschnittlich ein- bis dreimal pro Monat – und waren unzufrieden mit der Beziehung. Darüber hinaus gab es Beziehungen, in denen eine Person zufrieden war, die andere nicht; diese Paare hatten noch moderat bis häufig Sex.
Auf diese Gruppen waren die Wissenschaftler durch ein Verfahren gekommen, das die befragten Paare anhand ihrer Angaben zu Profilen zusammenfasst – wobei einzelne Paare auch von den typischen Eigenschaften ihres Profils abweichen konnten. So gab es auch solche, die in den vorherigen drei Monaten nicht miteinander ins Bett gegangen und trotzdem miteinander glücklich waren, doch sie machten bloß 2,3 Prozent aller Fälle aus. Eine »signifikante« Gruppe der »happy sexless couples« gebe es also nicht, wird der am Projekt beteiligte Persönlichkeitspsychologe Franz Neyer von der Universität Jena in einer Pressemitteilung zitiert.
Das könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass in der untersuchten, überwiegend jungen Stichprobe nur knapp sechs Prozent der Paare überhaupt angegeben hatten, in den drei Monaten vor Befragungszeitpunkt sexuell inaktiv gewesen zu sein. Blickte man also lediglich auf diese sexuell enthaltsamen Paare, so waren in immerhin knapp 40 Prozent der Fälle beide mit ihrer Beziehung zufrieden.
Häufig Sex zu haben, bedeutete in der Gruppe der glücklichen, sexuell aktiven Paare, im Durchschnitt etwa einmal pro Woche miteinander im Bett zu landen. Zwar erlaube das Studiendesign keine Empfehlungen, doch könne dieser Richtwert unrealistischen Erwartungen nach mehr Sex vorbeugen, schreiben die Forschenden. Die Zahl deckt sich außerdem mit Ergebnissen einer 2016 veröffentlichten Studie, zu der Teile des Forschungsteams beigetragen hatten. Die kanadischen Psychologen hatten vermutet, dass mehr Geschlechtsverkehr zwar mit höherer Zufriedenheit einhergeht, aber bloß bis zu einem gewissen Punkt; der Kipppunkt lag bei etwa einmal pro Woche.
Fraglich bleibt, ob die Ergebnisse auch auf ältere Paare anwendbar sind. Denn die sexuelle Aktivität von Liierten nimmt mit zunehmendem Alter generell ab, das bezeugen Zahlen einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage der Firma »ElitePartner« aus dem Jahr 2023 (siehe »Je älter, desto seltener der Sex«). Auch über gleichgeschlechtliche Paare konnten die Forschenden mit ihren Daten keine Aussage machen. Und letzten Endes hängt die Beziehungszufriedenheit sicherlich nicht nur mit der schieren Frequenz von Sex zusammen: »Jede Beziehung ist anders, und viele verschiedene Faktoren, die wir in dieser Analyse nicht aufgreifen, spielen für die Zufriedenheit eine Rolle«, so Neyer.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.