Partnerschaft: Wie viel Geld braucht die Liebe?

»Ich kann dich reich machen. Reich genug, um eine Prinzessin zu beeindrucken.« Mit diesen Worten verführt der böse Zauberer Jafar im Disney-Film »Aladdin« den jungen Helden, eine Reise ins Ungewisse anzutreten. Dass er das Herz der Prinzessin auch anders für sich gewinnen könnte – auf diese Idee kommt Aladdin gar nicht. Vom Flaschengeist lässt er sich deshalb schleunigst in einen reichen Prinzen verwandeln. Wahre Liebe überwindet alle Hindernisse? Darauf will sich Aladdin nicht verlassen.
Aber ist es wirklich so schwierig, eine reiche Partnerin zu beeindrucken? Wenn man die deutschen Frauen fragt, wie ihr Traumpartner aussehen soll, dann geben sie sich erst mal sehr romantisch. In einer Online-Befragung von über 20 000 heterosexuellen Männern und Frauen, deren Ergebnisse im Fachjournal »Human Nature« veröffentlicht wurden, gaben sowohl Männer als auch Frauen an, dass ihnen vor allem Ehrlichkeit und Treue beim anderen Geschlecht wichtig seien. Und von den 82 abgefragten Charakteristiken war für beide das unwichtigste: dass sie oder er reich ist!
Einen Partner zu heiraten, der »deutlich« weniger Geld hat als sie selbst, konnten sich dann aber doch nur 38 Prozent der Frauen vorstellen – bei Männern waren es hingegen 91 Prozent. Ein Blick auf die Heiratszahlen zeigt eine ähnliche Tendenz. Würde Geld keine Rolle spielen, müsste es in Beziehungen zufällig verteilt sein – manchmal wären beide Partner ähnlich vermögend und manchmal wäre die eine deutlich wohlhabender als der andere. Internationale Untersuchungen von Heiratszahlen und Vermögenswerten zeichnen allerdings immer wieder ein anderes Bild. So zeigte eine Studie im Fachmagazin »Journal of Economic Behavior & Organization«, dass unter rund 60 000 verheirateten Schweizerinnen und Schweizern am häufigsten diejenigen geheiratet hatten, die ähnlich viel Geld in die Ehe mitbrachten – reiche Schweizerinnen waren etwa doppelt so häufig mit reichen Schweizern zusammen, als man es per Zufall erwarten würde, und umgekehrt gab es auch besonders viele Paare, wo beide wenig Geld hatten.
Auch hier zu Lande scheint es beim Heiraten nicht romantischer zuzugehen. Das zeigte eine kleinere, bisher nicht unabhängig überprüfte Untersuchung von etwa 1500 gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland. Auch bei ihnen hatten Ehepartner im Schnitt schon vor der Hochzeit vergleichbar viel Geld auf dem Konto.
Partnerwahl – eine Kosten-Nutzen-Analyse?
Warum ist das so? Fragt man Ökonominnen und Ökonomen, bekommt man als Antwort eine Kosten-Nutzen-Rechnung vorgelegt. Ihren Erklärungsmodellen zufolge geht die Partnerwahl folgendermaßen vonstatten: Immer, wenn wir einen potenziellen Partner getroffen haben, bewerten wir, was uns eine Verbindung mit dieser Person bringen würde – emotional und finanziell. Das Ergebnis dieser Überlegung vergleichen wir dann mit dem, was andere Kandidaten zu bieten hätten, sowie mit einem Leben ohne Partnerschaft. Ist der Vorteil groß genug, entscheiden wir uns für denjenigen, sonst suchen wir weiter.
Mit dieser Logik lassen sich die Schweizer Befunde tatsächlich gut erklären: Wenn alle um die Person mit den üppigsten ökonomischen Ressourcen buhlen, wird der Konkurrenzdruck sehr hoch. Folglich muss man sich mit jemandem zufriedengeben, der zumindest genauso reich ist wie man selbst. Einen Kandidaten mit weniger Geld zu wählen, würde nur dann Sinn ergeben, wenn die Zuneigung so groß ist, dass sie die finanziellen Verluste wettmacht.
»Je mehr Geld man hat, desto freier kann man leben«Philipp Lersch, Soziologe
Den Partner nach ökonomischen Gesichtspunkten zu wählen, klingt zwar etwas unromantisch, aber die Logik sei nicht von der Hand zu weisen, sagt der Soziologe Philipp Lersch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). »Geld ist in unseren kapitalistischen Gesellschaften eine Ressource, mit der man seine Umgebung beeinflussen kann. Je mehr Geld man hat, desto selbstbestimmter und freier kann man leben.«
Anhaltspunkte dafür, dass die Partnerwahl tatsächlich nach solchen ökonomischen Prinzipien abläuft, gibt es genug. Zum Beispiel geriet in Schweden der Heiratsmarkt einmal fast aus den Fugen, als die Regierung in den 1980er Jahren eine Sozialreform auf den Weg brachte. Durch die Reform erhielten Frauen, wenn ihr Mann starb, keine lebenslange Witwenrente mehr, sondern nur noch ein Übergangsgeld für zwölf Monate.
Dass eine Ehe plötzlich so viel weniger finanzielle Vorteile bot, schlug sich prompt in den Scheidungszahlen nieder, wie eine Studie der Stanforder Ökonomin Petra Persson im Fachmagazin »Journal of Political Economy« zeigte. Paare ohne Kind, denen die Aussicht auf eine solide Witwenrente alternativlos gestrichen worden war, trennten sich nun um zehn Prozent häufiger als jene, die erst ein halbes Jahr zuvor geheiratet hatten. Paare, die bereits ein gemeinsames Kind zur Welt gebracht hatten, konnten durch eine schnelle Hochzeit von der Reform verschont bleiben, was einen regelrechten Sturm auf die Standesämter auslöste: Ihre Heiratsquote stieg in dem Quartal im Vergleich zum Vorjahreswert um das 21-Fache.
Auch die Deutschen sind nicht unbeeindruckt von dem Geld, dass der Staat ihnen bei einer Hochzeit zugesteht. Jedes Jahr im Dezember schießen die Heiratszahlen hier zu Lande noch einmal in die Höhe. Denn legt man seine Hochzeit erst in den Januar, kann man die neue Steuerklasse nicht mehr für das alte Jahr geltend machen. Genauso ist uns die Idee eines »Heiratsmarkts«, auf dem es objektiv bessere und schlechtere Partien gibt, nicht fern. »Männer mit geringem Einkommen heiraten deutlich seltener als reichere Männer«, sagt Michaela Kreyenfeld, Professorin für Soziologie an der Hertie School of Governance und Direktorin am Einstein Center Population Diversity in Berlin. »In der Soziologie führt man das unter anderem darauf zurück, dass ihre geringen ökonomischen Ressourcen sie einfach unattraktiv machen.« Außerdem sei das Heiraten für diese Männer finanziell oft weniger lukrativ. »Wenn ein Mann ähnlich wenig verdient wie die Frau, dann bringt eine Hochzeit dem Paar kaum steuerliche Vorteile. Gleichzeitig kann es für den Erhalt von Sozialleistungen vorteilhaft sein, nicht zu heiraten.«
Geld ist aber nicht alles
Es gibt jedoch auch eine andere Sicht auf die Heiratszahlen, eine, die der Liebe ein wenig mehr Platz einräumt. Denn dass Reich und Reich sich gern gesellt, muss nicht unbedingt mit dem Streben nach Wohlstand zusammenhängen. »Es gibt bestimmt Menschen, die ganz gezielt nach Partnern mit besonders vielen ökonomischen Ressourcen Ausschau halten«, sagt der Soziologe Philipp Lersch. »Einen größeren Einfluss hat wahrscheinlich aber dieses Bauchgefühl, dass jemand einem ähnlich ist und ähnliche Interessen hat.«
Das Ergebnis wäre dasselbe wie nach ökonomischen Erwägungen. Denn unsere Zuneigung verteilt sich nicht rein zufällig. »Wenn wir uns mit jemandem gut verstehen, weil wir beide gerne in die Oper gehen, dann liegt das nicht zwangsläufig daran, dass wir vom Schicksal füreinander bestimmt sind. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir einfach aus derselben Bildungsschicht stammen«, sagt Lersch.
Auch hierfür sprechen Zahlen. Daten des Mikrozensus zufolge hatten im Jahr 2005 deutlich über die Hälfte der Ehepartner in Deutschland denselben Bildungshintergrund – Tendenz steigend. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit Hochschulabschluss andere Menschen mit Bachelor oder Master heirateten, war um etwa das Zehnfache erhöht. Real- und Hauptschulabsolventen ohne weitere Berufsausbildung hatten teilweise sogar eine 30-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, eine Person mit ähnlichem Bildungsstand zu heiraten.
»Die romantische Liebe ist eine Erfindung«Michaela Kreyenfeld, Soziologin
Da Bildung und Gehalt einander sehr häufig bedingen, führt auch das dazu, dass Partnerinnen und Partner mit ähnlichem Gehalt zusammenfinden. Am Ende ist es also egal, ob wir uns bei der Partnerschaft an Bildungshintergründen oder Vermögenswerten orientieren: Reiche und gebildete Menschen führen Beziehungen miteinander, und dasselbe gilt für Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status. »Die romantische Liebe ist eine Erfindung aus dem 17. und 18. Jahrhundert, das ist einfach die historische Wahrheit«, sagt Michaela Kreyenfeld. Zuneigung spiele zwar auch eine Rolle bei der Partnerschaft, aber die ökonomischen Einflüsse könne man eben nicht leugnen.
Dieser Einfluss beruht allerdings nicht nur auf bewussten Entscheidungen, die wir bei der Partnerwahl treffen. Ein Faktor ist auch, wie stark die Gesellschaft nach sozialen Schichten aufgeteilt ist. »Man agiert ja nicht im luftleeren Raum«, sagt Philipp Lersch. »Die gesellschaftlichen Strukturen grenzen stark ein, mit welchem Pool von Menschen wir überhaupt in Kontakt kommen, in die dann der Blitz der Liebe einschlagen kann.« Soll heißen: Will man eine Ärztin heiraten, sollte man am besten selbst Medizin studieren; findet man Landwirte attraktiv, ist vielleicht ein Wohnort in der Großstadt eher nicht angeraten.
Nicht alle demografischen Gemeinsamkeiten von Paaren können sich mit solchen ungünstigen gesellschaftlichen Strukturen erklären lassen, aber zumindest viele. Für Romantiker mag das beruhigend sein. Dann geht es bei der Partnerwahl nämlich doch noch ein bisschen um die wahre Liebe: Innerhalb der eigenen sozioökonomischen Schicht lassen die meisten ihren Gefühlen freien Lauf. Alle, die außerhalb dieser vertrauten Umgebung sind, trifft man erst gar nicht.
Ungleichheiten werden durch die Partnerwahl verstärkt
Gesellschaftlich ist es trotzdem ein Problem, wenn die reichsten und die ärmsten Personen immer nur untereinander heiraten. »Für die einen Kinder, die aus solchen Konstellationen entspringen, ist dann zu wenig Zeit und Geld übrig, während die anderen im Überfluss aufwachsen«, sagt Michaela Kreyenfeld. Wenn diese Kinder dann erwachsen werden und wieder einen Partner aus dem eigenen sozialen Dunstkreis auswählen, setzen sich die finanziellen Ungleichheiten in der nächsten Generation fort.
Das gegenwärtige Modell der Partnerwahl könnte also, wenn man in ganz großen Dimensionen denken möchte, sogar demokratiegefährdend sein: Je weiter die Schere zwischen Arm und Reich in einer Gesellschaft auseinanderdriftet, desto geringer ist auch der Glaube daran, dass Demokratie die beste Staatsform ist. Das haben Umfragen zum Demokratieverständnis in 40 Ländern ergeben.
Dabei gäbe es, rein theoretisch, eine einfache Lösung. Weil heute mehr Frauen als Männer ein Studium abschließen, gibt es für sie nicht genügend hochgebildete Männer, so dass ein Teil von ihnen keinen »passenden« Partner mit ähnlichem formalem Bildungsniveau findet. Auf der anderen Seite gibt es Männer mit sehr geringem Einkommen, die keine Frau finden. Fänden die beiden Gruppen zusammen, würde das die ungleiche Verteilung von Bildung und ökonomischen Ressourcen in der nächsten Generation nachhaltig verringern.
Eine realistische Option ist das jedoch nicht. Das sagt auch Philipp Lersch. »Wenige Menschen würden gerne mit einem Partner zusammen sein, den sie eigentlich nicht haben wollen, nur um gesellschaftliche Ungleichheiten zu reduzieren. Wir können Menschen nicht aus politischen Gründen in Beziehungen zwingen.«
Heiraten und Geheiratetwerden dürfte also auf lange Sicht sozioökonomische Unterschiede zementieren. Auch das immer verbreitetere Online-Dating wird dem Soziologen zufolge kaum etwas daran ändern. »Beim Online-Dating sehen sich Menschen aus verschiedenen Schichten zwar öfter. In den Profilen wird aber auch expliziter signalisiert, wie gebildet und wie reich die jeweilige Person ist. Diese beiden Effekte arbeiten gegeneinander, weshalb es unterm Strich keinen großen Effekt gibt.«
Eine Liebe wie die zwischen Aladdin und seiner Prinzessin wird somit jenseits der Märchenwelt eher die Ausnahme bleiben. Würden sich die beiden heute auf Tinder begegnen, wäre Jasmin wahrscheinlich abgeschreckt, wenn sie auf Aladdins Selfie seine ärmliche Wohnung sieht. Er wiederum wäre bestimmt eingeschüchtert von der Selbstverständlichkeit, mit der Jasmin im Pool eines Luxushotels posiert. Dennoch kann der Disney-Klassiker als Positiv-Beispiel herhalten. Die Prinzessin bleibt bis zum Schluss vollkommen unbeeindruckt von der enormen Kaufkraft, die Aladdin dank Flaschengeist zur Schau stellt. Sie heiratet ihn erst, als die Illusion vom reichen Prinzen längst zerplatzt ist.
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