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Pazifikvulkan: Tonga-Explosion löste Megatsunamis aus

Der Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai im Januar 2022 war gewaltig. Nun zeigt eine Simulation: Offenbar entstanden dabei riesige Tsunamis.
Eruptionssäule des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai
Kilometerhoch stieg nach dem Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai am 15. Januar 2022 eine Eruptionssäule auf. Die Naturkatastrophe löste auch Tsunamis aus.

Es war wohl die gigantischste Eruption des vergangenen Jahres, als am 15. Januar 2022 der Unterwasservulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai im pazifischen Inselstaat Tonga explodierte. Der Ausbruch war, wie nachfolgende Analysen zeigten, in vielerlei Hinsicht gewaltiger als das, was Fachleute bis dahin gemessen haben. Nun haben Forschende um Sam Purkis von der University of Florida die Eruption in einer Computersimulation nachgeahmt, die erstmals die Ereignisse im direkten Umfeld des Inselstaats rekonstruiert, wie sie im Fachblatt »Science Advances« schreiben. Die Fachleute gehen davon aus, dass sich an jenem 15. Januar riesenhafte Tsunamis durchs Meer wälzten. Zudem peitschten sich die Wogen bedingt durch die geologische Form des Archipels gegenseitig auf. Der Naturkatastrophe fielen mindestens vier Menschen zum Opfer. Dank vorangegangener Präventionsmaßnahmen und aus anderen Gründen – die Touristenhotels in Tonga waren damals wegen der Corona-Pandemie geschlossen – blieb die Zahl der Toten gering.

Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, welche Wucht der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai entwickelte. Bekannt ist auch, dass auf die Eruption Tsunamis folgten – nach Ansicht von Purkis und seinem Team waren sie verschiedener Art: Die Druck- und Schwerkraftwellen der Eruption lösten wenige Meter hohe Wogen aus. Doch deutlich größere Tsunamis entstanden durch die Explosionen selbst, die massenhaft Meerwasser verdrängten. Unweit des Vulkans könnte eine Welle auf zirka 85 Meter angestiegen sein, bei Ankunft an der 90 Kilometer entfernten und unbewohnten Insel Tofua war sie wohl noch maximal 45 Meter hoch.

Dieser Megatsunami sei die Folge einer besonders starken Explosion gewesen, die vermutlich die Wucht von zirka 15 Megatonnen entfaltete. Das entspricht ungefähr der Stärke der Wasserstoffbombe Castle Bravo, die die USA auf dem pazifischen Bikini-Atoll 1954 zündeten. Es war einer der stärksten Kernwaffentests, die je durchgeführt wurden.

© Steven N. Ward, Institute of Geophysics and Planetary Physics, University of California Santa Cruz, U.S.A.
Tsunamis nach dem Tonga-Ausbruch
Die Simulation von Sam Purkis und seinem Team zeigt, wie sich nach dem Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai am 15. Januar 2022 Tsunamis durch den Archipel von Tonga wälzten.

Für ihre Simulation kombinierten die Forschenden verschiedene Arten von Daten: Satellitenbilder aus der Zeit vor und nach dem Vulkanausbruch, Aufnahmen, die mit Hilfe der Lidar-Technik gewonnen wurden, Drohnenbilder, Berichte von Augenzeugen unter anderem über Beschädigungen von Fenstern und die Lautstärke der Explosionen.

Was löste die Tsunamis aus?

Aus ihrem Modell schließen Purkis und sein Team, dass im Januar 2022 fünf Vulkanexplosionen in Tonga Tsunamis ausgelöst hätten. Die letzten drei seien die stärksten gewesen, mit 0,5, 4 und 15 Megatonnen. Allerdings räumen die Studienautoren auch ein, dass sich die finale Erschütterung nicht in den vorhandenen seismischen Daten abzeichne. Eine plausible Erklärung sei jedoch, dass die aufgestiegene Eruptionssäule in sich zusammenbrach und dabei die entsprechende Wucht entwickelte.

Der Experte Cyprien Bosserelle vom National Institute of Water and Atmospheric Research in Neuseeland sieht hier ebenfalls den größten Erklärungsbedarf. Künftige Arbeiten könnten jedoch andere Nachweise ausfindig machen, sagte er gegenüber dem australischen Science Media Centre. »Die Beweise dafür, dass diese größte Tsunamiwelle tatsächlich von einer Eruptionsexplosion herrührt, sind noch ziemlich dünn, aber es ist die bislang beste Erklärung.« Sonst, betont Bosserelle, »stimmen die Ergebnisse von Purkis mit unseren eigenen unveröffentlichten Analysen überein«.

Die Forschenden stellten zudem fest, dass die Tsunamiwellen innerhalb des Archipels geradezu »gefangen gehalten wurden«. Die Ergebnisse würden auch zeigen, »wie die Wellen mehrerer Explosionen interagierten, selbst wenn sie Stunden voneinander getrennt aufgetreten waren«, heißt es in der Studie von Purkis und Co. Dadurch gelangten Tsunamis auch in Gebiete, in denen man sie nicht erwartet hätte.

Der Ausbruch 2022 – extrem hoch, extrem laut und extrem weit

Auch sonst war der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai ein Naturereignis der Superlative: Die Asche, die der Vulkan ausstieß, reichte bis in 57 Kilometer Höhe. Das meiste Material breitete sich dabei schirmartig auf einer Höhe von 35 Kilometern aus. Damit stieg der vulkanische Auswurf durch die Stratosphäre hindurch bis direkt in die Mesosphäre auf. Bei keinem anderen bekannten Vulkanausbruch hat man bisher derartige Höhen gemessen. Darüber hinaus sorgten die ausgestoßenen Partikel für ein bislang noch nie nachgewiesenes Eruptionsgewitter. Ungefähr 590 000 Blitze waren innerhalb von drei Tagen um den Ausbruch aufgezeichnet worden. Ebenfalls außergewöhnlich war die Druckwelle der Eruption: Sie breitete sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 1150 Kilometern pro Stunde aus und umrundete die Erde mindestens viermal in die eine und dreimal in die andere Richtung.

Das Königreich Tonga umfasst 169 Inseln. Der Archipel liegt auf einem Teil des Tonga-Kermadec-Vulkanbogens, einer der seismisch aktivsten Regionen der Erde, welche die höchste Dichte an Unterwasservulkanen aufweist, heißt es in der Studie von Purkis und seinen Kollegen. Bis zum Jahr 2015 ragte der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai mit zwei Spitzen aus dem Meerwasser. Dann brach er im Dezember 2014 und im Januar 2015 aus – anschließend war aus der Doppelinsel ein Eiland geworden.

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