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Job: Typische Persönlichkeitsprofile für 263 Berufe

In welchen Berufen arbeiten Menschen, die so ähnlich ticken wie ich? Eine Website bietet einen kostenlosen Selbsttest an.
Die Illustration zeigt verschiedenfarbige Silhouetten von Profilansichten mehrerer Menschen.
Berufstypische Profile reduzieren die Informationen über einen Beruf auf Durchschnittswerte von wenigen Merkmalen.

Bin ich typisch für Leute mit meinem Job? Das kann man auf der Website Occupational Personality Profiles herausfinden. Dort bietet eine Forschungsgruppe aus Estland einen Selbsttest an. Die Auswertung zeigt, mit welchen berufstypischen Persönlichkeitsprofilen das eigene Profil am meisten übereinstimmt. Das kostenlose Angebot ist ein Nebenprodukt einer Forschungsarbeit, die im »Journal of Applied Psychology« erschienen ist. Darin schildert das Team um die Psychologin Kätlin Anni von der Universität von Tartu, inwiefern sich die 263 berufstypischen Profile unterscheiden.

Die Daten hinter den Profilen stammen von rund 60 000 Erwachsenen aus der estnischen Biobank, die Auskunft über ihren Beruf und ihre Persönlichkeit gegeben hatten. Aus den Mittelwerten der fünf großen Persönlichkeitsdimensionen, der »Big Five«, bildeten die Forschenden typische Persönlichkeitsprofile für jeden Beruf, der in ihrer Stichprobe mindestens 25 Personen umfasste. Zu rund jedem zweiten Beruf lagen sogar Daten von mindestens 100 bis zu 1000 Personen vor. Für einige Berufe, zum Beispiel Physiker und Astronom, gab es allerdings nicht genug Befragte, um für sie ein eigenes Profil zu erstellen.

»Nicht alle Jobs haben ein markantes Profil, aber viele«Kätlin Anni, Psychologin

Mehr als die Hälfte der Berufe, so stellten Anni und ihr Team fest, hatten kein markantes Profil: Sie lagen auf allen fünf Dimensionen nahe am Durchschnitt aller Berufe. Doch bei 43 Prozent wich mindestens einer der fünf Werte merklich vom Mittelwert ab, und bei knapp fünf Prozent war die Abweichung sehr deutlich. »Nicht alle Jobs haben ein markantes Profil, aber viele«, so das Fazit der Gruppe. Dazu zählten beispielsweise Schauspieler, Künstler und Schriftsteller, Psychologen, Journalisten, Web- und Softwareentwickler sowie Elektronikingenieure. Die Profile von Sachbearbeitern, Landwirten und Elektrotechnikern wichen dagegen im Mittel nur wenig vom Durchschnitt aller Jobs ab, und auch Hebammen und Gefängnisaufseher hatten wenig markante Merkmale in ihrem Profil.

Viele typische Kennzeichen sind intuitiv plausibel. Kreative wie Künstler und Schriftsteller bekunden demnach große Offenheit für neue Erfahrungen. Schiffsingenieure und Bauleiter attestieren sich ausgeprägte Gewissenhaftigkeit. Piloten beschreiben sich als besonders emotional stabil. Und hohe Extraversion findet man vor allem in der Werbung und Public Relations, bei Schauspielern und Veranstaltungsplanern. Zu den introvertierten und zugleich verträglichen Charakteren zählen dagegen Elektronikingenieure, Software- und Webentwickler (siehe Grafik »Persönlichkeitsprofile in 100 ausgewählten Berufen«).

Dennoch kann man aus dem Beruf eines Menschen nur wenig ableiten: Individuelle Unterschiede in den fünf großen Persönlichkeitsdimensionen ließen sich nur zu wenigen Prozent mit dem Beruf erklären. Die Big Five seien inhaltlich womöglich »zu breit«, vermutet die Forschungsgruppe. Schmalere Eigenschaften, aus denen sich die Big Five zusammensetzen, seien besser geeignet: Darin unterschieden sich die Menschen in verschiedenen Berufen nämlich deutlicher. Zum Beispiel gaben Schriftsteller an, dass sie gerne lesen; Forschende interessierten sich besonders für Wissenschaft; Richtern fiel es leicht, Entscheidungen zu treffen. Und Manager gaben häufig an, gerne komplexe Probleme zu lösen und besser sein zu wollen als andere.

Ein weiterer Befund: Die Menschen innerhalb eines Berufsfelds lagen mit ihren Antworten teils mehr, teils weniger weit auseinander. »Berufe unterscheiden sich nicht nur in den typischen Eigenschaftsprofilen, sondern auch darin, wie sehr die Beschäftigten den Profilen entsprechen«, berichten die Forschenden. In Berufen mit hohem Ansehen und strengen Auswahlverfahren seien sich die Menschen besonders ähnlich – mit typischen Merkmalen, die eine hohe Leistung erwarten lassen. Manager etwa beschrieben sich recht geschlossen als extravertiert und emotional stabil. Aber offen für neue Erfahrungen zeigten sich eher Manager in Werbung und PR als solche in Verkauf und Marketing.

Wie kommen die unterschiedlichen Profile zu Stande? Laut Anni und ihre Kollegen liegt das nicht allein an den Voraussetzungen und Auswahlverfahren. Die Persönlichkeit beeinflusst die Berufswahl ebenfalls: Extravertierte Menschen sitzen nicht gern den ganzen Tag allein vorm Computer, und introvertierte Menschen wollen keine Großveranstaltungen moderieren. Umgekehrt kann die Tätigkeit auch auf die Persönlichkeit abfärben, etwa indem bestimmte Verhaltensweisen trainiert und belohnt werden. »Persönlichkeitseigenschaften, die vom Durchschnitt der Berufstätigen eines Berufs abweichen, bedeuten nicht, dass man für diesen Beruf ungeeignet ist«, schreiben die Autoren. Wer nicht zum groben Profil passt, sollte sich davon nicht entmutigen lassen: »Jeder Beruf kann von unterschiedlichen Menschen erfolgreich ausgeübt werden.«

»Unsere Befunde betonen die besondere Bedeutung von Offenheit für den Beruf«Kätlin Anni, Psychologin

Allerdings scheinen vor allem Extraversion und Offenheit für neue Erfahrungen für die Berufswahl relevanter zu sein als andere. »Unsere Befunde betonen die besondere Bedeutung von Offenheit für den Beruf«, berichten Anni und ihre Kollegen. Bildungsgrad und Intelligenz hängen zwar eng mit Offenheit zusammen, doch das könne die berufstypischen Unterschiede in dieser Dimension der Big Five nicht erklären.

Den Autoren zufolge umfasst ihre Datenbank die größte offen zugängliche Sammlung berufstypischer Persönlichkeitsprofile weltweit. Eine deutsche und eine finnische Studie hätten Persönlichkeit und Beruf ebenfalls systematisch erfasst, aber nur mit drei Fragen für jede der fünf Dimensionen. Das seien zu wenige, kritisieren Anni und ihre Kollegen: Beispielsweise werde emotionale Instabilität auf Ängstlichkeit reduziert, obwohl andere Merkmale wie Depression und Impulsivität ebenfalls dazuzählen. Dennoch ähnelten sich die Profile in den beiden Ländern – ein Hinweis darauf, dass sich die Befunde aus Estland wohl auch auf Deutschland übertragen lassen. Über ihre Website sammeln die Forschenden nun Daten in 13 Sprachen, darunter Deutsch.

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  • Quellen
Journal of Applied Psychology 110, 10.1037/apl0001249, 2025

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