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Pest: Auch Läuse übertrugen den schwarzen Tod

Der Erreger der Beulenpest braucht anscheinend keine Ratten, um sich in der Bevölkerung zu verbreiten. Auch Kleiderläuse übertragen das Bakterium sehr effektiv.
Mehrere Schädel in einer Reihe, in einem Beinhaus mit Opfern der Pest in Paris.
Schätzungen zufolge tötete die Pest im 14. Jahrhundert etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung.

Eine überraschende Entdeckung lässt eine der verheerendsten Pandemien der Menschheitsgeschichte in neuem Licht erscheinen. Laut einem Team um David M. Bland übertragen nicht nur Flöhe den Pesterreger Yersinia pestis, sondern auch Läuse, die bisher nicht als Überträger galten. Das legt nahe, dass sich der schwarze Tod im Mittelalter nicht nur über Ratten und ihre Flöhe in der Bevölkerung ausbreitete, sondern auch über Parasiten, die das Bakterium direkt von Mensch zu Mensch tragen können. Wie die Arbeitsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift »PLOS Biology« berichtet, infiziert Y. pestis leicht Kleiderläuse (Pediculus humanus humanus), die den Erreger wiederum auf Blut übertragen. Demzufolge breitete sich der schwarze Tod einst vermutlich auch unabhängig von Ratten aus.

In der Natur befällt das Pestbakterium verschiedene Arten von Nagetieren. Es verbreitet sich zwischen ihnen über die Stiche infizierter Flöhe, die sich ihrerseits über das Blut befallener Nagetiere anstecken. Bisher vermutete man, dass Menschen sich überwiegend ansteckten, wenn Rattenflöhe das Bakterium vom Nagetier auf den Menschen trugen – zum Beispiel wenn Ratten an der Pest starben und ihre Flöhe dann anschließend Menschen stachen. Doch Rattenflöhe bleiben nicht dauerhaft beim Menschen, und das Bakterium kann sich sich nur unter besonderen Umständen bei der selteneren Lungenpest direkt zwischen Menschen verbreiten. Deswegen ging man bisher davon aus, dass die schweren Pestepidemien des Mittelalters direkt mit parallelen Pestausbrüchen in Ratten und ihren Flöhen zusammenhingen.

Die Versuche des Teams um Bland zeigen nun, dass auch menschliche Parasiten Yersinia pestis aufnehmen und übertragen können. Die Arbeitsgruppe ließ Kleiderläuse von infiziertem Blut trinken und untersuchte, ob sich die Bakterien in den Tieren ansiedelten. Dabei zeigte sich, dass schon wenige Bakterien im Blut für eine Infektion ausreichten. Enthielt das Blut viele Bakterien, befiel der Erreger auch die Pawlowsky-Drüsen im Kopf des Tieres, die ein Sekret auf die Mundwerkzeuge der Läuse absondern. Besonders Tiere mit infizierten Drüsen übertrugen die Bakterien sehr effektiv auf nicht infiziertes Blut. Dass die Bakterien diese Drüsen befallen, ist anscheinend eine spezifische Anpassung des Pesterregers: Vergleichbare Bakterien infizierten zwar die Läuse, aber eben nicht die Drüsen.

Die Fachleute führen mehrere Argumente an, die für Kleiderläuse als bedeutenden Pestüberträger sprechen. Die Tiere nehmen pro Mahlzeit mehr Blut auf als Flöhe und beißen auch häufiger und regelmäßiger. Dadurch infizieren sie sich leichter. Dass die Bakterien spezifisch die Speicheldrüsen befallen, macht sie leichter übertragbar. Außerdem fehlen den Läusen spezielle Immungene, so dass sie auch im Kot sehr viele Bakterien ausscheiden. Wenn man die juckenden Bisse kratzt, reibt man deswegen leicht Bakterien in offene Wunden. Das eröffnet die Möglichkeit, dass sich die Pest auch unabhängig von Ratten mit den Bissen infizierter Läuse verbreitete und Ausbrüche entsprechend größer werden konnten. Die Ratten und ihre Flöhe spielten dennoch eine wichtige Rolle: Die Ausbrüche im Mittelalter traten überwiegend im Sommer auf, wenn Nagetiere aktiver sind.

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