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Respiratorisches Synzytial-Virus: Pfizer vermeldet Erfolg bei Impfstoffentwicklung gegen RSV

Das Virus verursacht am häufigsten tödliche Erkrankungen bei Kleinkindern. Erste Daten deuten daraufhin, dass eine Impfung der werdenden Mutter schwere Infektionen bei Säuglingen verhindern kann.
Eine schwangere Frau wird geimpft
Die maternale Immunisierung imitiert die Natur, da Mütter normalerweise ihre durch Infekte erworbenen Abwehrkräfte vor und nach der Geburt an ihre Kinder weitergeben. (Symbolbild)

Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV, ist ein weit verbreiteter Erreger, der vor allem in den Wintermonaten grassiert. Während eine Infektion bei älteren Kindern und Erwachsenen meist harmlos verläuft, kann die Erkrankung für Säuglinge schnell gefährlich werden. RSV führt weltweit am häufigsten zu tödlichen Erkrankungen bei Kleinkindern. Der US-Pharmakonzern Pfizer hat nun einen Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffs vermeldet. Eine Studie mit rund 7400 Schwangeren in 18 Ländern habe gezeigt, dass die Impfung von werdenden Müttern mit »RSVpreF« schwere RSV-Infektionen der unteren Atemwege bei Säuglingen in den ersten 90 Lebenstagen zu fast 82 Prozent verhindern konnte, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Daten seien der US-Gesundheitsbehörde FDA für die Prüfung einer Zulassung des Vakzins übermittelt worden. Der Antrag bei weiteren Zulassungsbehörden soll in den kommenden Monaten folgen. Vor wenigen Tagen hatte auch das britische Unternehmen Glaxo-Smith-Kline erste viel versprechende Ergebnisse seines RSV-Impfstoffs präsentiert, der an 25 000 Erwachsenen über 60 Jahre erprobt worden war.

Üblicherweise infizieren sich 60 bis 70 Prozent der Säuglinge und nahezu alle Kinder unter zwei Jahren mindestens einmal mit RSV. Die Infektionswelle startet für gewöhnlich im Oktober, hatte sich in den zurückliegenden Jahren aber auch auf Grund der Kontaktbeschränkungen im Zuge der Coronapandemie verschoben. Seit der Entdeckung des Virus im Jahr 1957 wurde jahrzehntelang vergeblich an einem Impfstoff geforscht. Seit 1998 gibt es für Hochrisikokinder, bei denen eine RSV-Infektion tödlich verlaufen kann, eine Immunprophylaxe mit monoklonalen Anti-RSV-Antikörpern. Zuletzt zeigte sich, dass RSV zunehmend auch ein Problem für die immer älter werdende Bevölkerung ebenso wie für chronisch Kranke und Abwehrschwache ist.

Pfizer setzt nun auf die so genannte maternale Immunisierung. Dieses Konzept imitiert die Natur, da Mütter normalerweise ihre durch Infekte erworbenen Abwehrkräfte über das Nabelschnurblut und die Muttermilch an ihre Kinder vor und nach der Geburt weitergeben. Während der Studie erhielten die werdenden Mütter im späten zweiten bis dritten Trimester ihrer Schwangerschaft eine Einzeldosis von 120 Mikrogramm RSVpreF. Es habe keine Anzeichen für Sicherheitsprobleme bei Müttern oder Säuglingen gegeben, berichtet der Pharmakonzern.

Thema ist wegen Coronapandemie hochaktuell

»Da Säuglinge im ersten Lebenshalbjahr besonders gefährdet sind, ist diese nachgewiesene Schutzwirkung erfreulich«, kommentierte Markus Rose, Ärztlicher Leiter des Bereichs Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und zystische Fibrose am Olgahospital in Stuttgart, die Ankündigung gegenüber dem Science Media Center (SMC). »Das Thema ist insofern hochaktuell, als dass durch die pandemiebedingten Maßnahmen auch die ›normalen‹ RSV-Infektionen gesunder Erwachsener, die meist wie eine leichte Erkältung verlaufen, verhindert wurden und die Mütter weniger RSV-Abwehrkräfte auf ihre Kinder übertragen konnten.«

Zudem sei der neue Impfstoff von Pfizer auch von seiner Zusammensetzung her ein Novum. »Bislang hatten Vakzine gegen RSV ihren Ansatzpunkt am so genannten Postfusions-F-Protein«, erklärt Rose. »Mittlerweile wissen wir jedoch, dass Präfusions-F-gerichtete Gedächtnis-B-Zellen natürlich RSV-infizierter Erwachsener potentere neutralisierende Antikörper produzieren.« Auf diesem Prinzip basiere nun der neue Impfstoff.

Es gebe jedoch auch noch offene Fragen. So sei ein wesentlicher Aspekt bei der maternalen Impfung, dass die Schwangerschaft möglichst lange andauern sollte, da die Abwehrkräfte auf das Kind übertreten müssen. »Kommt es nun zu einer Frühgeburt oder kann die Mutter nicht stillen, fällt die Schutzwirkung entsprechend bescheidener aus«, sagte der Spezialist für Kinderkrankheiten. »Auch muss die Plazenta intakt sein – derartige spezielle Fragestellungen müssen Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.«

Die Entwicklung eines RSV-Impfstoffs war über mehrere Jahrzehnte ins Stocken geraten. Eine Tragödie in den 1960er Jahren hatte das gesamte Forschungsfeld zurückgeworfen: Nach dem Vorbild des ersten Polio-Impfstoffs stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen RSV-Impfstoff her, indem sie das Virus in einem Labor züchteten und es abtöteten. Tests an Kindern ergaben jedoch nicht nur, dass der Impfstoff nicht schützte, sondern dass es Kindern, die sich nach der Impfung mit RSV infizierten, noch schlechter ging, zwei starben.

Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission, wollte die Mitteilung von Pfizer auf Anfrage des SMC noch nicht umfassend kommentieren. Man müsse nun unbedingt möglichst rasch die gesamten Studiendaten sehen. »Dies ist eine generelle Anforderung der Transparenz an die Pharmafirmen, die auch zu Recht kritisch angemahnt wird«, sagte er.

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