Die Aktivität vieler Pflanzengene hängt direkt von der Außentemperatur ab. Grund hierfür sind Eiweiße im Zellkern der Gewächse, die bei Wärme Teile des Erbguts entrollen und so für Leseenzyme freigeben. Dieser bisher unbekannte Mechanismus könnte erstmals erklären, wieso viele Pflanzen in der Lage sind, auf Temperaturunterschiede von nur einem Grad zu reagieren und so unter anderem den Zeitpunkt ihrer Blüte zu regulieren.
Mutierte Schotenkresse blüht trotz Kälte | Exemplare der Schotenkresse, denen das Gen ARP6 fehlt (rechts), beginnen unabhängig von der Außentemperatur nach kurzer Zeit zu blühen. Die auch Acker-Schmalwand genannte Pflanze (lateinisch: Arabidopsis thaliana) ist aufgrund ihres kurzen und einfachen Erbguts ein beliebtes Versuchsobjekt für Genforscher.
Philip Wigge und Vinod Kumar vom John Innes Centre in Norwich haben entdeckt, dass Keimlinge der Schotenkresse (Arabidopsis thaliana) mit fehlerhaftem Gen ARP6 bereits bei deutlich geringeren Temperaturen blühen als normale Exemplare. Bereits zuvor war bekannt gewesen, dass dieses Gen am Aufbau des Histons H2A.Z mitwirkt – einem der Eiweiße, die im Zellkern DNA aufwickeln und ordnen. Wigge und Kumar zeigten, dass sich H2A.Z im Unterschied zu anderen Histonen mit steigender Temperatur leichter von der DNA trennt. Dadurch können sich DNA-Bereiche entrollen und sind dann zugänglicher für Leseenzyme, womit die Genaktivität steigt.
In weiteren Versuchen fanden die Forscher mehr als 5000 Gene der Schotenkresse, die bei Temperaturänderungen ihre Aktivität innerhalb weniger Stunden deutlich erhöhen oder senken. Bei Pflanzen mit dem Gendefekt blieben diese Reaktionen jedoch aus. Da H2A.Z in allen vielzelligen Lebensformen vorkommt, besäßen vermutlich auch die Gene vieler anderer Organismen eine solche direkte Temperaturfühligkeit, vermuten die Biologen. In einem ersten Versuch an Hefepilzen konnten Wigge und Kumar bereits einen ähnlichen Mechanismus nachweisen.
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