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Anpassungsfähigkeit: Pflanzen und Tiere verlieren an genetischer Vielfalt

Die genetische Diversität vieler Arten weltweit nimmt ab. Eine neue Studie macht das Ausmaß des Verlusts deutlich – und zeigt, was gegen den Schwund helfen könnte.
Fünf kleine Mäuse sitzen auf einem Weizenhalm in einem Feld mit unscharfem Hintergrund. Die Mäuse sind eng beieinander und scheinen aufmerksam ihre Umgebung zu beobachten. Der Weizenhalm biegt sich leicht unter ihrem Gewicht. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Natur und Gemeinschaft.
Landlebewesen wie diese Mäuse sind stärker vom Schwund der genetischen Vielfalt betroffen als Meereslebewesen.

Seit 1985 haben viele Arten weltweit an genetischer Vielfalt verloren. Das ergab die bisher umfangreichste Untersuchung der Genome von insgesamt 628 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Genetische Vielfalt ist die Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit von Lebewesen und ermöglicht ihnen zum Beispiel, mit veränderten Umweltbedingungen oder neuen Krankheiten klarzukommen. Zwei Drittel der untersuchten Spezies zeigten offenbar eine verringerte Diversität, etwa auf Grund der Einschränkung ihrer Lebensräume. Die Studie einer internationalen Forschungsgruppe um Catherine Grueber von der australischen University of Sydney ist in der Fachzeitschrift »Nature« erschienen. Die Wissenschaftler identifizierten auch Maßnahmen gegen diesen Schwund.

»Es ist unbestreitbar, dass die Artenvielfalt weltweit in einem noch nie da gewesenen Tempo abnimmt«, wird Grueber in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. Nun nahmen sie und ihr Team zusätzlich die genetische Diversität innerhalb von Arten in den Blick. Die Forschungsgruppe nutzte Daten von 882 Studien aus dem Zeitraum von 1985 bis 2019, um eine globale Übersicht zur genetischen Vielfalt von 628 Arten zu erstellen, darunter 84,7 Prozent Tiere, 13,4 Prozent Pflanzen und 1,9 Prozent Pilze. Den Ergebnissen zufolge sind Vögel am stärksten vom genetischen Verlust betroffen, gefolgt von Säugetieren. Landlebewesen sind stärker betroffen als Meereslebewesen, bei denen teilweise sogar eine Zunahme der genetischen Vielfalt beobachtet wurde.

Die Arten waren unabhängig davon betroffen, ob sie auf der Roten Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) standen oder nicht. »Zwei Drittel der analysierten Populationen sind Bedrohungen ausgesetzt, und von diesen Populationen erhielten weniger als die Hälfte irgendeine Art von Schutzmaßnahmen«, merkt Erstautorin Robyn Shaw von der australischen University of Canberra an.

Unter den Schutzmaßnahmen war der gesetzliche Schutz mit 23 Prozent am häufigsten, zeigte jedoch laut Studie wenig Wirkung. Die zweithäufigste Maßnahme bezeichnen die Forschenden als »Supplementierung«. Diese erfolgt etwa durch die Ergänzung einer Population mit Artgenossen aus einer anderen Population oder durch die Verbindung getrennter Naturräume, so dass sich Mitglieder verschiedener Populationen begegnen können.

Als Beispiele dafür nennen die Forschenden in der Mitteilung die Wiederansiedlung von Goldenen Kurznasenbeutlern in Westaustralien, die Freilassung von Polarfüchsen aus Zuchtprogrammen in Skandinavien und die Umsiedlung von Präriehühnern in bestehende Populationen in Nordamerika. Supplementierung »war die einzige Schutzmaßnahme, die mit einer signifikanten Zunahme der genetischen Vielfalt verbunden war, verglichen mit Fällen, in denen keine Maßnahmen gemeldet wurden«, heißt es in der Studie.

David Nogués-Bravo und Carsten Rahbek von der Universität Kopenhagen in Dänemark, die nicht selbst an der Studie beteiligt waren, betonen in einem ebenfalls in »Nature« veröffentlichten Kommentar, dass der Verlust genetischer Vielfalt nicht nur Arten betreffe, die selten oder gefährdet seien. Bisher hätten sich Biologen bei Schutzmaßnahmen vor allem auf kleine Populationen konzentriert. Die Kommentatoren befürworten die Maßnahme der Supplementierung, warnen aber zugleich: »Dieser Ansatz birgt auch das Risiko, Krankheiten oder fehlangepasste Gene einzuführen oder eine bestehende gesunde genetische Population zu stören.« (dpa/kmh)

  • Quellen
Nature 10.1038/s41586–024–08458-x, 2025

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