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Mukoviszidose: Phagentherapie rettet todkranke Patientin

Bislang führte die Bekämpfung von Bakterien durch Phagen in westlichen Industrieländern ein Schattendasein. Doch ein Fall aus London zeigt ihre potenzielle Kraft.
Bakteriophagen attackieren Bakterium

Bis vor wenigen Jahren starben die meisten Mukoviszidose-Patienten spätestens im Jugendalter. Dank der Fortschritte in der modernen Medizin – und in einigen Fällen durch Lungentransplantationen – haben die meisten Betroffenen heute eine Lebenserwartung von mindestens 40 oder 50 Jahren. Dennoch bleiben erhebliche Risiken, vor allem wenn Patienten auf ein Spenderorgan angewiesen sind, wie ein Fall aus London zeigt. Eine an Mukoviszidose erkrankte Jugendliche überlebte nach einer Transplantation bloß dank einer innovativen Therapie, wie Rebekah Dedrick von der University of Pittsburgh und ihr Team in »Nature Medicine« berichteten. Demnach überstand die junge Frau eine Infektion mit multiresistenten Bakterien nur dank eigens für sie entwickelter Phagen, welche die Keime letztlich erfolgreich bekämpften.

Das zu Beginn der Behandlung 15 Jahre alte Mädchen litt an Mukoviszidose und erhielt im Great Ormond Street Hospital in London eine neue Lunge, nachdem die Funktion ihrer eigenen Lunge auf ein Drittel der Normalwerte gesunken war. Diese Operation verlief erfolgreich, doch musste die Patientin anschließend Medikamente einnehmen, welche ihre Immunabwehr unterdrückten: Das soll verhindern, dass der Körper das fremde Organ abstößt. Allerdings wies die Jugendliche schon vor dem Eingriff chronische Infektionen mit resistenten Bakterien auf, welche letztlich auch die ursprüngliche Lunge zerstört hatten. Diese Keime konnten weder im Vorfeld noch nach der Operation bekämpft werden, weshalb es bald zu schweren Komplikationen kam.

Der Erreger Mycobacterium abscessus, der in verschmutztem Boden und Wasser vorkommt und das Lungengewebe befällt, breitete sich in ihrem Körper aus und sorgte unter anderem dafür, dass sich die Wundnähte und manche Knochen infizierten und entzündeten. Bei weiteren Untersuchungen entdeckten die Mediziner zudem einen Infektionsherd in der Leber, und im weiteren Verlauf entwickelten sich auch Abszesse auf der Haut, da Antibiotika nicht mehr anschlugen. Die Leber- und Lungenfunktion verschlechterte sich ebenfalls dramatisch. Die Überlebenswahrscheinlichkeit des Mädchens nahm rapide ab und wurde zeitweise von den Ärzten auf weniger als ein Prozent geschätzt. Auch auf Betreiben der Eltern, wie die an der Studie beteiligte Medizinerin Helen Spencer vom Londoner Krankenhaus gegenüber dem »Independent« erzählte, nahmen die Ärzte schließlich Kontakt zur Arbeitsgruppe von Dedrick in Pittsburgh auf, wo Phagen und ihr Einsatz in der Medizin erforscht werden. Die Universität verfügt weltweit über eine der größten Sammlungen an Viren, die Bakterien befallen – rund 15 000 unterschiedliche Stämme.

Tatsächlich infizierten drei der getesteten Phagen – genannt Muddy, ZoeJ und BPs – die Bakterien, doch nur Muddy zerstörte sie auch effektiv (der Bakteriophage wurde auf verrottenden Auberginen isoliert). Da die Wissenschaftler jedoch das Genom aller drei Phagen kannten, konnten sie das Erbgut von ZoeJ und BPs gentechnisch so verändern, dass auch diese Mycobacterium abscessus zusetzten. Normalerweise befallen die beiden Varianten nur die Bakterien und werden dann weitgehend inaktiv. Dedrick und Co entfernten das dafür verantwortliche Gen, so dass sich die beiden Phagen innerhalb der Zellen wiederholt vervielfältigten, bis die Bakterien platzten und die Viren wieder frei gaben.

Nach dem erfolgreichen Test in der Petrischale vermehrten die Forscher die Phagen im Labor und schickten sie nach London, wo sie der Patientin intravenös verabreicht wurden. Insgesamt erhielt sie über 32 Wochen zweimal täglich eine Dosis, wobei die Operationswunde zusätzlich beträufelt wurde. Nach vier Wochen hatten die Phagen die Infektion bereits erfolgreich zurückgedrängt: In der Leber waren die Keime nicht mehr nachweisbar. Später waren sie auch im Blut und dem Speichel verschwunden, allerdings haben sie in geringerer Zahl in den Knochen im Bereich der Operationswunde sowie in den Hautabszessen überdauert – wobei auch diese bis auf zwei Stellen abgeheilt sind. Der Phagencocktail soll daher noch um eine vierte Art erweitert werden. Mittlerweile führe die Patientin wieder ein fast normales Leben, so der »Independent«. Es ist weltweit der erste bekannte Fall, dass gentechnisch veränderte Phagen erfolgreich zur Behandlung einsetzt worden sind.

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