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Fluide: Physiker "verknoten" Wasser

"Verknotetes" Wasser

Über ein Jahrhundert nach den ersten theoretischen Überlegungen haben Physiker nun endlich herausgefunden, wie man Wasser zu Knoten schnüren kann – zumindest im Labor. Die Entdeckung ebnet nun wahrscheinlich den Weg, Drehungen und Wendungen verschiedenster Phänomene experimentell zu untersuchen – von ionisierten Gasen der äußeren Sonnenatmosphäre, supraleitenden Materialien, Flüssigkristallen und Quantenfeldern in der Teilchenphysik. Ursprünglich gehen diese "Wirbelringe" auf Lord Kelvin zurück, dessen Grundidee zur Entstehung der Knotentheorie als Teil der Topologie mit beitrug.

"Verknotetes" Wasser | Eine der ersten Schleifen, die den beiden Physikern bei ihren Verwirbelungen gelungen ist. Sichtbar machen konnten sie diese durch zahllose kleine Gasbläschen, die in die Flüssigkeit injiziert wurden.

Einen Knoten in einer Flüssigkeit zu schnüren, habe allerdings wenig mit dem Binden von Schuhbändern zu tun, sagen die beiden Physiker Dustin Kleckner und William Irvine von der University of Chicago, denen dies nun gelang. Das gesamte dreidimensionale Volumen einer Flüssigkeit in einem vorgegebenen Raum – etwa einem Wirbel – muss dazu verdreht werden. Mit Hilfe der Miniaturausgabe eines Flugzeugflügels – den sie mit einem 3-D-Drucker entwickelten – gelang dies Klockner und Irvine letztlich, und sie schufen einen verknoteten Wirbel. Dabei halfen ihnen Gesetzmäßigkeiten der Aerodynamik: Während eines Flugs erzeugen die Flügel eine rotierende, wirbelartige Bewegung der Luftströmung, die dem Flugzeug Auftrieb verleihen. Sobald ein stillstehender Flügel plötzlich beschleunigt – etwa beim Start – entstehen zwei Luftwirbel, die in entgegengesetzte Richtungen rotieren. Die Forscher tauchten daher ihre Miniflügel in einem Wasserbehälter unter und beschleunigten sie dort schlagartig, um auf diese Weise eine Knotenstruktur zu produzieren.

Verschiedene Tragflügel | Um die Wasserschleifen zu erzeugen, mussten die Physiker mit verschiedenen Tragflügeln experimentieren. Nur das Modell unten rechts erzeugte tatsächlich Knoten.

Eine technische Meisterleistung war jedoch nicht nur das Erzeugen der Wirbel, sondern ebenso ihr Bildnachweis. Normalerweise verwenden Physiker Farbstoffe, um die Bewegung von Flüssigkeiten nachvollziehen zu können. Kleckner und Irvine hingegen leiteten kleinste Gasbläschen ins Wasser, die wegen der auftretenden Auftriebskräfte direkt in den zentralen Knotenbereich gezogen wurden. Ein Hochgeschwindigkeits-Laserscanner, der 76 000 Aufnahmen pro Sekunden machen kann, ermöglichte es den Forschern, das dreidimensionale Gefüge der Bläschen zu rekonstruieren und so die Knoten sichtbar zu machen. "Es ist ein bemerkenswerter Erfolg für die beiden, dass sie diese Wirbelknoten ablichten konnten", bestätigt Mark Dennis von der University of Bristol, dem bereits verknotete Wirbel aus Lichtstrahlen gelungen sind. Diese neue Studie wandele endlich abstrakte Gedankengänge über physikalische Vorgänge in testfähige Experimente um, so der Wissenschaftler. "Verknotete Wirbel stellen ein ideales Modellsystem dar, mit dem man präzise untersuchen kann, wie sich Knoten in einer realen physikalischen Umgebung auch wieder aufschnüren", fügt Irvine an.

© Dustin Kleckner, William T. M. Irvine
3D-Ansicht eines Wasserwirbelknotens

Verknotete Wirbel tauchen in verschiedensten Teilbereichen der Physik auf. Teilchenphysiker beispielsweise vermuten, dass so genannte Glueballs – hypothetische Ansammlungen aus Gluonen – eng verknotete Quantenfelder sind. Vor Kurzem meldeten Wissenschaftler zudem, dass sie verwirbelnde Magnetfeldlinien auf der Sonne beobachtet hätten, die dazu beitragen, Hitze aus dem Inneren der Sonne in deren Korona zu übertragen. Dies könne erklären, warum das Plasma der Korona so viel heißer ist als die Sonnenoberfläche selbst, so Jonathan Cirtain vom Marshall Space Flight Center der NASA.

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