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Knollenblätterpilz: Potenzielles Gegenmittel für tödliches Pilzgift entdeckt

Der gefürchtete Knollenblätterpilz enthält eines der giftigsten Toxine der Natur: α-Amanitin. Doch womöglich gibt es dafür ein Gegenmittel, das bislang anderweitig eingesetzt wird.
Fruchtkörper von Grünen Knollenblätterpilzen auf einem Waldboden in Mecklenburg-Vorpommern
Knollenblätterpilze, auch bekannt als »death caps«, sind hochgiftige Pilze, die weltweit für die meisten tödlichen Pilzvergiftungen verantwortlich sind.

Er ist einer der giftigsten Pilze weltweit: der Knollenblätterpilz. Mehr als 90 Prozent aller Todesfälle, die auf eine Pilzvergiftung zurückzuführen sind, werden vom Verzehr eines Knollenblätterpilzes hervorgerufen. Der Pilz enthält eine der giftigsten Verbindungen in der Natur, das α-Amanitin. Sowohl die molekularen Mechanismen, wie das Toxin im Körper genau wirkt, als auch ein spezifisches Gegenmittel sind bislang nicht bekannt.

Forscherinnen und Forscher aus China haben jedoch herausgefunden, dass die Substanz Indocyaningrün die Toxizität von α-Amanitin in menschlichen Zelllinien und Mäusen reduzieren kann. Die im Mai 2023 in »Nature Communications« veröffentlichten Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Substanz ein potenzielles Gegenmittel sein könnte, um Knollenblätterpilzvergiftungen zu behandeln. Indocyaningrün ist ein wasserlöslicher Fluoreszenzfarbstoff, der seit Jahrzehnten als diagnostisches Mittel eingesetzt wird, um die Leberfunktion oder das Herzzeitvolumen bei Menschen zu messen.

Qiaoping Wang und seine Kolleginnen und Kollegen von der Sun Yat-sen University in Guangzhou stellten mit Hilfe der CRISPR-Cas9-Technologie fest, dass für die Toxizität von α-Amanitin das Protein STT3B erforderlich ist. Zudem fanden sie durch ein virtuelles Wirkstoffscreening heraus, dass dieses Protein durch die Substanz Indocyaningrün inhibiert wird und dadurch α-Amanitin nicht in die Zellen eindringen kann.

Daraufhin setzten sie sowohl menschliche Zelllinien als auch Mäuse dem Toxin α-Amanitin aus und behandelten anschließend mit verschiedenen Dosen von Indocyaningrün. Die Substanz sorgte dafür, dass die menschlichen HAP1- und HepG2-Zellen widerstandsfähiger gegen die Vergiftung waren als unbehandelte Zellen. Versuche in Mäusen zeigten, dass sich das Indocyaningrün in der Leber der Tiere konzentrierte und signifikant half, die Schädigung der Leber und Nieren zu reduzieren und somit die Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Nur etwa 50 Prozent der mit Indocyaningrün behandelten Mäuse starben an der α-Amanitin-Vergiftung, im Vergleich zu 90 Prozent derjenigen, die nicht behandelt wurden.

Weitere Forschungsarbeiten sind laut den Autoren und Autorinnen erforderlich, um die genauen Mechanismen zu verstehen, mit denen Indocyaningrün α-Amanitin hemmt. Zudem weisen sie darauf hin, dass die von ihnen angewendete Kombination von genomweitem CRISPR-Screening mit virtuellem Wirkstoffscreening dazu beitragen könnte, schnell neue Gegenmittel für andere menschliche Gifte zu finden.

Knollenblätterpilze kommen in weiten Teilen der Welt vor. Ihr Fruchtkörper setzt sich aus einem bis zu 15 Zentimeter hohen Stiel und einem gelbgrün bis olivfarbenen Hut zusammen. Wegen seines charakteristischen Huts und seiner Giftigkeit wird der Knollenblätterpilz auf Englisch »death cap« genannt. Werden Teile des Fruchtkörpers gegessen, treten die Symptome stark verzögert auf. Es dauert mehrere Stunden, bis sich die Anzeichen einer Vergiftung zeigen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Toxine schon weitestgehend absorbiert und die Organschädigungen haben begonnen. Die Symptome sind vielfältig und können Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall und allgemeines Unwohlsein umfassen. Im Verlauf der Vergiftung kann es einige Tage später zu Leber- und Nierenversagen kommen. Derzeit eingesetzte Maßnahmen gegen eine Vergiftung mit einem Knollenblätterpilz sind zunächst eine Magenspülung sowie die Gabe von Elektrolyten, Silibinin und Penicillin, um die Aufnahme der Toxine zu hemmen.

Verschiedene berühmte Persönlichkeiten sollen an einer Vergiftung durch Knollenblätterpilze gestorben sein, darunter der römische Kaiser Claudius, Papst Clemens VII. und Kaiser Karl VI. – womöglich wurde manchen von ihnen der giftige Pilz bewusst ins Essen gemischt.

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