Plagiate und Plagiatsjäger: Katz-und-Maus-Spiel um die Redlichkeit

Regelmäßig überschatten in Deutschland Vorwürfe, dass Personen des öffentlichen Lebens bei ihren Doktorarbeiten plagiiert hätten, prominente Karrieren – oder beenden sie gar. Die Namen der Bundesminister zu Guttenberg und Schavan sind ebenso untrennbar damit verbunden wie zuletzt die Debatte um ungeklärte Vorwürfe gegen eine Kandidatin für ein Richterinnenamt am Bundesverfassungsgericht. Die davon Betroffene, die Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Potsdam, dementiert wissenschaftliches Fehlverhalten kategorisch und wehrt sich juristisch.
Kaum je machen Hochschulen solche Fälle von sich aus publik. Diese Rolle haben sogenannte »Plagiatsjäger« übernommen, die teils auch kommerzielle Services rund um Plagiate, KI-Einsatz und Titelbetrug anbieten. Nicht selten tauchen Vorwürfe dann auf, wenn jemand für ein neues Amt kandidiert oder ohnehin in der Öffentlichkeit steht – was nahelegt, dass bei manchen die Motive über das Eintreten für korrektes Zitieren und wissenschaftliche Redlichkeit hinausgehen.
Plagiatsvorwürfe als politisches Instrument
So veröffentlichte der Plagiatsgutachter, der die Vorwürfe gegen Brosius-Gersdorf in Umlauf gebracht hat, auf seiner Webseite parallel scharfe inhaltliche Kritik an der Juraprofessorin: Sie wolle in Deutschland »eine linkstotalitäre Gesundheitspolitik und eine linkstotalitäre Jurisprudenz schaffen«. Die Kritiker der Kandidatin in der Bundestagsfraktion von CDU/CSU warteten nicht bis zum Abschluss einer Untersuchung der Universität Hamburg, an der Brosius-Gersdorf promoviert hat, sie setzten die rufschädigenden Plagiatsvorwürfe ungeprüft gegen sie ein – am Ende mit Erfolg, denn die Juristin verzichtete auf die Ernennung.
Die Plagiatsexpertin Debora Weber-Wulff, die bis zu ihrer Emeritierung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin tätig war und zum Kreis der ehrenamtlichen Plagiatssucher namens »VroniPlag Wiki« gehört, warnt inzwischen davor, Plagiatssuche als »Kampfmittel in politischen Auseinandersetzungen« einzusetzen, wie sie Anfang August 2025 dem Deutschlandfunk sagte. Das sei problematisch und werde bei »VroniPlag Wiki« anders gehandhabt: »Es geht um Wissenschaft, nicht Politik«, sagte Weber-Wulff und fügte hinzu: »Wenn ein Plagiat oder ein anderes wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, ist es egal, ob die Person berühmt ist oder nicht.«
»In keinem anderen Land geht es in der Politik so häufig um Plagiate wie in Deutschland«André Greiner-Petter, Informatiker
Eine Volte der Diskussion um Brosius-Gersdorf ist, dass sich eine der schärfsten Kritikerinnen der Juristin, eine CDU-Bundestagsabgeordnete, nun ebenfalls Plagiatsvorwürfen ausgesetzt sieht und ihre Universität eine »Vorprüfung« eingeleitet hat. »In keinem anderen Land geht es in der Politik so häufig um Plagiate wie in Deutschland«, sagt der Informatiker André Greiner-Petter von der Universität Göttingen, der an neuen Verfahren zur Erkennung von Plagiaten arbeitet.
Zumindest eines haben die vielen öffentlichen Debatten bewirkt: Unter dem Eindruck zahlreicher prominenter Fälle haben viele Hochschulen in Deutschland ihre Regeln für gutes wissenschaftliches Arbeiten konkretisiert – und verschärft. Zudem werden Kurse angeboten, wie sich Plagiate vermeiden lassen.
»Das Thema ist in den Köpfen der Studierenden präsent«, sagt Uta Scheer von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen, die dort eine Beratung für korrektes wissenschaftliches Schreiben anbietet. Viele hätten die Sorge, ungewollt zu plagiieren, indem sie zufällig den gleichen Wortlaut verwendeten wie in einer ihnen gänzlich unbekannten Quelle.
Die Meinungen, ob Plagiate insgesamt zu- oder abnehmen, gehen auseinander. Martin Nissen, Abteilungsleiter Informationsdienste an der Universitätsbibliothek Heidelberg, sagt, dass »von umfangreichen ungekennzeichneten Übernahmen fremder Texte heute weniger stark auszugehen sei als noch vor zehn Jahren«. Die Universität Heidelberg habe – wie viele andere Hochschulen in Deutschland – Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten standardisiert, und biete Kurse, Beratungen und begleitende Onlineangebote zum Thema Plagiatsvermeidung an. Andere Experten glauben, dass vor allem Programme wie ChatGPT eine Flut von Plagiaten heraufbeschwören.
Unklare Datenlage
Doch Zahlen, wie viele Plagiatsfälle insgesamt im deutschen Wissenschaftssystem aufgespürt wurden und wie viele Doktortitel aberkannt wurden, sind nicht vorhanden. Deshalb ist auch völlig unklar, ob der Trend nach oben oder unten weist. Universitäten und Verlage gehen mit den meisten Fällen nicht transparent um. »Es wird oft versucht, das Ganze unter den Teppich zu kehren, weil man Angst vor einem Rufschaden hat«, kritisiert André Greiner-Petter.
Klar ist aber, dass es um weit mehr Fälle geht als die Promotionen Einzelner, zumal von Politikern. Allein »VroniPlag Wiki« reklamiert für sich, bisher 219 Fälle aufgedeckt zu haben. Zum Vergleich: 2023 erhielten in Deutschland mehr als 26 000 Menschen den Doktortitel, mehr als 160 000 einen Master – und damit einen Boost für ihre Karrieren und ihr Renommee. Wissenschaftler an Hochschulen und außeruniversitären Instituten publizieren mehr als 150 000 Fachartikel in Journalen und Büchern, mit denen sie sich dann um neue Forschungsmittel bewerben können.
»Wenn ein Plagiat oder ein anderes wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, ist es egal, ob die Person berühmt ist oder nicht«Debora Weber-Wulff, Plagiatsexpertin
Zwar sagen Beobachter wie Karlo Meyer, Ombudsmann für gutes wissenschaftliches Arbeiten an der Universität des Saarlands, man könne davon ausgehen, »dass die ganz überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sorgfältig gearbeitet hat, derzeitig sorgfältig arbeitet und sorgfältig arbeiten wird«. Doch in einem System mit hohem Zeit- und Leistungsdruck ist die Versuchung groß, sich mit fremden Federn zu schmücken und damit erhebliche Vorteile zu erschleichen – auch wenn das verboten und moralisch verwerflich ist. Wissenschaftlicher Erfolg wird unter anderem an der Zahl der Publikationen gemessen, der akademische Betrieb selbst belohnt nicht nur Qualität, sondern auch Quantität, was Fehlverhalten begünstigt.
Wer als Forschender oder Studierender in die Plagiatsberatung von Uta Scheer an der Universität Göttingen geht, kann kein zugedrücktes Auge erwarten: Sich die intellektuelle Arbeit eines anderen anzueignen und als seine eigene auszugeben, führe »zur Korruption des wissenschaftlichen Diskurses«, urteilt sie und zitiert auch gegenüber Studierenden und Forschern gerne den US-amerikanischen Philosophen Michael Dougherty von der Ohio Dominican University, der vor »umfassenden und tiefgreifenden Schäden« für die plagiierten Autoren und die Wissenschaft als Ganzes warnt.
Die am leichtesten detektierbaren Fälle, bei denen Autoren ganze Textteile ohne Nennung der Quelle wortwörtlich abschreiben oder sie am Computer mit »Copy and Paste« ins eigene Werk hieven, stammen mehrheitlich aus der Zeit vor dem Internet oder aus der Frühphase digitaler Werkzeuge. Zu diesen eher primitiven Methoden zählt Weber-Wulff, auch »Shake and Paste«. Dabei würden aus verschiedenen Quellen Abschnitte genommen, gut gemischt und dann scheinbar wahllos hintereinander zusammengefügt – »in der Hoffnung, alles erfasst zu haben und nicht aufzufallen«. Das könne bis zur »Halbsatzflickerei« gehen, schrieb Weber-Wulff schon 2006 gemeinsam mit einer Kollegin in der Zeitschrift »Information Wissenschaft & Praxis«.
Schwerer zu erkennen, aber nicht minder problematisch, sei die Strukturübernahme: »Der Plagiator hält sich an die Reihenfolge von Argumenten oder Gedanken, die ein anderer Autor verwendet hat, aber gibt sie in eigenen Worten wieder.« Vorsatz ist Weber-Wulff zufolge nicht nötig – auch unabsichtliches oder versehentliches Abschreiben sei ein Plagiat.
Im Fokus von Gutachtern
Um einfach gestrickte Plagiate zu entdecken, reicht oft das geschulte Auge eines Gutachters oder Prüfers. Die Suche gilt bei manuellen Überprüfungen »abweichenden Niveaus, stilistischen Brüchen, Formatierungswechseln oder den Prüfern bekannten Inhalten aus der Literatur ohne Kennzeichnung als Zitat«, sagt Monika Oertner vom Institut für professionelles Schreiben der Hochschule Konstanz. Als Hilfsmittel hinzugekommen sind Softwareangebote wie Turnitin, mit denen man die Suche nach Übereinstimmungen automatisieren und Überlappungen farblich markiert darstellen lassen kann. Einige Programme zeigen ihren Nutzern gar einen »Plagiats-Score« an.
Als beweisfester »Plagiatsdetektor« taugen diese Softwareangebote aber nicht, warnen Expertinnen und Experten: »Prozentangaben von Übereinstimmungen sind nicht aussagekräftig«, mahnt Martin Nissen von der Universität Heidelberg. Jede von einer Software markierte Übereinstimmung müsse im jeweiligen Kontext fachlich vor dem Hintergrund der jeweiligen Anforderung und Prüfungssituation bewertet werden.
Plagiatssoftware markiere hauptsächlich Stellen, die in der Buchstabenanordnung mit anderen Quellen übereinstimmen, sagt Monika Oertner von der Hochschule Konstanz. Die meisten dieser Markierungen seien aber »nicht zu beanstanden«, da es sich um übliche Sprachbausteine, feststehende wissenschaftssprachliche Formulierungen, Fachtermini, juristischen Wortlaut, Eigennamen, Titel oder gekennzeichnete Zitate handle. Man müsse immer genau hinschauen.
Vor allem aber müsse man sich bewusst sein, dass die bisher praktizierte Form der Plagiatsdetektion »heute ein Anachronismus ist, auch wenn dies den meisten Akteuren noch nicht bewusst ist«. Denn mit Sprachmodellen wie ChatGPT haben Übeltäter ein mächtiges Werkzeug bei der am schwierigsten detektierbaren Form des Plagiats an die Hand bekommen: dem Paraphrasieren.
Faulheit, mangelnde Sorgfalt oder Ideenklau?
Mittels Umschreibungen und alternativen Formulierungen könnten vor allem die Plagiatoren »innerhalb der Wissenschaft ihre wissenschaftssprachlichen Fähigkeiten häufig gezielt dazu nutzen, geistiges Eigentum zu stehlen, ohne dabei wortwörtlich abzuschreiben«, warnt Uta Scheer von der Universität Göttingen. Sie halte es mit dem US-amerikanischen Philosophen Garrett Pendergraft von der Pepperdine University, der »Copy and Paste« in der Regel als Ergebnis von Faulheit oder mangelnder Sorgfalt einstufe, aber Ideendiebstahl mittels Strukturübernahmen und Paraphrasieren deutlich schwerwiegender finde: »Im besten Fall ist es ein Mangel an Dankbarkeit, im schlimmsten Fall egoistisch und böswillig«, schrieb Pendergraft in einem Fachartikel.
In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftsbetrüger, die auf Paraphrasieren setzen, mächtige Werkzeuge für ihre Übeltaten an die Hand bekommen: sogenannte große Sprachmodelle (Large Language Models oder kurz LLMs, umgangssprachlich verkürzt oft als »KI« bezeichnet). Auch ChatGPT basiert auf so einem LLM. Wer mit böser Absicht Text von der KI generieren lässt und als eigene wissenschaftliche Arbeit ausgibt, begeht nicht nur eine Täuschung, sondern läuft zudem noch erhebliche Gefahr, ein erkennbares Plagiat zu erzeugen. Denn ChatGPT bedient sich selbst aus einem riesigen Fundus von Texten, die die Betreiberfirma meist ohne Wissen und Zustimmung der Autoren zusammengerafft haben dürfte.
Mit den KI-Programmen kann man aber Letzteres vermeiden, indem man das viel schwerer detektierbare Paraphrasieren perfektioniert. »Wenn ich mich hinsetze und einen ganzen Artikel aufwändig quasi per Hand paraphrasiere, hätte ich ihn wahrscheinlich auch selbst schreiben können, ohne Risiko, mich zu blamieren«, sagt der Informatiker und Mathematiker André Greiner-Petter, »aber mit Sprachmodellen wie ChatGPT sinkt dieser Zeitaufwand gegen null, man kann jetzt quasi professionell verschleiern, dass man nicht der wirkliche Urheber ist.«
Monika Oertner von der Hochschule Konstanz kann demonstrieren, wie man in wenigen Schritten gängige Plagiatsdetektoren überlistet. Eine direkte Übernahme von Zitaten erkennt das Programm, das ihre Hochschule nutzt, sofort. Speist man denselben Text aber in ein Sprachmodell wie ChatGPT mit dem Prompt ein, das Programm solle ihn »unter Beibehaltung der Fachbegriffe und der Quellenangaben« paraphrasieren und »vor allem den Satzbau und das übrige Vokabular« ändern, schlägt der Plagiatsdetektor anschließend nicht mehr an.
Weiter perfektionieren kann man das Vergehen, indem man ChatGPT aufträgt, sich »noch weiter vom bisherigen Aufbau zu entfernen« und »einige stilistische Unbeholfenheiten und Schreibfehler« einzufügen – mit dem Ziel, der geschleckten KI-Sprache einen menschlicheren Touch zu geben. Der Ähnlichkeits-Score kann so auf »0%« gedrückt werden. Paradoxerweise könne man gerade die Plagiatssoftware dafür nutzen, zu testen, ob der Betrug gelinge, so Monika Oertner. Andere Forscher kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
»Wissenschaftlichem und akademischem Betrug ist mit technischen Mitteln nicht mehr beizukommen«Monika Oertner, Schreibberaterin
Oertners harte Schlussfolgerung: »Wissenschaftlichem und akademischem Betrug ist mit technischen Mitteln nicht mehr beizukommen.« Wer KI-gestützt plagiiere, lerne dabei nichts und trage nichts zum Erkenntnisfortschritt der Menschheit bei, könne aber kaum noch überführt werden. »Ein Appell an die Redlichkeit und Verantwortlichkeit der Akteure ist alles, was den Hochschulen bleibt«, folgert sie.
Andere wollen sich damit nicht abfinden. Die Firma Turnitin, Anbieter der am weitesten verbreiteten Plagiate-Erkennungssoftware, möchte der Entwertung seines Produkts entgegenwirken. Das Unternehmen hat im Frühjahr ein Zusatzprodukt namens »Clarity« auf den Markt gebracht. Es handelt sich um ein Schreibprogramm (»a one-stop composition space«), auf das Studierende und ihre Dozenten gemeinsam Zugriff haben, und das jeden einzelnen Schritt beim Entstehen einer Arbeit dokumentiert, ob nun Text per Copy and Paste eingefügt wird, KI-Text generiert wird oder ein Fachbegriff mit einem anderen paraphrasiert wird.
Schritt halten mit neuen Betrugsmethoden
»Wir bringen Transparenz in den akademischen Schreibprozess«, versprechen die Entwickler. Die Vision: Künftig entstehen wissenschaftliche Arbeiten so, dass Betreuer jederzeit jeden Prozessschritt sehen und verdächtiges Verhalten angezeigt bekommen. Umgekehrt sollen Studierende zum Beispiel den Vorteil haben, KIs innerhalb der von der Hochschule gesetzten Regeln auch anwenden zu können. »Es ist wichtig, dass wir mit LLMs und neuen Methoden des Fehlverhaltens Schritt halten, damit Lehrende die Arbeit und den Fortschritt der Studierenden fair bewerten können«, sagt Annie Chechitelli, Chief Product Officer bei Turnitin.
Uta Scheer von der Universität Göttingen sieht das Wissenschaftssystem als Ganzes in der Pflicht, effektivere Mittel gegen wissenschaftliches Fehlverhalten zu schaffen. Sie verweist auf die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI), eine zentrale Instanz, die eigenständig Plagiatsvorwürfen nachgeht. »Eine institutionelle und zentralisierte Anlaufstelle zur Plagiatsprüfung wäre von Vorteil, denn sie wäre dazu in der Lage, systematisch die Korruption wissenschaftlicher Diskurse und Forschungsleistungen aufzudecken«, sagt Scheer.
In Deutschland gibt es derzeit nur sehr allgemein gehaltene Vorgaben wie die 2019 verabschiedeten »Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis« der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oder die »Mustersatzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens« der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Sonst sind Plagiate interne Angelegenheiten von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen.
Die Idee, zentrale Instanzen zu schaffen, stößt jedoch auch auf Widerspruch: »Ich sehe nicht, dass das übergreifend leistbar ist, zumal die sich stetig verändernden KI-Möglichkeiten immer neue Prüfformate erfordern«, sagt Karlo Meyer, Ombudsmann für wissenschaftliche Integrität der Universität des Saarlandes. »Angesichts von Tausenden von Prüfungsleistungen pro Jahr und Bildungseinrichtung ist ein zentralisierter Prüfprozess nicht geeignet«, ergänzt Martin Nissen von der Universität Heidelberg.
Debora Weber-Wulff von »VroniPlag Wiki« fordert als Minimum, dass aufgespürte Plagiate und entzogene Doktortitel künftig allgemein öffentlich gemacht werden, zum Beispiel in einem Register. »Wenn etwas schiefgeht, müssen wir das transparent machen«, sagte sie im Deutschlandfunk. Wissenschaftler müssten »genau wissen, können wir uns auf diese Forschung verlassen oder nicht«.
Damit, dass die Wissenschaft vor immer geschickteren Plagiaten kapitulieren muss, will sich auch der Informatiker und Mathematiker André Greiner-Petter nicht abfinden. Der Wissenschaftler von der Universität Göttingen arbeitet gerade mit einem DFG-Stipendium in Japan an einem hochsensiblen Projekt: Er möchte für die Forschung ein Textkorpus mit möglichst perfekten, künstlich erzeugten Plagiaten schaffen, an dem sich dann Experten die Zähne ausbeißen und ihre Techniken zur Detektion verbessern können.
»Es wird oft versucht, das Ganze unter den Teppich zu kehren, weil man Angst vor einem Rufschaden hat«André Greiner-Petter, Informatiker
»Es gibt bisher einen gravierenden Mangel an plagiierten Texten für die Forschung, weil Hochschulen und Verlage sie meist still und heimlich verschwinden lassen«, sagt Greiner-Petter. Sein Textkorpus solle in einer Art digitalem Hochsicherheitstrakt lagern und nur ausgewählten Wissenschaftlern als Ressource zur Verfügung stehen, »um beim Katz-und-Maus-Spiel zwischen Plagiieren und Detektieren die Nase vorne zu haben«.
Mittelfristig hält der Wissenschaftler es aber für nötig, das Problem tiefer, an seinen Wurzeln zu packen. Statt sich allein auf Textähnlichkeiten und KI-Elemente zu konzentrieren, sollten Plagiatsdetektoren die Substanz von Publikationen überprüfen. »Erstrebenswert sind Systeme, die erkennen, ob eine Doktorarbeit oder eine Fachpublikation etwas Neues zum Wissensstand der Menschheit hinzufügt oder nicht – die wissenschaftliche Leistung vom Nachplappern zu trennen, das sollte die eigentliche Messlatte sein.« Das sieht auch Uta Scheer von der Universität Göttingen so: »Es wird zunehmend klar, dass sich die Plagiatsdetektion von der reinen Textähnlichkeitsprüfung hin zur Überprüfung des Ursprungs und des Verständnisses von Ideen verlagern muss.«
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