Himmelskörper: Wie viele Planeten gibt es im Sonnensystem?

Als ich ein Kind war, gab es neun Planeten.
Jetzt wissen wir von Tausenden! Aber das schließt auch Exoplaneten ein: fremde Welten, die fremde Sonnen umkreisen. Nur acht Planeten sind in unserem Sonnensystem zu Hause. Es könnten aber auch neun sein, wenn diejenigen Astronomen Recht haben, die von einem noch unentdeckten großen Körper hinter Neptun ausgehen. Wenn Sie allerdings nostalgisch sind (und noch dazu ein bisschen gegen das Establishment), gibt es jetzt immer noch neun. Um alle gleich zu behandeln, müssten Sie dann aber alle so genannten Zwergplaneten mitzählen, und in diesem Fall könnten auf einmal Tausende unsere Sonne umkreisen.
Planeten sind verwirrend. Oder vielleicht ist es nur unsere Art, über sie nachzudenken.
Obwohl die Frage »Was ist ein Planet?« einfach zu beantworten scheint, ist sie alles andere als das.
Man könnte sich an der alten Bedeutung des Wortes orientieren. Planetes bedeutet im Altgriechischen »Wanderer« und bezieht sich darauf, dass sich solche Lichtpunkte am Himmel – Planeten wie die Erde also – relativ zu den Sternen im Hintergrund bewegen. Diese Bedeutung würde aber auch die Sonne und den Mond einschließen, von denen die meisten Menschen behaupten würden, dass sie eigentlich keine Planeten sind. Sie würde auch Kometen und Asteroiden einschließen – und da müssen wir einsehen, dass diese Definition zu weit gefasst ist.
Vielleicht ist eine modernere Sichtweise angebrachter. Aber auch diese birgt Probleme.
In den frühen 2000er Jahren war der Begriff »Planet« nicht sonderlich umstritten. Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto beanspruchten alle diese Bezeichnung für sich. Doch dann mussten ein paar lästige Astronomen die Dinge auf den Kopf stellen und entdeckten Sedna, Quaoar und Eris. Dabei handelt es sich um Eis- und Gesteinskörper, die die Sonne weit hinter Neptun und Pluto umkreisen, und sie sind groß: jeder von ihnen ist mehr als 1000 Kilometer breit. Mit einer Breite von mehr als 2300 Kilometer sollte Eris sogar größer als Pluto sein und noch mehr Masse haben. Sind das also auch Planeten?
Als die Existenz von Eris im Jahr 2005 bekannt gegeben wurde, bezeichnete ihn einer seiner Entdecker, der Astronom Mike Brown, in begleitenden Pressematerialien der NASA sogar als »zehnten Planeten«. Damals glaubte man, er sei etwas größer als Pluto – und wenn wir Pluto einen Planeten nannten, dann verdiente auch Eris den Planetenstatus. Selbst, als bessere Beobachtungen ergaben, dass Eris doch etwas kleiner als Pluto ist, blieb die Frage: Wie viele Planeten gibt es in unserem Sonnensystem?
Die wachsende Verwirrung führte dazu, dass die Internationale Astronomische Union (IAU) – eine weltweite Vereinigung von Astronominnen und Astronomen, die offiziell für die kosmische Nomenklatur zuständig ist – einen Untersuchungsausschuss bildete, um mögliche Definitionen für das Wort einzubringen. Es wurden mehrere Vorschläge unterbreitet, von denen die meisten auf die eine oder andere Weise unbefriedigend waren. Unter ihnen war zum Beispiel ein Vorschlag, die Ceres, den größten Asteroiden im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, als Planeten betrachtet hätte. Ceres ist jedoch kleiner als das, was sich die meisten Menschen unter einem Planeten vorstellen würden. Viele Planetenforscher betrachten die Ceres heute als Protoplaneten. Diese bezeichnen große Objekte, die in der Frühzeit des Sonnensystems beinahe Planetengröße erreicht hätten, denen dann aber das Material zum Wachsen gefehlt hatte.
Schließlich einigte sich die IAU im Jahr 2006 auf eine dreiteilige Definition: Ein Planet umkreist die Sonne, ist ausreichend massereich, um sich durch die Schwerkraft in eine runde Form zu bringen, und hat »die Umgebung um seine Flugbahn herum geleert«. Letzteres bedeutet, dass er dort der gravitativ dominierende Körper ist. (Dieser Ausdruck sorgte anfangs tatsächlich für einige Verwirrung, da er so interpretiert werden könnte, dass der Planet in seiner Umlaufbahn über alle anderen Körpern hinwegfegen kann, was aber unmöglich ist.) Wenn ein Himmelskörper die ersten beiden Bedingungen erfüllt, aber nicht die dritte, wird er als »Zwergplanet« bezeichnet.
Das bedeutet, dass auch Pluto dieses Namensschicksal trifft: Er zählt nicht zu den Großplaneten wie Merkur oder die Erde, sondern gilt als Zwergplanet. Einigen Astronomen gefiel diese Definition wegen Plutos vermindertem Status nicht – und natürlich ärgern sich auch heute noch viele Mitglieder der Öffentlichkeit lautstark über Plutos Degradierung.
Im Laufe der Jahre sind andere Definitionen vorgeschlagen worden, manche besser, andere schlechter. Eine davon schien meiner Meinung nach sogar rückwärts definiert worden zu sein, nur um Pluto miteinzubeziehen. Um es ganz offen zu sagen, sind unter anderem solche Rückwärtsdefinitionen der Grund dafür, dass wir heute von acht Planeten in unserem Sonnensystem sprechen – auch wenn sich an dieser Anzahl nach wie vor die Geister scheiden. Aber wenn man sagen will, dass Pluto ein Planet ist, dann sollte mindestens auch Eris einer sein und wenn man diesen Präzedenzfall geschaffen hat, wird man auch viele andere Zwergplaneten einzubeziehen müssen. Ohne eine feste Untergrenze für Größe oder Masse sind wir zu der Feststellung gezwungen, dass das Sonnensystem Hunderte von Planeten hat – vielleicht sogar Tausende. Himmelsobjekte müssen mindestens 400 Kilometer groß sein, um sich durch Eigengravitation zu vervollständigen, und jenseits des Neptuns, wo die Dunkelheit noch unerforscht ist, gibt es eine ganze Menge Platz für viele solcher Körper.
Nun, es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, warum wir nicht Tausende von Planeten im Sonnensystem haben können, aber kulturelle Erwägungen sind ein anderes Thema. Ein Übermaß an Planeten würde den Begriff selbst verwässern, weshalb sich die meisten Weltraumwissenschaftler auf acht oder neun Planeten festlegen.
Oder sollte es »neun oder zehn« heißen? Astronomen gehen dieser Idee gerade nach. Viele kleinere Objekte im äußeren Sonnensystem scheinen mysteriös verlaufende Bahnen zu haben; die einfachste Erklärung ist, dass ihre Bewegungen von einem anderen, noch nicht entdeckten großen Körper beeinflusst werden, der ein Vielfaches der Masse der Erde hat und in einer Entfernung von mehr als 30 Milliarden Kilometer um die Sonne kreist. Die Position dieses vorübergehend (und mit einem Augenzwinkern) als »Planet Neun« bezeichneten Himmelskörpers ist unklar. Verschiedene Teams von Astronomen schlagen unterschiedliche Verstecke für Planet Neun vor. Das Aufkommen von großen Durchmusterungsteleskopen wie dem Vera C. Rubin Observatory wird dabei helfen, die Suche erheblich auf ein Gebiet einzuschränken oder sogar den angeblichen Planeten zu finden. Sollte er entdeckt werden, bleibt es Ihnen überlassen, ob Sie ihn als den neunten, zehnten oder 1000sten Planeten zählen wollen.
Aber seien Sie vorsichtig, bevor Sie sich eine Meinung bilden. Ich behaupte, dass der Hauptgrund, warum wir so lange um eine Definition des Begriffs »Planet« gerungen haben, ist, dass er schlichtweg nicht definierbar ist. Wie Brown in seinem im Jahr 2010 erschienenen Buch »How I Killed Pluto and Why It Had It Coming« schreibt, ist »Planet« eher ein Konzept; mehr eine Verallgemeinerung als eine Definition. Da hat er recht. Es gibt keine festen Grenzen, die wir um den Begriff »Planet« ziehen können, um ihn zu definieren und von anderen Objekten zu unterscheiden. Ob ganz oder teilweise durch Masse, Größe, Form, Umlaufbahn oder scheinbar jede andere denkbare Eigenschaft bestimmt – die Kriterien für das Planetendasein erscheinen unausweichlich willkürlich.
Diese Schlüpfrigkeit von Begriffen ist ein allgemeines Thema in den Naturwissenschaften: Definitionen sind eine menschliche Einbildung, kein Naturereignis. Schauen Sie sich Farben an: Wir haben Definitionen für die Wellenlängengrenze zwischen Orange und Rot. Diese Grenze wurde aber gewählt und nicht beobachtet. Blaues und rotes Licht sind zwei verschiedene Arten derselben Sache, nur mit unterschiedlichen Wellenlängen. Und alle Farben dazwischen liegen buchstäblich auf einem Spektrum; eine geht nahtlos in die nächste über, ohne dass man sie scharf voneinander abgrenzen könnte.
Es ist nicht schwer, viele weitere Beispiele zu finden: Geschlecht, Gender, politische Zugehörigkeit, Spezies und mehr. Alle diese Begriffe befinden sich auf einem Spektrum. Die Unterschiede zwischen den entgegengesetzten Enden eines Spektrums sind offensichtlich und verleiten dazu, aus dem Spektrum binäre Kategorien zu machen. Aber wenn man zwei Beispiele vergleicht, die auf dem Spektrum nahe beieinander liegen, sind Unterschiede zwischen ihnen viel schwieriger herauszuarbeiten. Wo soll man also die Grenze ziehen?
Wir Menschen stecken die Dinge gern in eindeutige Kategorien, aber die Natur ist im Allgemeinen nicht so wählerisch. Das anzuerkennen, kann das Leben sehr viel einfacher machen und uns helfen, das Universum – und uns selbst – besser zu verstehen.

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