Plattentektonik: Wie Kräfte aus dem Erdinneren Madagaskars Artenvielfalt förderten

Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten Madagaskars kommen nur auf der Insel im Indischen Ozean vor und nirgendwo sonst auf der Erde: Das Land gilt nicht umsonst als einer der Hotspots globaler Artenvielfalt. Die Geotektonik hat einen guten Teil dazu beigetragen, dass hier einzigartige Spezies überdauert oder sich entwickelt haben, zeigt eine Arbeit von Romano Clementucci von der ETH Zürich: Mindestens zweimal wurden die Großlandschaften der Insel durch die Plattentektonik entscheidend umgestaltet.
Madagaskar wurde durch zwei starke Riftbildungsphasen zu einer Insel, die in einem Abstand von 80 Millionen Jahren zueinander stattfanden. Zuerst trennte sich die Region vor 170 Millionen Jahren von Afrika, als die Straße von Mosambik aufriss, während sich der Südkontinent Gondwana langsam in seine heutigen Bestandteile aufspaltete. Dabei entstand im Westen ein mächtiger Riftabbruch, während das Land nach Osten hin leicht abfiel: ein tektonisch geneigtes Hochplateau, durchzogen von Flüssen, die Richtung Indischer Ozean entwässerten. Zusammen mit dem heutigen Indien bewegte sich dieser Block kontinentaler Kruste langsam nach Osten und Nordosten.
90 Millionen Jahre später folgte dann die zweite Riftbildungsphase: dieses Mal an der Ostseite, wo sich Inden und die Seychellen abspalteten. Dadurch kippte die Hauptlandmasse Madagaskars ein zweites Mal – nun allerdings nach Westen, was gewaltige Folgen an Land hatte. Flüsse änderten ihre Fließrichtung, die Hauptwasserscheide, die ost- und westwärts entwässernde Einzugsgebiete trennt, wanderte über die Insel hinweg. Ganze Flusssysteme wurden umorganisiert, Täler fielen trocken und neue wurden durch Erosion geschaffen.
Über die lange Zeit hinweg verwitterte die westliche Randstufe zu einer sanft gewellten Landschaften aus alten Hügeln und Plateaus. Im geologisch erst in jüngerer Zeit betroffenen Osten entstand eine steile Randstufe, an der sich feuchte Luftmassen vom Indischen Ozean her stauen, sodass sich ein feuchter, immergrüner Regenwald entwickeln konnte. Durch die Erosion wandert sie langsam landeinwärts. Im trockeneren Westen hingegen wachsen Trockenwälder und Savannen.
Auf Madagaskar überdauerten viele Arten, die in Afrika oder Indien von moderneren Vertretern ihrer Familien abgelöst wurden: Über 90 Prozent aller Säugetiere und Reptilien Madagaskars und mehr als 80 Prozent seiner Pflanzen gelten als endemisch. Doch neben der langen Zeit und der Isolation sorgten die massiven geologischen Veränderungen auf der Insel selbst für zunehmende Biodiversität: Steile Grate oder neu sich bildende Flusstäler können Populationen von Pflanzen und Tieren voneinander trennen, weshalb sie sich in der Folge zu jeweils eigenständigen Spezies fortentwickeln können – Prozesse, die man heute noch aus den südamerikanischen Anden oder dem Amazonasbecken kennt.
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