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Plattentektonik: Unter Vorderasien reißt eine alte Platte ab

Kurdistan ist nicht nur politisch bewegtes Gelände, sondern auch tektonisch: Gewaltige Kräfte aus dem Erdinnern wirken hier. Überreste eines alten Ozeans spielen dabei eine große Rolle.
Weite Landschaft mit sanften Hügeln und grünen Wiesen im Vordergrund, die zu einer schroffen Bergkette im Hintergrund führen. Der Himmel ist milchig-blau mit wenigen Wolken. Die Szene vermittelt Ruhe und natürliche Schönheit.
Das Zagros-Gebirge und im Vordergrund Sedimente, die sich im Laufe der Jahrmillionen in der Senke am Fuße des Gebirges abgelagert haben.

Immer wieder erschüttern schwere Erdbeben den Südosten der Türkei und angrenzende Regionen im Irak, Iran und Syrien – zuletzt im Februar 2023, als mehrere zehntausend Menschen in der Türkei und Syrien starben. Ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Erdplatten ist für diese Katastrophen ebenso verantwortlich wie für die zahlreichen Gebirgszüge, die Vorderasien in Teilen kennzeichnen. Diesem Mosaik geotektonischer Einflüsse fügen Geologen um Renas Koshnaw von der Georg-August-Universität Göttingen ein weiteres Steinchen hinzu: Unterhalb des Zagros-Gebirges hängt nach ihren Erkenntnissen noch ein Teil eines alten, ozeanischen Plattenstücks fest. Es zieht mit seinem Gewicht die darüber liegende Erdkruste nach unten und reißt langsam von West nach Ost ab.

Einst bildete dieses Anhängsel den Boden des Neotethys-Ozeans, der den arabischen Kontinent vor 60 Millionen Jahren von Eurasien trennte. Ausgelöst durch die Wanderung Afrikas nach Norden, bewegte sich Arabien Richtung Eurasien. Dabei schrumpfte dieses Meer, wobei die ozeanische Kruste unter den leichteren Kontinent in den Erdmantel hinabtauchte. Außerdem entstand dabei das Zagros-Gebirge, als bei der Kollision von Arabien und Eurasien Teile des Ozeans zusammen mit den kontinentalen Rändern der beiden Platten aufgefaltet wurden. Südlich davon schließen sich riesige Ebenen und Schwemmländer an, darunter Mesopotamien. Auch sie sind ein Produkt des Gebirges: sein Gewicht dellte die Erdoberfläche in der Umgebung ein. Enorme Mengen Sedimente füllten die tiefen Senken auf und ließen die flachen Ebenen entstehen.

Koshnaws Team allerdings stellte fest, dass die Senken zu tief sind. Das Gewicht des relativ niedrigen Zagros-Gebirges dürfte nicht ausgereicht haben, um im Vorland eine bis zu vier Kilometer tiefe Senke zu erzeugen: So mächtig ist hier das Sedimentpaket, das sich während der letzten 15 Millionen Jahre angesammelt hatte. Stattdessen kommt nach den Modellierungen der Arbeitsgruppe die wegen der ozeanischen Kruste schwere Neothetys-Platte ins Spiel. Sie hängt wie ein Klotz an der Arabischen Platte und zieht sie nach unten, was die Senke vertieft.

Weiter westlich, in der Türke, verringert sich die Senke hingegen; das Sedimentpaket ist flacher. Das deute an, dass die ozeanische Platte in diesem Bereich bereits abgerissen sei und ihre Zugkraft nachgelassen habe, sagt Koshnaw: »Der Riss scheint sich von der Türkei in Richtung Irak auszubreiten, ähnlich wie wenn ein Blatt vom Kalender abgerissen wird.«

  • Quellen
Solid Earth 10.5194/se-15–1365–2024, 2024

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