Direkt zum Inhalt

Menschenarten: Prominente Nase machte Neandertaler leistungsfähig

Die Gesichtspartie des Neandertalers ist, verglichen mit unserer, merkwürdig anders. Sie musste es auch sein, meinen Forscher nun - damit unser Verwandter in der Eiszeit leistungsfähig genug war.
Neandertalernase

Über die Unterschiede und anatomischen Besonderheiten der beiden Schwesterarten Homo sapiens und Homo neanderthalensis ist viel geforscht worden, letzte und allerletzte Details sind aber längst noch nicht erschöpfend beleuchtet. Das betrifft etwa die Nasenpartie der beiden Arten, an der sich nun ein Forscherstreit zu entzünden droht: Warum nur hatte der Neandertaler einen so großen, der moderne Mensch aber einen eher kleinen Zinken? Die Sache schien im Spätherbst 2017 schon entschieden, als Forscher ermittelt hatten, dass Neandertalernasen wohl vor allem besonders gut vor Kälte geschützt haben. Eine neue, in den »Proceedings of the Royal Society B« publizierte Studie streut an dieser engen Auslegung jetzt aber wieder Zweifel.

Die Forscher um Stephen Wroe von der University of New England bemängelten vor allem, dass man die Neandertalernasenanatomie in früheren Untersuchungen nicht mit allen möglichen zur Verfügung stehenden technischen Methoden durchleuchtet habe. So sei etwa unterblieben, die Leistungsfähigkeit der Nasen und Atemorgane mit Methoden der vergleichenden numerischen Strömungsmechanik zu analysieren und so gegenüber verschiedenen Wirbeltieren oder etwa dem Homo erectus einzuordnen. Dies holten Wroe und Co nun nach – und kommen zu dem Schluss, dass die Atemorgane der Neandertaler vor allem einen deutlich umfassenderen Sauerstofftransport gewährleistet haben als bei anderen Menschenspezies. Das habe am Ende wohl eine höhere physiologische Belastung möglich gemacht.

Notwendig dafür war die typische Gestaltung der gesamten vorderen Gesichtspartie, die bei Neandertalern deutlich vorspringt. Dies kommt sonst bei manchen Primaten und Menschenvorfahren vor, die auf harte Nahrung spezialisiert sind, bei der sie vor allem mit den vorderen Schneidezähnen kräftig zubeißen müssen. Gerade die Schneidezähne sind bei Neandertalern tatsächlich oft stärker abgenutzt. Trotzdem war die Beißkraft des Neandertalers nach den neuen Untersuchungen kaum stärker ausgeprägt als bei uns, so Wroe und Kollegen. Insgesamt war die Anatomie aber darauf ausgelegt, in warmen wie kalten Gegenden viel Luft in die Lungen zu befördern – was die Vertreter der alten Menschspezies wohl auch nötig hatten: Berechnungen zufolge benötigten sie zwischen 3360 bis 4480 Kilokalorien täglich, um unter den Bedingungen des europäischen Eiszeitwinters zu überleben. Diese Kalorienzufuhr konnten sie sicherlich nur durch ständige Anstrengung hereinholen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.