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News: Proteinplanspiele

Ihr räumlicher Aufbau ist entscheidend für die Funktion der Proteine. Um das Geheimnis zu lüften, wie aus einem eindimensionalen Faden eine funktionsfähige dreidimensionale Struktur entsteht, haben Wissenschaftler den Faltungsprozess eines Proteins am Computer simuliert. Dabei konnten sie die Faltung auch optimieren: Das am Rechner neu kreierte Protein schlug sein natürliches Vorbild um Klassen.
Eigentlich sind Proteine ziemlich langweilig. Sie bestehen schlicht aus zwanzig verschiedenen Bausteinen – den Aminosäuren –, die wie die Perlen einer Kette hintereinander aufgereiht sind. Dennoch wäre das Leben ohne sie nicht denkbar, leisten sie doch vielseitige Dienste als Strukturproteine, Transportmoleküle oder zur Signalübertragung. Ihren wichtigsten Beitrag vollbringen sie, indem sie als Biokatalysatoren oder Enzyme biochemische Reaktionen beschleunigen und damit den Stoffwechsel des Körpers erst ermöglichen.

Das Geheimnis ihrer Vielseitigkeit liegt in ihrem räumlichen Aufbau, der so genannten Konformation, denn erst die spezifische Konformation ermöglicht, dass beispielsweise ein bestimmtes Enzym auf ein – und nur ein – Substrat wie der Schlüssel zum Schloss passt. Die Information über den räumlichen Aufbau ist bereits in der Reihenfolge der Aminosäuren verschlüsselt, denn bestimmte Aminosäuren können über Wasserstoffbrücken an andere binden und so die Faltung vorgeben. Dabei bildet die Aminosäuresequenz eine Richtung; der Proteinfaden hat also ein "Vorder-" und ein "Hinterende". Wie aus dem eindimensionalen Faden eine dreidimensionale Struktur entsteht, ist bisher jedoch nur ansatzweise verstanden.

Sehat Nauli, Brian Kuhlman und David Baker vom Howard Hughes Medical Institute wollten diese Proteinfaltung näher ergründen. Als Studienobjekt suchten sie sich das Protein G des Bakteriums Streptococcus aus. Es besteht aus zwei symmetrischen haarnadelförmigen Regionen, die an das schraubenförmig gedrehte Mittelstück angrenzen.

Wie die Wissenschaftler herausfanden, bilden sich die beiden Haarnadeln unter natürlichen Bedingungen nacheinander. Dabei faltet sich jedoch erst Haarnadel Nummer zwei und erst dann Haarnadel Nummer eins. Diese "umgekehrte" Reihenfolge verzögert den kompletten Ablauf der Faltung; schneller würde es gehen, wenn sich das Protein in der Reihenfolge faltet, in der sich die Aminosäuren aneinander reihen.

Die Wissenschaftler verließen daraufhin ihr Labor und setzten sich an den Computer. Hier spielten sie alle Variationsmöglichkeiten der verschiedenen Aminosäuresequenzen durch und berechneten die jeweilige Energie der Faltung. Ihre Simulation zeigte, dass der Austausch von elf Aminosäuren genügt, um den Faltungsprozess deutlich zu optimieren.

Zurück im Labor, musste die Simulation jetzt zeigen, was sie in der Natur taugt. Hierfür produzierten die Forscher ein Gen für ihr neu-kreiertes Protein, das sie in ein Bakterium einbauten. Das Bakterium schuf daraufhin das Protein, sodass seine Faltungskinetik studiert werden konnte.

"Als wir dieses neugestaltete Protein charakterisierten, war unsere erste Überraschung, dass es fast zweimal so stabil wie das Wildtyp-Protein war", beschreibt Baker das Ergebnis. "Die zweite, genauso verblüffende Überraschung kam, als wir entdeckten, dass es sich einhundertmal schneller faltete als das natürliche Protein." Normalerweise können Mutationen die Geschwindigkeit der Faltung nur geringfügig erhöhen.

Diese "Turbofaltung" war nur durch eine Änderung des Faltungsprozesses möglich. "Zu unserer Freude entdeckten wir, dass der Faltungsmechanismus komplett vertauscht war", erzählt Baker. "Die erste Haarnadel des neugestalteten Proteins faltete sich zuerst und die zweite Haarnadel zuletzt." Damit konnte das künstlich hergestellte Protein sein natürliches Vorbild in der Faltungskinetik schlagen.

Und wozu dienen diese Computerplanspiele der Proteinfaltung? Zunächst träumt Baker davon, durch die Neugestaltung von Proteinen neue Medikamente herstellen zu können oder krankhaft veränderte Proteine zu "reparieren". Doch seine Träume gehen noch weiter: "Eine fundamentale Frage – und damit der Heilige Gral der Proteingestaltung – ist, ob wir lebensfähige Proteinstrukturen entdecken, welche die Evolution schlicht vergessen hat."

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