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Verhaltensökonomie: Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman ist gestorben

Der Psychologe Daniel Kahneman hat 2002 als erster Nichtökonom den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Seine Experimente gemeinsam mit Amos Tversky zeigten, warum Menschen nicht immer rational entscheiden.
Porträtbild von Daniel Kahneman vor einem Bücherregal
Undatiertes Bild von Daniel Kahneman an der Princeton University. Der Universität zufolge ist er am 27. März 2024 gestorben.

Der israelisch-amerikanische Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Daniel Kahneman, ist nach Angaben der Princeton University am 27. März 2024 gestorben. Er wurde 90 Jahre alt. Für seine Experimente in der Verhaltensökonomie erhielt er 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften – als erster Nichtökonom. In der Begründung der Akademie hieß es damals, Kahneman habe »Einsichten aus der psychologischen Forschung in die wirtschaftswissenschaftliche Analyse integriert«. Steven Pinker, selbst ein einflussreicher Psychologe, nannte Kahneman »den wichtigsten Psychologen unserer Zeit«.

Kahneman wurde 1934 in Tel Aviv geboren und wuchs in Paris auf. Er studierte in den 1950er Jahren Psychologie und Mathematik an der Hebräischen Universität in Jerusalem und promovierte 1961 an der University of California in Berkeley. Später lehrte und forschte er in Israel, Kanada und den USA.

In den 1960er Jahren beschäftigte er sich zunächst vor allem mit Wahrnehmungspsychologie und körperlichen Reaktionen bei kognitiven Aufgaben. In den 1970er Jahren begann er mit jener Forschung, für die er heute berühmt ist. Gemeinsam mit dem Psychologen Amos Tversky untersuchte er ökonomische Entscheidungen psychologisch und begründete damit eine neue Disziplin, die Verhaltensökonomie.

Hauptwerk des Duos Kahneman & Tversky ist die Prospect Theory (Deutsch: neue Erwartungstheorie). Sie beschreibt, wie der Mensch zwischen Alternativen entscheidet, deren Risiken und Wahrscheinlichkeiten bekannt sind. Wie die beiden Psychologen in Experimenten zeigten, wägen Menschen dabei nicht immer rational Kosten und Nutzen ab, sondern folgen »Heuristiken«, das heißt automatischen Denkprozessen, die mit einfachen Regeln arbeiten. Dabei kann es zu Urteilsverzerrungen und -fehlern kommen. Ein bekanntes Beispiel ist die Verlustaversion: Ein drohender Verlust wiegt bei Entscheidungen häufig schwerer als die Chance, denselben Wert zu gewinnen. Zu weiteren bekannten Urteilsfehlern zählt der Anker-Effekt – der Einfluss von willkürlich gewählten Zahlen zum Beispiel bei Preisverhandlungen. Und das eskalierende Commitment angesichts verlorener Kosten: Dabei handelt es sich um die Tendenz, in eine Sache, in die man bereits viel investiert hat, noch mehr zu investieren.

Die alte Idee vom rational und wirtschaftlich denkenden Menschen, dem Homo oeconomicus, hatten die beiden damit widerlegt. Wie Kahneman in seiner Nobelpreisrede schildert, machen sie für irrationale Entscheidungen die menschliche Intuition verantwortlich: jene Gedanken und Vorlieben, die uns schnell und ohne jede Überlegung in den Kopf schießen. Auch wenn dahinter durchaus praktische Urteilsheuristiken stecken, führen sie manchmal in die Irre. Wir können unserer Intuition nicht immer vertrauen, so die Schlussfolgerung.

Im ersten Satz seiner Nobelpreisrede erinnert Kahneman daran, dass das gewürdigte Werk gemeinsam mit Amos Tversky entstand, der schon 1996 verstarb. Ihm hat er auch seinen 2011 veröffentlichten Bestseller gewidmet, »Thinking, Fast and Slow«, auf Deutsch: »Schnelles Denken, langsames Denken« (dazu ein Google Talk von ihm und ein Auszug in Gehirn&Geist). In der Einleitung zu seinem Buch schreibt er: »Die zentralen Ideen gehen auf jenen glücklichen Tag des Jahres 1969 zurück, an dem ich einen Kollegen bat, als Gastredner in einem Seminar zu sprechen, das ich am Fachbereich Psychologie der Hebräischen Universität von Jerusalem hielt« – Amos Tversky. In den vergangenen Jahren war Kahneman mit Barbara Tversky liiert, ebenfalls emeritierte Psychologieprofessorin an der Stanford University und zuvor verheiratet mit Amos Tversky.

(dpa/Spektrum.de)

Ein Auszug aus seinem letzten Buch von 2021 erschien in Gehirn&Geist: »Noise: Was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können«

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