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Quantenphysik: Funktionsfähiger Quantencomputer aus einem einzigen Teilchen

Bereits ein einzelnes Ion kann die volle Komplexität von Molekülen auffangen, die mit Licht wechselwirken. Damit könnten Quantencomputer schon deutlich früher als gedacht nützliche Berechnungen liefern.
Eine leuchtende, blaue Kugel aus zahlreichen kleinen Partikeln schwebt in der Mitte eines schwarzen Hintergrunds. Die Partikel formen eine wellenartige, kreisförmige Struktur um einen zentralen, hellen Lichtpunkt. Die Anordnung erinnert an eine abstrakte Darstellung eines Energiefeldes oder einer Galaxie. Die Partikel scheinen sich dynamisch zu bewegen und erzeugen einen Eindruck von Tiefe und Bewegung.
Wie viel Information lässt sich in einem einzelnen Teilchen codieren?

Forschende der University of Sydney haben erstmals in einer vollständigen Quantensimulationen berechnet, wie bestimmte Moleküle auf Licht reagieren – und zwar mit Hilfe eines einzigen Teilchens. Dieser minimalistische Ansatz könnte den Weg zum so genannten Quantenvorteil drastisch verkürzen, so die Quantenphysiker. Der Quantenvorteil ist dann erreicht, wenn Quantencomputer Berechnungen durchführen können, die jenseits der Möglichkeiten gewöhnlicher Computer liegen. Dazu gehören beispielsweise Vorhersagen zum Verhalten von Chemikalien oder Materialien.

»Der Hauptvorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass er unglaublich hardwareeffizient ist«, sagt Ting Rei Tan, der das beschriebene Experiment erfolgreich umsetzte. Wie er mit seinem Team zeigte, kann ein einziges Teilchen Informationen codieren, die normalerweise über ein Dutzend Qubits – die quantenmechanischen Recheneinheiten eines Quantencomputers – verteilt sind. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden nun in der Fachzeitschrift »Journal of the American Chemical Society«.

Bisher habe noch kein Quantencomputer die Komplexität der Energieniveaus von Molekülen auf diesem Niveau simuliert, sagt der Computerchemiker Alán Aspuru-Guzik von der University von Toronto, der nicht an der Studie beteiligt war. »Das ist eine Meisterleistung, die in die Geschichtsbücher eingehen wird.«

Moleküle nach Maß entwerfen

Tan und seine Kollegen simulierten das Verhalten von drei organischen Molekülen – einem Allen, einem Butatrien und einem Pyrazin –, wenn diese von einem Lichtteilchen, einem Photon, getroffen werden. Das löst eine Kaskade von Ereignissen aus, die beeinflusst, wie sich die Atome des jeweiligen Moleküls zueinander bewegen – sie schwingen wie durch Federn verbundene Kugeln – und wie ihre Elektronen in angeregte Zustände springen. Das Verständnis der genauen Abfolge dieser Ereignisse kann Chemikern helfen, Moleküle zu entwerfen, die die Energie des Lichts auf möglichst effiziente Weise kanalisieren, zum Beispiel in Sonnenkollektoren oder in Sonnencreme.

Die Forschenden um Tan fanden einen Weg, all diese Parameter in einem einzelnen Ytterbiumion zu codieren, das sie mit elektrischen Feldern in einem Vakuum fingen. Die Anregungen der Elektronen des Moleküls entsprachen dabei ähnlichen Anregungen in einem der Elektronen des Ions, und die Schwingungen des Moleküls wurden durch das Wackeln des Ions in seiner Falle in verschiedene Richtungen dargestellt. Das Team stieß das Ion zudem mit Laserpulsen an, um die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Zuständen zu steuern. Dadurch wurde das Ion gezwungen, sich mit der Zeit zu verändern. Insgesamt konnte es so nachahmen, wie sich die entsprechenden Moleküle verhalten, nachdem sie von einem Photon getroffen wurden.

Um den Zustand der virtuellen Moleküle abzulesen, haben die Fachleute die Wahrscheinlichkeit bestimmt, mit der sich das Elektron des Ions über die Zeit in einem angeregten Zustand befindet. Die Ergebnisse stimmten mit dem überein, was über diese drei Moleküle bekannt war. Allene, Butatrien und Pyrazin sind einfach genug, um mit gewöhnlichen Computern untersucht zu werden. Aber diese Modelle stoßen an ihre Grenzen, wenn sie 20 oder mehr Schwingungsmoden abbilden müssen – was bei der Untersuchung komplexerer Moleküle nötig ist.

Die Simulation von Molekülen und Materialien wird oft als eine der vielversprechendsten Anwendungen für Quantencomputer beschrieben. Allerdings ging die Fachwelt bisher davon aus, dass die neuartigen Geräte erst dann brauchbare Ergebnisse liefern werden, wenn sie mit Millionen von Qubits betrieben werden – ein Ziel, von dem man noch weit entfernt ist. Doch Tan und seine Mitarbeitenden sagen voraus, dass ein Quantencomputer mit ihrem Ansatz bereits mit nur ein paar Dutzend Ionen nützliche Simulationen durchführen könnte.

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  • Quellen
Journal of the American Chemical Society 10.1021/jacs.5c03336, 2025

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