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Quantenvorteil: D-Waves Quantenannealer schlägt Supercomputer – oder doch nicht?

Immer wieder behaupten Firmen, einen Quantenvorteil erreicht zu haben. Doch immer wieder ziehen klassische Rechner kurz danach gleich. Nun verkündet D-Wave einen Durchbruch. Was ist dran?
Eine abstrakte Darstellung von Datenströmen in Form von bunten, leuchtenden Punkten, die wellenförmig über den Bildschirm verlaufen. Die Punkte symbolisieren digitale Informationen und sind in verschiedenen Farben wie Blau, Pink und Grün dargestellt. Im Hintergrund sind unscharfe Zahlen und Zeichen zu erkennen, die auf Datenanalysen oder digitale Kommunikation hinweisen. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Technologie und Innovation.
Das System von D-Wave ist kein universeller, gatterbasierter Quantencomputer. Ein Quantenannealer ist insbesondere zur Lösung von Optimierungsproblemen konzipiert.

Lange bevor IBM und Google die ersten kommerziell erhältlichen Quantenprozessoren auf den Markt brachten, machte eine kanadische Firma von sich reden. Bereits im Jahr 2011 verkaufte das Unternehmen D-Wave-Systems einen Computer mit nach eigenen Angaben 128 Qubits an Lockheed Martin. Der Chip ist allerdings kein universeller Quantencomputer, der jegliche Quantenalgorithmen ausführen kann, wie den Shor-Algorithmus zur Primfaktorzerlegung. Stattdessen handelt es sich um einen Quantenannealer, konzipiert insbesondere zur Lösung von Optimierungsproblemen. In der Materialforschung, auf dem Finanzmarkt oder beim maschinellen Lernen kann ein solches System nützlich sein.

Nun hat ein Forschungsteam des Unternehmens um Erstautor Andrew King im Fachmagazin »Science« verkündet, es habe erstmals ein wissenschaftlich relevantes Problem mit dem Quantenannealer akkurater und schneller gelöst, als es mit einem klassischen Supercomputer möglich gewesen wäre. Die Arbeit knüpft an ein Experiment an, das bereits im Jahr 2023 in der Fachzeitschrift »Nature« erschienen ist. Unabhängige Experten bewerten die Studie zwar einerseits als »hochspannend und ambitioniert«, mahnen aber zur Vorsicht, direkt von einem Durchbruch oder gar einem »Quantenvorteil« zu sprechen.

Bereits Anfang der 1980er Jahre schlug der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman vor, sich nicht damit abzumühen, die Natur mit einem klassischen Computer präzise zu modellieren, sondern stattdessen einen Computer zu verwenden, der selbst aus Quantenteilchen besteht. Der Grund: Das exponentielle Wachstum der möglichen Zustände, die in die Berechnungen einfließen müssten, bringt selbst die leistungsfähigsten Supercomputer an ihre Grenzen. Mit seiner Vision gilt Feynman als geistiger Vater des Quantencomputers. Wie ein solcher aussehen könnte, wird seitdem weltweit erforscht und erprobt. Doch bislang hat noch keine Maschine die versprochene Revolution im Computerwesen einleiten können. Der Grund ist, dass die Quantengeräte extrem empfindlich sind. Kleinste Störungen können die quantenmechanischen Recheneinheiten, die Qubits, beeinflussen und eine Berechnung verfälschen.

Wettlauf zwischen Quantencomputer und Superrechner bleibt ausgeglichen

Ein Quantenannealer, wie ihn D-Wave entwickelt und baut, ist zwar kein vollwertiger Quantenrechner, aber eben doch ein Quantensimulator, der Modellsysteme aus der Festkörperphysik sehr genau nachstellen kann. Die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie simulierten auf ihrer supraleitenden Annealing-Architektur mit 64 Qubits ein Problem aus der Nichtgleichgewichtsphysik. Dabei handelt es sich um ein so genanntes Ising-Modell mit transversalem Feld. Dieses theoretische Modell wird in der Physik genutzt, um Zustände von und Interaktionen zwischen Teilchen – in diesem Fall den Qubits – zu beschreiben.

Laut Rahul Trivedi vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching ist »die Demonstration in diesem Paper definitiv ein zeitgemäßes und technologisch interessantes Experiment, aber ob sie tatsächlich eine ›new range of applications‹ eröffnet, bleibt abzuwarten«. Es sei unter anderem unklar, ob sich die aus dem sehr spezifischen Experiment gezogenen Schlussfolgerungen außerhalb des Modells gut verallgemeinern ließen. Jens Eisert, Professor für theoretische Physik an der Freien Universität Berlin und Experte für Quanten-Vielteilchentheorie, hält das Rennen zwischen Quanten- und klassischen Rechnern für gesund, gut und wichtig – man solle sich dabei jedoch möglichst von Aussagen fernhalten, die allzu laut und vorschnell Quantenvorteile propagieren. »Es wurden in der Zwischenzeit bereits klassische Algorithmen von anderen Autoren vorgeschlagen, die einmal mit Tensornetzwerken und einmal mit variationellen Monte-Carlo-Methoden arbeiten und die Situation ebenso gut beschreiben.« Das zeige, dass solche Experimente sowohl Quantenarchitekturen wie auch klassische Simulationen voranbringen.

Insgesamt demonstriert also auch diese Arbeit, dass der Wettlauf zwischen klassischen Computern und Quantencomputern noch eine Weile einem Kopf-an-Kopf-Rennen gleichen wird. Kaum scheinen die Quanten die Nase vorn zu haben, ziehen die klassischen Algorithmen wieder nach. Die meisten Quantenforscher sind sich indessen einig, dass ein zu großer Hype und zu riskante Versprechungen dem gesamten Feld eher schaden als nützen. »Eine ruhige Methodenentwicklung wird wichtig sein, um diese grundlegenden Probleme zu praktisch relevanten Modellsystemen weiterzutreiben«, sagt Eisert. Am Ende geht es also vor allem auch um eine besonnene Quanten-Hype-Kontrolle. Denn wenn die Erwartungen an Quantencomputer unrealistisch werden, hat am Ende niemand etwas davon.

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  • Quellen
King, A.D. et al.: Beyond-classical computation in quantum simulation. Science, 2025

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