Quantencomputer: Haben alternative Qubits noch eine Chance?

Oft entsteht der Eindruck, das Rennen um die besten Recheneinheiten für einen zukünftigen Quantencomputer sei entschieden. Große Tech-Firmen wie IBM und Google setzen auf supraleitende Schaltkreise, und auch das Nobelpreiskomitee zeichnete im Jahr 2025 entscheidende Vorarbeiten zu dieser Technologie aus. Doch die Forschungsgemeinschaft ist sich keineswegs einig, ob das bereits der Heilige Gral der Quantentechnologie ist. Mindestens ebenbürtig sind noch zwei weitere Ansätze, wie sich diese Recheneinheiten, sogenannte Qubits, realisieren lassen: Ionenfallen-Qubits und Qubits aus neutralen Atomen. An vielen anderen Kandidaten wird geforscht. Eine Forschungsgruppe des australischen Unternehmens Silicon Quantum Computing hat einen völlig neuen Typ entwickelt, den sie nun in der Fachzeitschrift »Nature« vorstellt: Spin-Defekt-Qubits.
Diese Technologie beruht darauf, gezielt Fremdatome in die Struktur bestimmter Materialien einzubringen. Konkret implantierten die Forscher für ihre Qubits einzelne Phosphoratome in ein Siliziumbauteil. Diese sind in zwei Einheiten, also Register, aufgeteilt: eine besteht aus vier, die andere aus fünf Phosphoratomen. Innerhalb jedes Registers sind die Atome über jeweils ein gemeinsames Elektron miteinander gekoppelt. Für leistungsfähige Quantencomputer werden allerdings deutlich größere Register benötigt, die zudem fehlerkorrigiert sind.
Die Phosphoratome selbst dienen dabei als Daten-Qubits, in denen die Quantenzustände gespeichert werden. Das Elektron übernimmt die Rolle eines sogenannten Ancilla-Qubits. Vereinfacht gesagt unterstützt es die Kommunikation zwischen den einzelnen Qubits und überträgt die Messergebnisse nach außen. Ein großer Vorteil dieser Qubit-Bauweise: Die Quantenprozessoren basieren auf Silizium und könnten sich daher gut mit herkömmlicher Elektronik kombinieren lassen. Zudem ist das Verhalten der Qubits über vergleichsweise lange Zeiträume stabil und gut vorhersagbar.
Alle Quantencomputer sind mpfindlich und fehleranfällig
Allerdings sind Qubits – egal welcher Bauart – grundsätzlich sehr empfindlich gegenüber Störungen aus ihrer Umgebung. Sie präzise zu kontrollieren und Rechenfehler zu korrigieren, ist eine große technische Herausforderung. Rechenoperationen können deshalb oft nur in kurzen Zeitfenstern stattfinden, in denen die Qubits ihren Quantenzustand aufrechterhalten. Wie lange dieses Zeitfenster ist, hängt von der jeweiligen technischen Umsetzung ab und wird als Kohärenzzeit bezeichnet. In der vorgestellten Studie erreichte das Team von Silicon Quantum Computing Kohärenzzeiten von mehreren Millisekunden. Das gilt unter Fachleuten als vielversprechend.
Guido Burkard, Professor für Quanteninformation an der Universität Konstanz, bezeichnet die aktuelle Arbeit gegenüber dem »Science Media Center« als »Meilenstein in der Erforschung und Weiterentwicklung von Quantencomputern auf Basis von Silizium«. Es sei wichtig und »richtig, verschiedene Optionen und mögliche Plattformen zu untersuchen, bis sich eine herausragende Technologie herausbildet«. Man dürfe nicht vergessen, dass es auch mehr als 50 Jahre gedauert habe, bis aus klobigen Desktop-PCs die heutigen schlanken Smartphones hervorgegangen sind.
Aber können neuartige Qubits die derzeit führenden überhaupt noch überholen? Hendrik Bluhm, Professor für Quantentechnologie an der RWTH Aachen, hält dies für »nicht unwahrscheinlich«. Insbesondere halbleiterbasierte Plattformen hätten diverse Vorteile. Er sei selbst Anhänger einer Silizium-basierten Nachzügler-Plattform. Bislang habe jedoch noch für keine der bekannten Plattformen ein klarer und konsensfähiger Weg aufgezeigt werden können, wie Millionen von Qubits hergestellt, verbunden und kontrolliert werden sollen. »Einige Gruppen mussten auf den ersten Metern große Hürden überwinden, kommen aber nun in leichtgängiges Terrain. Andere kamen zu Beginn schnell voran, finden sich aber nun vor einer Steilklippe wieder«, beschreibt Bluhm die derzeitige Situation bildhaft. Daher sei das Anfangstempo des Fortschritts keine gute Vorhersage für den Erfolg. »In dieser Analogie hat die Wissenschaft den größten Einfluss, wenn sie [gemeinsam] einen Weg durch die steilsten Klippen findet.«
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