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Quantencomputer: Was ist dran am Quantenaktien-Hype?

Die Aktien der börsennotierten Quanten-Unternehmen reagieren extrem sensibel auf Durchbrüche und Rückschläge. Sind sie so fragil wie die Zustände der Qubits, die sie entwickeln?
Ein futuristischer Serverraum mit mehreren Reihen von schwarzen Server-Racks, die auf beiden Seiten eines glänzenden Korridors angeordnet sind. Über dem Bild schwebt eine transparente, wellenförmige Grafik mit gelben Knotenpunkten und Zahlen, die Datenvisualisierung und Analyse darstellen. Die Atmosphäre ist technologisch und modern, was auf die Bedeutung von Datenverarbeitung und -analyse hinweist.
Bislang verfügt noch kein Unternehmen über einen ausgereifte Quantencomputer. Das macht es so schwer, Quantenaktien richtig zu bewerten.

Anfang Januar 2025 rüttelte Jensen Huang, Chef des Tech-Giganten Nvidia, die Börse auf. Dieses Mal aber sorgte er nicht für steigende Zahlen bei seiner eigenen Firma, sondern ließ Wertpapiere einer anderen Branche abrauschen. Er könne sich nicht vorstellen, dass Quantencomputer in den nächsten zwei Jahrzehnten wirklich nützlich werden, äußerte er. Und schon stürzten die Aktienkurse der Unternehmen IonQ, Quantum Computing Inc., Rigetti und D-Wave ab. Auch wenn sich die Kurse seitdem teilweise wieder erholt haben, zeigt das, wie sensibel der Markt auf derartige Aussagen reagiert.

Das Ereignis war der Gipfel eines steten Auf und Ab der börsennotierten Quanten-Unternehmen in den vergangenen Jahren. Ende 2024 erreichten die Aktien Rekordhöhen, nachdem Google bekannt gegeben hatte, einen Meilenstein bei der Quantenfehlerkorrektur erreicht zu haben – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem nützlichen Quantencomputer. Solche Geräte könnten eines Tages Berechnungen ermöglichen, die selbst für die besten Supercomputer außer Reichweite sind.

Sind die Werte der Aktien dieser Unternehmen so empfindlich wie die Quantenzustände der Qubits, die sie entwickeln? Oder erweisen sich die enormen Wertschwankungen, die sich durch wissenschaftliche Durchbrüche oder Rückschläge ergeben, gerechtfertigt?

Optimismus oder übertriebener Hype?

Die Analysen des Unternehmens Global Quantum Intelligence (GQI), deren Mitarbeiter den Quantenmarkt beobachten, bilden dies nicht ab. »Obwohl die Quantentechnologien im Jahr 2024 stetig Fortschritte gemacht haben und dies auch im Jahr 2025 und darüber hinaus tun werden, sind wir der Meinung, dass der Aktienmarkt auf all diese Ankündigungen überreagiert hat«, sagt der Informatiker Doug Finke von GQI. »Die Branche hat sich stetig weiterentwickelt, und es herrscht großer Optimismus«, sagt auch die Physikerin Maria Schuld, die für das Quantencomputer-Start-up Xanadu in Südafrika arbeitet.

Für viele Beobachter war Huangs Aussage nicht überraschend. Er wiederholte nur, was die meisten Quantencomputer-Spezialisten schon seit Jahrzehnten öffentlich kundtun. »Es ist viel schwieriger, einen universellen Quantencomputer zu bauen, als viele Leute vielleicht denken«, sagt John Martinis, jener Physiker, der das Google-Quantencomputerteam im Jahr 2019 zum ersten großen Durchbruch führte – dem Erzielen eines vermeintlichen Quantenvorteils. Inzwischen hat er das Unternehmen verlassen und ein Start-up namens Qolab im kalifornischen Santa Barbara mitbegründet.

Tatsächlich sind Quantencomputer noch alles andere als ausgereift. Das zeigt sich unter anderem daran, dass keine der vielen Qubit-Varianten, die für die Umsetzung getestet werden, bisher einen deutlichen Vorsprung vor ihren Konkurrenten hat. »Ich dachte, dass es inzwischen einen klaren Sieger gäbe – aber den gibt es nicht«, sagte der Informatiker Scott Aaronson von der University of Texas auf dem Q2B24-Kongress im Dezember 2024.

Wettkampf der Qubits

Zwei Qubit-Technologien gelten aktuell als führend. Die eine, die Google, IBM, Rigetti, Qolab, IQM und andere entwickeln, bildet Quantenzustände als Ströme in supraleitenden Schleifen ab. Die andere, die von Firmen wie IonQ, eleQtron, Quantinuum und Alpine Quantum Technologies vorangetrieben wird, hält einzelne Ionen mit geeigneten Lasersystemen gefangen. Dagegen versuchen Quantum Computing Inc., PsiQuantum und Xanadu, Quantencomputer mit Photonen zu betreiben, dort scheinen die Herausforderungen jedoch ungleich größer zu sein.

Und es werden fortwährend neue Ansätze ins Rennen geschickt. Dazu gehören die Silizium-Quantenpunkte von Silicon Quantum Computing und neutrale Atome von QuEra und Planqc. Darüber hinaus setzt Microsoft auf »topologische« Qubits, die zwar noch nicht im Labor erprobt wurden, aber wegen ihrer geringeren Fehleranfälligkeit erhebliche Vorteile bieten könnten.

Fachleute sagen, dass jeder Ansatz Vor- und Nachteile mit sich bringt, und dass jede Qubit-Technologie noch erhebliches Entwicklungspotenzial hat, bevor sie die lang gehegten Erwartungen erfüllen kann. Dazu müssen die einzelnen Qubits zuverlässiger werden, zudem müssten die Quantenprozessoren mindestens eine Million Qubits umfassen. Bislang sind es je nach Chip nur wenige hundert bis tausend. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu tatsächlichen Anwendungen besteht darin, mehrere Qubits zu einem kollektiven Quantenzustand zu kombinieren, der widerstandsfähiger ist als ein einzelnes Qubit. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die als Quantenfehlerkorrektur bezeichnet werden. Die Aktienmärkte hatten im Dezember 2024 auf eine Ankündigung von Google reagiert, wonach das Hinzufügen weiterer Qubits die Fehlerkorrekturverfahren erstmals verbessert – das war bislang noch nicht im Labor gezeigt worden.

Investitionen in Milliardenhöhe

Bislang verfügt allerdings noch kein Unternehmen über ausgereifte Produkte. Das macht es so schwer, Quantenaktien richtig zu bewerten. Einige Firmen, wie etwa IBM, stellen ihre Prototypmaschinen Forschungseinrichtungen kostenlos zur Verfügung und verdienen Geld durch Partnerschaften mit Unternehmen, die sich mit der Technologie frühzeitig vertraut machen wollen.

Noch hat nur eine Hand voll Quantenunternehmen den Sprung an die Börse geschafft, aber es gibt inzwischen eine große Anzahl an Start-ups. Laut einer von GQI geführten Liste existieren aktuell weltweit rund 400 Unternehmen, die im Bereich Quantencomputerhardware, Quantensoftware, Quantenkommunikation oder beidem tätig sind. Einige davon konnten bereits zahlungskräftige Investoren anlocken, welche die Unternehmensbewertungen auf über eine Milliarde US-Dollar getrieben haben.

»Beim derzeitigen Tempo wird es möglicherweise sogar länger als 20 Jahre dauern, bis wir eine Million Qubits erreichen«John Martinis, Quantenphysiker

Im April 2024 berichtete das Beratungsunternehmen McKinsey, dass die Investitionen seit Googles Erfolgsmeldung im Jahr 2019 sprunghaft angestiegen seien. 2022 erreichten sie einen Höchststand von mindestens 2,35 Milliarden US-Dollar und fielen ein Jahr später auf 1,71 Milliarden US-Dollar, inmitten eines allgemeinen Einbruchs beim Risikokapital. Laut Branchenkenner Doug Finke deuten die vorläufigen Daten von GQI für 2024 darauf hin, dass die Investitionen in etwa wieder das Niveau von 2022 erreicht haben.

Quantenphysiker John Martinis gibt zu bedenken, dass der Hype um manche Unternehmen die Kapitalbeschaffung erschweren kann. Er habe Huangs Bemerkung sogar zitiert, als er sein Unternehmen bei Investoren vorstellte. »Ich glaube, er war fast noch optimistisch. Beim derzeitigen Tempo wird es möglicherweise sogar länger als 20 Jahre dauern, bis wir eine Million Qubits erreichen.«

Eine andere Frage ist, ob künstliche Intelligenz (KI), die auf klassischen Computern läuft, Quantenrechner in manchen Anwendungsfällen überflüssig machen wird. Diesen Punkt warf der Mitbegründer von Google DeepMind, Demis Hassabis, Ende 2024 im Gespräch mit »Nature« auf, nachdem ihm der Nobelpreis für Chemie zugesprochen worden war. Auf der Q2B24-Veranstaltung widersprach der theoretische Physiker John Preskill vom California Institute of Technology in Pasadena dem jedoch und stellte klar, dass es für Probleme in Bereichen wie Chemie und Materialwissenschaften, die Forschende mit Quantencomputern lösen wollen, einfach nicht genügend Daten gibt, um damit ein maschinelles Lernsystem zu trainieren. »Ich glaube nicht, dass wir in der Lage sind, KI für diese Art von Problemen wirklich Gewinn bringend zu nutzen.«

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