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Einstein versus Bohr: Experiment widerlegt Einstein – zumindest teilweise

Können Quantenobjekte Teilchen und Welle zugleich sein? Albert Einstein sagte ja, Bohr nein. Fachleute haben ihr Gedankenexperiment nun umgesetzt – und dabei Erstaunliches entdeckt.
Ein Blasendiagramm zeigt eine dynamische Anordnung von blauen Kreisen, die sich von beiden Seiten des Bildes zur Mitte hin verjüngen. Die Kreise variieren in Größe und Transparenz, was einen fließenden, wellenartigen Effekt erzeugt. Dieses Diagramm könnte verwendet werden, um Datenströme oder Verbindungen zwischen zwei Punkten zu visualisieren. Der Hintergrund ist hellgrau, was den Kontrast zu den blauen Kreisen verstärkt.
Lassen sich die Teilchen- und Welleneigenschaften von Quantenobjekten gleichzeitig offenbaren?

Häufig wird vergessen, welch entscheidende Rolle Albert Einstein bei der Entwicklung der Quantenmechanik spielt. »Gott würfelt nicht«, wird er häufig zitiert. Doch Einstein war der Erste, der die Existenz von Lichtquanten postulierte, den Photonen. Trotzdem stimmte er mit vielen Schlussfolgerungen seiner Kollegen nicht überein. So mit Niels Bohrs Hypothese von komplementären Eigenschaften: Demzufolge besitzen Quantenobjekte Merkmale, die sich nicht zeitgleich exakt bestimmen lassen. Zum Beispiel zeige ein Teilchen in einem Experiment entweder seine teilchen- oder seine wellenartige Seite – aber niemals beide zugleich.

Auf der fünften Solvay-Konferenz im Jahr 1927 diskutierten Bohr und Einstein diesbezüglich ein Gedankenexperiment: eine Erweiterung des Doppelspaltexperiments, bei dem sich laut Einstein sowohl teilchen- als auch wellenartige Eigenschaften offenbaren würden. Nun hat ein Team um Jian-Wei Pan von der University of Science and Technology of China in Hefei das Experiment umgesetzt – und dabei erstaunliche Eigenschaften der Quantenmechanik offengelegt.

Einstein schlug folgenden Versuchsaufbau vor: Zunächst betrachte man einen gewöhnlichen Doppelspalt. Wenn einzelne Photonen darauf treffen, bildet sich auf dem dahinter befindlichen Schirm ein Interferenzmuster – ein klares Zeichen dafür, dass Licht Welleneigenschaften hat. Nun solle man vor diesen Doppelspalt eine Barriere mit einem einzelnen Spalt befestigen, und zwar an Sprungfedern. Wenn der einzelne Spalt schmal genug ist, wird ein Photon einen Teil seines Impulses darauf übertragen. An der Schwingung der Federn lässt sich dann ablesen, ob das Teilchen im nachfolgenden Doppelspalt den ersten oder zweiten Schlitz passiert. Auf diese Weise, so Einstein, lasse sich die teilchenartige Eigenschaft der Photonen beobachten (sie durchqueren je nur einen Schlitz), gleichzeitig zeichne sich aber auch ein Interferenzmuster auf dem Bildschirm ab, was die Welleneigenschaften verdeutlicht.

Gedankenexperiment | 1927 erdachte Albert Einstein einen Versuchsaufbau, bei dem Quantenobjekte sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften zeigen sollten. Nun haben Forschende das Experiment umgesetzt.

Bohr war hingegen überzeugt, dass ein anderes Ergebnis eintreten würde. Durch den vorangestellten Einfachspalt wird der Impuls der Photonen sehr genau bestimmt. Wegen der heisenbergschen Unschärferelation müsste daher die Position des Teilchens verschwimmen – und somit dürfte kein Interferenzmuster auf dem Schirm entstehen, sondern nur ein verschwommenes Signal.

Vor knapp 100 Jahren ließ sich das nicht real testen. Doch Pan und sein Team haben den Aufbau in ihrem Labor nachgestellt. Statt einer gefederten Barriere mit einem einzelnen Schlitz haben sie ein einzelnes Rubidiumatom genutzt, mit Lasern gefangen und fast vollständig zum Stillstand gebracht. Somit konnten sie dessen Quanteneigenschaften sehr genau steuern. Anschließend feuerten sie einzelne Photonen auf das Rubidiumatom. So konnten sie den Impuls der Teilchen bestimmen und anschließend beobachten, ob sie ein Interferenzmuster erzeugten, so wie Einstein es postuliert hatte, oder ob Bohr recht hatte.

Tatsächlich entpuppte sich Bohrs Vorhersage als korrekt. Wenn die Fachleute den Impuls der Photonen bestimmten, wurde das Interferenzmuster zu einem unklaren Fleck. Allerdings gelang es ihnen auch, einen Mischzustand zu erzeugen: Sie konnten mit einer gewissen Unsicherheit Informationen über den Impuls der Photonen gewinnen und gleichzeitig ein leicht verschwommenes – aber immer noch erkennbares – Interferenzmuster erzeugen.

  • Quellen
Pan, J. W. et al., Physical Review Letters 10.1103/93zb-lws3, 2025

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