Quantenphysik: Magische Teilchenzustände am weltgrößten Beschleuniger gefunden

Quanteneffekte sind an Teilchenbeschleunigern alltäglich, aber Magie wurde dort noch nicht beobachtet – bis jetzt. Zwei Forscher haben in den Daten des leistungsfähigsten Beschleunigers, dem LHC bei Genf, Hinweise auf so genannte magische Zustände gefunden. So heißen Quantenphänomene, die sich nicht mit gewöhnlichen Rechnern simulieren lassen. Dieses Konzept aus der Quanteninformatik könnte auf dem Weg zu fehlertoleranten Quantencomputern eine wichtige Rolle spielen.
Wie die beiden Physiker Christopher und Martin White – Zwillingsbrüder, von denen Ersterer an der University of London in England und Letzterer an der University of Adelaide in Australien forscht – im Fachmagazin »Physical Review D« schreiben, wollten sie herausfinden, ob solche magischen Quantenzustände auch in Beschleunigerexperimenten auftauchen. Konkret untersuchten sie die Produktion von Top-Quarks, den schwersten fundamentalen Teilchen. »Erzeugt die Natur magische Top-Quarks, und wenn nicht, warum nicht?«, fragen sie. Die Antwort darauf könne dabei helfen, Magie auch in natürlichen Quantensystemen auszunutzen. Möglicherweise zeigt das neue Arten von Experimenten auf, die bessere Einblicke in das komplizierte und vergleichsweise wenig erforschte quanteninformatische Phänomen geben.
Normalerweise geht es in der Quantenphysik vor allem um lange bekannte Effekte wie die Verschränkung oder die Überlagerung von Quantenobjekten. Magie zog erst im Zusammenhang mit Quantencomputern Aufmerksamkeit auf sich, insbesondere wegen einer Publikation von September 2024, an der auch Christopher White beteiligt war. Dahinter steckt folgender Gedanke: Für wirklich leistungsfähige Quantencomputer reicht es nicht aus, die Recheneinheiten nur in überlagerte und miteinander verschränkte Zustände zu bringen. Damit die Geräte bei ihren Berechnungen klassischen Computern überlegen sind, braucht es weitere Quanteneigenschaften, die beispielsweise für eine geringere Anfälligkeit gegenüber Fehlern sorgen. Solche Eigenschaften heißen magisch. Andersherum gilt für ein physikalisches System: Je magischer es ist, desto schwieriger lässt es sich mit einem herkömmlichen Computer simulieren. Die Wortwahl mag etwas unwissenschaftlich erscheinen, aber aus mathematischer Sicht lässt sich Magie in konkrete Formeln fassen.
Das haben die White-Brüder getan und in den LHC-Experimenten, in denen Top-Quarks erzeugt wurden, nach Teilchenkollisionen gesucht, bei denen sich magische Zustände nachweisen lassen. Tatsächlich verschwand die Magie gerade dann, wenn die Verschränkung während der Produktion und des Zerfalls der Top-Quarks maximal groß oder minimal klein wurde. Die beiden Forscher hoffen nun, dass sich das Phänomen auf verschiedene Weise in der Physik nutzen lässt. So könnte man in Beschleunigerdaten nach Effekten jenseits des Standardmodells suchen, falls verschiedene Theorien unterschiedliche Vorhersagen zur Magie treffen. Wenn sich die Quanteninformatik und die Teilchenphysik mit Methoden aus dem jeweils anderen Gebiet untersuchen lassen, bringt das vielleicht völlig neue Erkenntnisse.
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