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Verschränkung: Quantenpunkte in Arsen

Zuverlässige Quellen für quantenmechanisch verschränkte Teilchen sind rar und teuer. Wenn es nach einem britischen Forscherteam geht, könnte die Halbleiterindustrie bald Abhilfe schaffen.
"Woher nehmen und nicht stehlen?", fragen sich viele Wissenschaftler, die an Quantencomputern oder an quantenkryptografischen Verschlüsselungsgeräten tüfteln, wenn sie ihre Versuche mit so genannten verschränkten Zuständen machen wollen. Hoffen doch viele, mit dieser Technik künftig weitaus leistungsstärkere Rechner bauen zu können oder Botschaften so zu chiffrieren, dass niemand sie abhören kann. Als Informationsträger nutzen die Frontkämpfer der Forschung dazu oft Photonen – die Korpuskel des Lichtes also. Sie überwinden relativ einfach weite Strecken und gehen verhältnismäßig simpel ein quantenmechanisches Tête-à-tête miteinander ein.

Doch sind geeignete Lichtquellen oft hoch komplex oder wenig zuverlässig: Sie spucken nur ab und zu einmal die gewünschten Pärchen aus.  Meist müssen die Experimentatoren die gesuchten Photonen mühsam aus einer unübersichtlichen Masse an nicht miteinander zusammenhängenden Normalos herausfischen. Viel Schweiß und Mühe kostet den Technikern daher die Konstruktion einer einigermaßen vertrauenserweckenden Quelle für diese Art korrelierter Zustände.

Das soll nun alles viel besser werden, verspricht ein Team aus Wissenschaftlern um Andrew Shields von der europäischen Toshiba-Forschungseinrichtung im britischen Cambridge. Nicht nur meinen sie, einen relativ zuverlässigen Lieferanten für miteinander verschränkte Photonen gefunden zu haben. Nein, die Quelle besteht darüber hinaus aus einer Verbindung des Metalls Indium mit dem Halbmetall Arsen – beides gängige Ausgangsstoffe der Halbleiterindustrie.

Das Licht entlocken die Experimentatoren so genannten Quantenpunkten, die sie gezielt im Indiumarsenid eingebaut haben. Quantenpunkte sind mikroskopisch kleine Fehlstellen oder Defekte, welche die Elektronen im Halbleiterkristall wie in einem Käfig gefangen halten. Aus quantenmechanischen Gründen können die Ladungsträger daher keine beliebigen Energiewerte annehmen. Sie besitzen diskrete Energiezustände, die sich von außen wie in einer Art künstlicher Atome anregen lassen. Da sich die Elektronen in einem Festkörper aufhalten, bleibt bei einer solchen Anregung stets ein so genanntes Loch zurück. Dieses verhält sich physikalisch wie ein positiv geladenes Elektron – ein Positron – also. Beide ziehen sich gegenseitig an, und bilden kurzfristig eine wasserstoffähnliche Verbindung, nur mit dem Unterschied, dass hier kein Elektron um ein Proton kreist, sondern um eine Lücke, die das Elektron selbst hinterlassen hat. Festkörperphysiker nennen einen solchen Zustand Exziton.

Exzitonen lassen sich – ähnlich wie Atome oder Moleküle – auf verschieden hohe Energiewerte bringen, die dann nach kurzer Zeit kaskadenartig wieder in den Grundzustand zurückfallen. Dabei wird jedes Mal ein Photon emittiert. Nun produzierten die Experimentatoren um Shields Quantenpunkte, bei denen der zweite Anregungszustand genau doppelt so viel Energie enthält wie der erste. Beim Rückfall in den Grundzustand entstehen daher kurz hintereinander zwei Photonen gleicher Energie, die nach den Erkenntnissen der Forscher in Bezug auf ihre Polarisation miteinander verknüpft sind: Schwingt eine Lichtwelle in die eine Richtung, schwingt die andere genau entgegengesetzt. Das erfüllt das Kriterium der Verschränkung.

Die gleiche Balance zwischen den Photonenenergien und deren Polarisationsgrad erhielten die Wissenschaftler für nahezu beliebige Quantenpunkte, vorausgesetzt sie verschoben die Energieniveaus mit Hilfe von Magnetfeldern. Auf diese Weise hofft die Arbeitsgruppe, künftig aus dem Halbleitermaterial verlässliche Lichtquellen für verschränkte Photonen bauen zu können, die sich wie handelsübliche Fotodioden einsetzen lassen. Das würde die Arbeit vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen enorm erleichtern.

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