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Quark-Gluon-Plasma: Quarksuppe en miniature

Durch Kollisionen von Protonen mit Bleikernen haben Forscher ein Quark-Gluon-Plasma erzeugt und festgestellt: Der extreme Materiezustand hat Eigenschaften einer Flüssigkeit.
CMS-Detektor

Quarks sind gesellige Elementarteilchen: Der Quantentheorie zufolge können sie prinzipiell nie allein auftreten. Die Protonen und Neutronen, aus denen die Atomkerne aller Elemente aufgebaut sind, bestehen aus je drei Quarks. Zusammengehalten werden sie durch so genannte Gluonen  – Kraftteilchen, die die starke Wechselwirkung zwischen den Quarks vermitteln. Diese Kraft ist so stark, dass man ein einzelnes Quark nicht aus einem Atomkern entfernen kann. Versucht man etwa, in einem Teilchenbeschleuniger mit Hilfe hochenergetischer Teilchen ein Quark aus seinem Verbund zu sprengen, wird die dafür benötigte Energie so groß, dass schließlich neue Teilchen entstehen, mit denen sich das Quark verbindet.

Es gibt nur eine einzige Chance, diese Bindungskräfte zu überwinden: Bei extrem hohen Energien und Teilchendichten, wie sie vor allem bei der Kollision schwerer Atomkerne in den leistungsstärksten Teilchenbeschleunigern auftreten, ändert sich das Verhalten dieser Elementarteilchen. Quarks und Gluonen verschmelzen dann zu einem neuartigen Aggregatzustand, dem Quark-Gluon-Plasma. Auch in modernen Teilchenbeschleunigern lässt sich ein solches Plasma nur für winzige Sekundenbruchteile aufrechterhalten, bevor es sich wieder in seine Bestandteile auflöst. Die Analyse der Zerfallsprodukte in großen Detektoren erlaubt dann Rückschlüsse auf diesen Materiezustand.

Bislang stammen die experimentellen Befunde zum Quark-Gluon-Plasma vor allem von Kollisionen jeweils zweier schwerer Atomkerne, wie etwa Gold gegen Gold oder Blei gegen Blei. Wissenschaftler am Europäischen Kernforschungszentrum CERN stellten nun jedoch das Ganze sozusagen en miniature nach und schossen jeweils nur ein einzelnes Proton gegen einen Bleikern, der aus insgesamt 208 Protonen und Neutronen besteht. Dabei konnten sie Hinweise auf ein Quark-Gluon-Plasma finden. Und nicht allein das: Wie die Datenanalyse ergab, verhält sich dieses Plasma unter bestimmten Gegebenheiten wie eine Flüssigkeit.

Extrem hohe Temperatur, extrem hohe Dichte

Dabei ist ein solches Quark-Gluon-Plasma ein außergewöhnlicher Materiezustand: Er ist von einer extrem hohen Temperatur und Dichte gekennzeichnet. Kurz nach dem Urknall war unser ganzes Universum von solch einem Plasma erfüllt, allerdings nur für winzige Sekundenbruchteile. Millionstel Sekunden nach dem Urknall herrschten noch Temperaturen von einigen Billionen Kelvin. Während das Universum expandierte, kühlte es sich jedoch rasch ab, und die Quarks und Gluonen kondensierten sozusagen aus – Physiker sprechen hier von "Hadronisierung" – und ballten sich zu den Atomkernen von Wasserstoff und Helium zusammen.

Beim neuen Experiment am Large Hadron Collider des CERN nutzten die Wissenschaftler Daten aus zwei Monaten Laufzeit im Jahr 2013 und analysierten sie mit einer neuen Methode. Dabei untersuchten sie Korrelationen von sechs oder acht der vielen Teilchen, die bei besonders heftigen Kollisionen als Zerfallsprodukte entstanden. Frühere Analysen beschränkten sich wegen der aufwändigen Rechnungen auf zwei bis vier Teilchen.

Die Forscher der CMS-Kollaboration am CERN, die die Analysen machte, beobachteten, wie sich das Verhalten der Materie unter solchen extremen Bedingungen veränderte. "Das Plasma verhält sich kurzzeitig wie eine Flüssigkeit und überträgt Impuls und Energie in alle Richtungen", sagt Ralf Ulrich vom Karlsruher Institut für Technologie, der an der CMS-Kollaboration beteiligt ist.

Flüssigkeitscharakter wirkt sich auf Sekundärteilchen aus

In Atomkernen treten ständig Quantenfluktuationen auf, weshalb Energie und Impuls der Quarks in den Atomkernen einer gewissen Variation unterliegen. Beim Übergang zum Quark-Gluon-Plasma werden diese Variationen durch den Flüssigkeitscharakter verstärkt und auf die bei der Reaktion neu entstehenden Sekundärteilchen übertragen. "Dies führt zu gut messbaren Korrelationen zwischen Sekundärteilchen gerade auch über große Winkelabstände, wo diese sonst nicht erwartet werden", so Ulrich.

Wie schwierig es ist, bei hochenergetischen Kollisionen sinnvolle Rückschlüsse auf das Geschehen im Zentrum zu machen, kann man sich bereits anhand der Anzahl der involvierten Teilchen veranschaulichen: Wenn am Large Hadron Collider (LHC) des CERN zwei Bleikerne mit voller Energie aufeinanderprallen, entstehen bis zu 25 000 Sekundärteilchen. Trifft ein Proton auf einen Bleikern, sind es immer noch rund 1000.

Der nun gemessene Effekt ist jedoch nur schwach, und noch ist die Statistik bei den Messungen nicht allzu gut. Seit der LHC wieder mit deutlich höherer Energie angelaufen ist, sollte sich das Quark-Gluon-Plasma jedoch sehr viel eingehender untersuchen lassen. Denn bei den hohen Teilchenenergien, die mittlerweile in Reichweite sind, könnten sogar Proton-Proton-Kollisionen zu diesem extremen Materiezustand führen. Die CMS-Forscher planen bereits, diese Kollisionen auf ihre Korrelationen zu prüfen und der Frage nachzugehen, ob sie ebenfalls Flüssigkeitscharakter zeigen.

Dass die Untersuchungen hierzu so aufwändig sind und deshalb eine große Statistik benötigen, liegt an der sehr kurzen Lebensdauer dieses Zustands. Die einzige Sorte Quark-Gluon-Plasma, die eine längere Lebensdauer hat, ist uns leider nicht experimentell zugänglich: Einigen Theorien zufolge könnte auch das Zentrum von Neutronensternen aus einem Quark-Gluon-Plasma bestehen.

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