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Quasikristalle: Erster Atomtest erzeugte exotisches Mineral

Bei der Trinity-Explosion 1945 entstand ein ungewöhnlicher Stoff. Er gehört zu einer Materialklasse, deren Strukturen auf der Grenze zwischen Ordnung und Unordnung liegen.
Der Test von »Castle Romeo« auf dem Bikini-Atoll

Bei der ersten Atomexplosion der Geschichte entstand ein bisher unbekanntes Mineral mit ungewöhnlicher Struktur. In den Rückständen des Trinity-Tests vom 16. Juli 1945 entdeckte ein Team um Paul J. Steinhardt von der Princeton University ein Material mit der Zusammensetzung Si61Cu30Ca7Fe2, das sich wie ein Mittelding zwischen geordnetem Kristall und ungeordneter Legierung verhält. Wie die Gruppe in »PNAS« berichtet, ist der Stoff ein Quasikristall, dessen Atome zwar wie in einem Kristall regelmäßig angeordnet sind, sich aber nicht periodisch wiederholen. Solche Quasikristalle sind sehr selten und wurden erst 1982 vom späteren Chemie-Nobelpreisträger Dan Shechtman entdeckt. Der bei der Atomexplosion entstandene Quasikristall ist der älteste menschengemachte Vertreter dieser Stoffklasse.

Das nur wenige Mikrometer große Körnchen des neuen Stoffs ist eingeschlossen in einem Tröpfchen aus Kupfer, das seinerseits zu einem Brocken Trinitit gehört – einer roten Schmelzmasse aus Sand und Kupfer. Trinitit entstand, als die Hitze der Explosion den Wüstensand des Testgeländes aufschmolz. Meistens ist der Stoff eine grünlich glasige Masse aus geschmolzenem Quarz und Feldspat. Teile der Schmelzmassen allerdings enthalten große Mengen Metalle, die aus der verdampften Infrastruktur stammen: dem 30 Meter hohen Turm, auf dem die Bombe gezündet wurde, und den Kupferkabeln der elektrischen Komponenten und Messgeräte.

Das blutrote Fragment aus Trinitit, in dem der Quasikristall eingeschlossen ist, stamme mutmaßlich von einem Punkt etwa 60 Meter von der Explosion entfernt, berichtet die Arbeitsgruppe. Darauf deute der Zerfall des bei der Explosion entstandenen Isotops Europium-152 hin. Etwa dort endete das kupferhaltige Koaxialkabel von der Spitze des Turms in einem Graben, und aus diesem stammen mutmaßlich auch die Metalle des Quasikristalls ebenso wie der umgebende Kupfertropfen. Das Team identifizierte das exotische Material anhand seiner ungewöhnlichen Geometrie, die für einen Kristall unmöglich ist, aber charakteristisch für Quasikristalle: Der Stoff hat eine fünfzählige Symmetrie, wie das typische Beugungsmuster von Röntgenstrahlung zeigte.

Deswegen kann sich seine innere Struktur nicht periodisch wiederholen – ebenso wenig, wie man eine Fläche lückenlos mit Fünfecken bedecken kann. Diese Besonderheit gibt Quasikristallen ungewöhnliche physikalische Eigenschaften, zum Beispiel eine sehr geringe Leitfähigkeit für Strom und Wärme. Der Fund des bislang unbekannten neuen Quasikristalls auf dem Atomtestgelände öffne eine Reihe neuer Forschungsrichtungen; nicht nur könnten Atomtestgelände neue Quasikristalle hervorbringen, die exotischen Materialien könnten auch nachträglich Aufschluss über die genauen Bedingungen im Inneren des nuklearen Feuerballs geben. Nicht zuletzt sei es sinnvoll, überall dort nach Quasikristallen zu suchen, wo große Hitze und eine heftige Stoßwelle auftreten – zum Beispiel bei Blitzschlägen.

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