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News: Quellende Ziegel

Schon lange weiß man, dass irdene Keramik und gebrannte Tonziegel im Laufe der Zeit Wasser einlagern und sich ausdehnen. Wie stark der Effekt ist, konnten Wissenschaftler nun genau bestimmen und geben damit Archäologen eine neue Methode an die Hand, Ton-Funde zu datieren.
Ziegelmauer
Auch wenn manches Bauwerk Jahrtausende überdauern mag, so ist ihm doch der Zahn der Zeit deutlich anzusehen. Risse, herausgebrochene Steine, Vegetation, die sich in den Gemäuern festsetzt – die Zeichen der Verwitterung sind vielfältig. Dabei ist auch entscheidend, aus welchem Material ein Gebäude besteht. Denn gebrannte Tonziegel lagern im Laufe der Zeit Wasser ein und quellen dabei regelrecht auf. Hat der Baumeister diesen Effekt nicht berücksichtigt, dann werden die Mauern geradezu gesprengt.

Nicht nur alten Gemäuern setzt dieser Effekt zu, auch die Umstellung beim Bau von elastischem Lehm zu hartem Zement als Füllmaterial zwischen den Ziegeln bereitete manchem Häuslebauer eine böse Überraschung – zumindest bis findige Ingenieure auf die Idee kamen, dem arbeitenden Mauerwerk mit Dehnungsfugen aus nachgiebigem Material etwas mehr Spielraum zu verschaffen. Doch reichen diese Lücken auch längerfristig, um Spannungen aufzufangen? Die Frage ist also, wie stark quillt gebrannter Ton im Laufe der Zeit?

In ersten Arbeiten Ende der Fünfziger kamen Wissenschaftler auf einen logarithmischen Zusammenhang zwischen der Ausdehnung des Materials und der seit der Herstellung vergangenen Zeit. Allerdings wurden damals nur sehr kurze Zeiträume untersucht. Grund genug für Moira Wilson vom University of Manchester Institute of Science and Technology und ihre Kollegen, einen neuen Blick auf Tonziegel zu werfen. Um auch Langzeitprognosen treffen zu können, beschränkten sich die Forscher dabei nicht nur auf frisch gebrannte Ziegel, sondern nahmen sich auch 120 Jahre alte Steine aus dem 19. Jahrhundert sowie römische Tonziegel aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus vor.

Die Dehnung der Steine bestimmten die Wissenschaftler anhand des Abstands zweier Metallmarken, die sie in das Material drehten. Um zu ermitteln, wie stark sich die römischen Ziegel und die aus dem 19. Jahrhundert seit ihrer Herstellung aufgebläht haben, erhitzen Wilson und Co die Steine kurzerhand und ließen sie so wieder auf ihre ursprüngliche Größe schrumpfen. Zudem untersuchten die Forscher, inwieweit die Witterungsbedingungen das Aufquellen des Tons beeinflussen. Dazu unterzogen sie das Material einer Behandlung bei verschiedenen Temperaturen und Luftfeuchtigkeitswerten.

Aber zunächst zur fortschreitenden Ausdehnung unter normalen Laborbedingungen: Hierbei stellte sich heraus, dass sich alle Ziegel recht gut durch einen einfachen mathematischen Zusammenhang beschreiben lassen – durch ein Potenzgesetz. Demnach ist die Ausdehnung des Materials proportional zum Alter hoch ein Viertel. Selbst die alten Ziegel fügten sich gut in diese Näherung ein. Auch theoretisch lässt sich dieser Zusammenhang offenbar ganz gut erklären. Diffusionsprozesse, bei denen die Feuchtigkeit entlang feiner Kapillaren in das Material eindringt, würden genau so eine Gesetzmäßigkeit erwarten lassen.

Damit hat sich dann wohl auch der ursprünglich logarithmisch prognostizierte Verlauf erledigt. Interessanterweise stellten die Wissenschaftler außerdem fest, dass unterschiedliche Witterungsbedingungen im üblichen Rahmen keine allzu großen Unterschiede für den Quellprozess machen. Erst wenn man die Ziegel bei hohen Drücken überhitztem Wasserdampf aussetzt, dehnt sich das Material deutlich schneller aus als unter eher trockenen Laborbedingungen. Vier Stunden Extrem-Behandlung wiegen rund 200 Jahre im Labor auf, so die Rechnung der Wissenschaftler.

Für Bauingenieure sind das freilich wichtige Informationen, weil sich damit nun erstmals recht genau abschätzen lässt, wie viel Spielraum man dem Mauerwerk lassen muss, damit sich dieses auch langfristig ausdehnen kann. Denn wenngleich das Material mit der Zeit immer langsamer aufquillt, so ist doch nie eine Sättigung erreicht. Das gilt es zu berücksichtigen, damit Gebäude zumindest ein Jahrhundert überdauern.

Und noch eine Berufsgruppe könnte von den Ergebnissen der Forscher profitieren: die Archäologen. Eine Keramik unbekannten Alters müsste nur einige Zeit bei 450 Grad Celsius getrocknet werden, damit sie auf ihre ursprüngliche Größe schrumpft. Anhand der Größenänderung und der von Wilson und ihrem Team ermittelten Kurve lässt sich dann schnell das Alter des Fundes ermitteln.

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